Wer sich die Staffel über gefragt hat, wieso sich die neuen Folgen „Rick and Morty“ nicht ganz so anfühlen, wie die früheren, der weiß dank der neuen Episode, was gefehlt hat. Denn waren viele Momente der jüngeren Seriengeschichte zwar gut, so haben sie doch vor allem auf Überforderung durch Eiltempo-Erzählung gesetzt. „The Vat of Acid Episode“ (an den Titel kann man sich gut erinnern) bringt uns nicht nur eine angenehm stringente Story, sondern vor allem eine geniale mit Aussage.
Dabei beginnt alles mit einem mehr oder weniger plumpen Tausch von Kristallen, der farblich Anleihen aus „The Matrix“ bezieht, von der Alien-Gegenseite irgendwie bei „Der Pate“ angesiedelt ist und in Punkto Location etwas von „Terminator 2“ hat, auch wenn Eisenschmelze durch Säurebehälter ausgetauscht wird. Ausgetauscht hat Rick auch die Säure in einem der Behälter durch einen Whirlpool mit Mountain Dew drin. Welch bescheuerte aber durchaus praktikable Lösung, einen Ausweg zu finden.
„You brought fake cristals AND a gun?!“ – „Beats real cristals and no gun!“ – „But does it beat a fake arm?“ (Rick & Mafiaboss-Alien)
Morty zeigt sich wenig begeistert von der doch erstaunlich weit gedachten Attrappe, bricht aus der Lüge heraus und fühlt sich vor allem missverstanden von seinem Großvater. Einen ähnlichen Moment gab es bereits einige Male, zum Beispiel mit der „Morty Adventure Card“, die ihn alle zehn Abenteuer eines auswählen lässt. Dieses Mal geht es aber um Erfindungen und „Ideen“ seinerseits.
„Yes, Morty, I saw it on ‚Futurama’…“ (Rick)
Eine davon: eine Spielstands-Speicher-Funktion, mit der man wie im Videospiel einen Moment abspeichert, an den man zurückkehren kann, wenn man es verbockt hat. Rick kriegt es (natürlich) hin und wir bekommen das Highlight der Folge zu sehen. Eine Montage an Blödsinns-Dinge, die Morty ausprobiert, stets in Sicherheit wissend, dass er es ja rückgängig machen kann. Sehr schön fand ich, wie Morty selbst beim Videospielen die „echte“ Funktion nutzt, oder er bei der Eisdiele die EINE Kostproben-Möglichkeit immer und immer wieder nutzt, um alle Sorten essen zu können.
„I don’t pay for your friendship, Heroin Keith!“ (Morty)
DER Moment, der die Folge ausmacht, ist jedoch eine lang erzählte Liebesbeziehung Mortys mit einem schwarzhaarigen Mädchen. Die Macher haben ganz gekonnt die Erzählung derart gewunden, dass man immer wieder dachte, JETZT käme der Druck auf die Undo-Fernbedienung. Nein? Gut, dann aber JETZT! Aber nichts da, selbst nach dem Flugzeugabsturz nutzt Morty die Fernbedienung nicht, da er die Beziehung und Geschichte trotz aller Schmerzen und Ausweglosigkeit behalten möchte. Welch Erkenntnis-Zuwachs, welch Liebe, welch Aufopferung! Doch hatte ich kurz zuvor noch darüber nachgedacht, wie groß und ungeschützt diese „Speicher-Zurücksetz“-Knöpfe sind und wie achtlos sie im Rucksack liegen, drückt auch schon Jerry und alles wird zurückgesetzt. Noch schlimmer: Die Fernbedienung fällt im denkbar schlimmsten Moment auf die rote Taste, so dass Morty in der Verzweiflung immer und immer wieder in den Pfefferspray-Moment springt, in der Hoffnung, das zurück zu erlangen, was er weiß, gehabt haben zu können. Autsch!
Genau das sind die Momente, die „Rick and Morty“ ausmachen. Ja, die Sendung ist vor allem abgespacete Comedy, aber die Szenen, die einen direkt in die Magengrube treffen, voller Tragödie und Mitgefühl, die machen den Mix letztlich aus und die Serie zu mehr, als nur animiertem Schabernack. Und die Tatsache, dass die Macher es anschließend oftmals schaffen, noch weitere Ebenen der Geschichte aufzurollen und sogar noch einen Zirkelbezug zum Auftakt der Folge hinzubekommen.
Denn nach Mortys tragischer Geschichte macht er noch etwas Unfug in der Montage, ehe er gelangweilt zu Rick zurückkehrt. Es gibt eine kleine Lektion über die philosophische Frage von Konsequenzen, und wie man es zu leben wagt, ehe Rick offenbart, dass die Speicher-Funktion eigentlich gar keine dieser Art ist. Rick respektiert das stumpfe Zeitreise-Konzept, das selbst „Ant-Man & The Wasp“ hinbekämen, nicht sonderlich, sondern ist – wie wir alle wissen – ein Mann des Multiversums. Jeder Tastendruck hat Morty einfach nur in die Position eines Mortys gesetzt, der die Entscheidung noch nicht getroffen hat. Und durch den Tastendruck qualvoll sterben musste. Fieser Dreh, aber selbst schuld – hätte Morty mal nicht die Spaß-, sondern die Erklär-Funktion gewählt! Wobei, dann wäre uns eine Knaller-Episode abhanden gekommen.
Am Ende muss Morty nicht nur moralisch geläutert von dannen ziehen, sondern sogar noch die vermeintlich bescheuerte Rick-Idee mit dem Fake-Säure-Bad huldigen. Der Arme.
„What, do you think, I’d waste our home to teach you a lesson?!“ (Rick)
Wie könnte wohl ein Leben ohne Konsequenzen aussehen? Wäre das nicht schön? Nach „Rick and Morty“ gibt es das nicht. Selbst, wenn der Anschein entstehen sollte, gibt es immer irgendwo Konsequenzen, und wenn es nur das eigene Denken und Handeln betrifft. Die Folge „The Vat of Acid Episode“ hatte alles, was „Rick and Morty“ ausmacht. Eine abgedrehte Story, einen hochemotionalen Moment, das Aufeinandertreffen von Tragik und Comedy, Twists. Das war auf jeden Fall die beste Folge des Wiederauftaktes, vielleicht sogar der gesamten Staffel. Zumal alles ultra-kurzweilig erzählt worden ist, so dass ich es kaum glauben konnte, dass die Episode nach gefühlten fünf Minuten bereits wieder vorbei war. Einfach „nur“ eine kompakt erzählte Grundidee, die zudem auch noch eine tolle Lektion für Morty und uns Zuschauer dargestellt hat. Chapeau!
Inside the Episode
Hier noch das übliche, kurze „Behind the Scenes“-Video zur Folge.
„The writers and directors of Rick and Morty up their production value by introducing a new means of destruction in ‚The Vat of Acid Episode‘.“
Bilder: Adult Swim / TNT Comedy
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