Der weite Bogen
Ok, für dieses Review muss ich weiter ausholen. Das Comeback von Prison Break wurde von meiner Schwester und mir mit ziemlich großer Vorfreude erwartet. Immerhin haben wir früher so einige Donnerstagabende damit verbracht, mit Michael Scofield und Lincoln Burrows mitzufiebern, wenn sie Woche für Woche Gefängnisausbrüche vom feinsten hingelegt haben. Und das war wirklich spannend! Dann war die Serie irgendwann vorbei und das war auch in Ordnung so. 2015 machte die Nachricht die Runde, dass es ein Comeback der Action-Serie geben wird. Nach erster Verwirrung, wie das gehen soll, da ja der Hauptdarsteller am Ende der Serie abgetreten war, überwog die Freude auf die Rückkehr. Die steigerte sich dann noch mal, als bekannt wurde, dass die neuen Folgen nur wenige Tage nach Erstausstrahlung in den USA auch in Deutschland zu sehen sein werden. RTL2 hatte sich direkt mal die Rechte an der Serie gesichert und ihr einen guten Sendeplatz verliehen: Samstagabend um 20.15 Uhr.
So fing die Planung an: Für das Wochenende der Ausstrahlung war ein Familienwochenende in Berlin geplant. Perfekt, dachte sich meine Schwester. Da sind wir ja eh zusammen und können abends in der Airbnb-Wohnung gleich den Auftakt zusammen schauen. So wurde der Airbnb-Vermieter, der bei unserer Ankunft offenbarte, dass nach der kürzlichen Umstellung auf DVBT-2 der Fernseher noch nicht ginge, direkt angehauen, das doch bitte bis zum nächsten Abend zu richten. Um 20.15 Uhr müsse alles stehen. Hat er gemacht (was er sich wohl gedacht hat). Doch natürlich waren wir zur Ausstrahlung noch immer unterwegs und absolut nicht Fernsehabend-bereit. War also wohl nix mit Prison Break.
Doch das Osterfest sollte sich ja gleich am nächsten Wochenende ereignen und damit das nächste Wiedersehen mit der Lieblingsschwester sicherstellen. Ostersonntag sitzen wir also alle am gut abgeräumten Grilltisch und denken über die weitere Abendgestaltung nach: Noch mal rausgehen und ein, zwei nahe gelegene Osterfeuer begutachten? Nö, Papa hat da noch einen guten Filmtipp. Soll sogar besser sein als das Buch. So schauen wir Jo Nesbo’s Headhunters. War ganz gut … und Jaime Lannister aus Game of Thrones hatte auch eine Rolle.
Aber dann! Während sich die älteren Herrschaften ins Bett begeben, machen meine Schwester und ich es uns auf dem Sofa noch einmal mit der Osterschoki bequem. RTL2 hat die bereits ausgestrahlten Folgen Prison Break noch in der Mediathek und wie schon von Anfang an ist mir bei dem Gedanken an die Synchronfassung der Serie irgendwie ungut. Naja, denke ich mir, früher, als die Serie zur deutschen Erstausstrahlung im Fernsehen lief, habe ich sie auch auf Deutsch geschaut. Wird schon gehen. Oder?
Die bedrückende Enge: Qgygia
„Freiheit hat ihren Preis.“
7 Jahre sind vergangen, seit Michael Scofield von seiner schwangeren Frau, seinem Bruder und seinem besten Freund beerdigt wurde. Während Sarah sich mit dem kleinen Mike ein neues Leben aufgebaut und einen neuen Mann gefunden hat, bekommt Lincoln sein Leben mal wieder irgendwie nicht so richtig auf die Reihe, ist er doch schon wieder in komische Machenschaften verwickelt. Plötzlich steht allerdings der frisch aus der Haft entlassene T-Bag mit einem ominösen Umschlag vor seiner Tür. Darin: ein Foto, das Michael zeigt – lebend. Nur ein Fake? Oder ein Wunder? Für den Rest der Episode versuchen wir genau das herauszufinden. Naja. Also die versuchen das herauszufinden. Wir wissen ja schon längst, dass Michael noch „alive“ ist.
Welche Frage sich mir nach schon wenigen Minuten stellt: War das schon immer so? Liegt das jetzt an der Synchro? Was ist passiert? Die erste Folge Prison Break ist nicht das, was ich erwartet, was ich gehofft hatte. Hier wird kein einziger Gedankengang dem Zuschauer überlassen, alles, wirklich jedes noch so kleine Selbstgespräch, wird ausgiebig verbal erläutert. Keine Verbindung muss der Zuschauer selbst ziehen. Anspruch gleich null. Gleiches gilt für die Dialoge, für die niemand einen Preis, nicht mal einen Schulterklopfer verdient hat.
„Und doch glaube ich, das Schicksal hat uns erneut zusammengeschweißt.“ – T-Bag
„Schnell schnell, sie ist eine von uns!“ – Lincoln
Gestelzte Actionszenen, deren einstudierter Ablauf deutlich herauszulesen ist. Und dann das Intro: Da haben wir schon nur 9 Episoden vor uns und irgendjemand hat sich gedacht, dass es doch ganz smart wäre, einfach schon mal alles in den Vorspann zu packen. Ganz großartige Idee. Und die Charaktere? Die handeln nur nach den Schubladen, denen sie entsprungen sind.
Doch es ist nicht alles schlecht. Der Rückblick auf die vergangenen Staffeln ganz zu Beginn der Episode ist gut gelöst. Doch das sind halt nur 1:15 Minuten. Dann gibt es noch interessante Detailaufnahmen, wenn wir beispielsweise Lincoln, der so ein unglaublich interessantes Gesicht (und im Original eine wahnsinnig besondere Stimme) hat, im Anschnitt sehen. Das Wiedersehen mit altbekannten Figuren ist schön. Und auch der Titel der Episode gefällt mir: Ogygia – hier der Name des Gefängnisses in Jemen, in dem Michael sitzt, in „real“ ist das der Name einer Insel aus Homers Odyssee. Na da steckt endlich mal was hinter. Dennoch: mehr als 2,5 Kronen sind hier einfach nicht angebracht.
Ich seh nur eine Chance für eine Zukunft von Prison Break und mir: Folge 2 im Original schauen. Und das Allerbeste hoffen.
Bilder: RTL2
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