Nachdem wir vergangene Woche bereits eine erfreulich starke Episode zu sehen bekommen hatten, setzt „Rick and Morty“ mit der neuen Folge noch gehörig einen drauf. Dass es episch werden würde, wird bereits in den ersten Minuten klar. Morty beschwert sich bei Rückkehr über ein blödes Abenteuer und wirkt danach seltsam, als würde er etwas austüfteln – und siehe da: er ist Evil Morty! Nein, anders: Er wird zu Evil Morty. Denn tatsächlich bekommen wir seine Backstory im Schnelldurchlauf präsentiert.
„And how were the horrors of the inifite today, Sir?“ – „Just another day in paradise.“ (Roboter-Butler & Evil Morty)
Tatsächlich ist ihm sein Rick zu trivial und das von ihm gesetzte Ultimatum führt dazu, dass Morty sich freischwimmt, indem er seinen Rick gedanklich manipuliert um andere Ricks im Multiversum umzubringen (auch Prince-Rick!) und Mortys zu kidnappen. In der zu sehenden Montage sind viele tolle Kleinigkeiten zu entdecken, wie zum Beispiel, dass „Mortember“ auf dem Kalender in der Morty Agency steht und Evil Morty der einzige Morty in der Kartei ist (bzw. nach dem Löschvorgang war), der nicht lächelt. Auch gibt es tolle epische Shots wie den obigen zu sehen und allgemein ist diese Einleitung derart episch, dass auf die Opening-Sequenz verzichtet wird – man will direkt weiterschauen.
„Wait – is this what I think it is? Of course it is. Everything is what I think it is.“ (Evil Morty)
Drei Jetsons-Familien später treffen Evil Morty und unser Rick aufeinander. Bereits im ersten Dialog zwischen den beiden gibt es viele tolle Sätze zu hören. Unter anderem auch ein bisschen Meta, witzelt Evil Morty doch darüber, dass er von Rick eher Dinge erwartet, wie sich in eine Gurke zu verwandeln, und Rick wurde angeblich Fan von Evil Morty wegen dessen aalglatter „interessiert mich alles nicht“-Attitüde. Vor allem aber halten sich beide schlauer als der jeweils andere, wobei Evil Morty das tatsächlich konsequenter und glaubwürdiger rüberbringt. Dass Evil Morty kein normaler Morty ist zeigt bereits die Tatsache, dass er „Jesus“ statt „Awww, Jeez!“ sagt. Beim später wild umherfliegenden Schuss ist Evil Morty zudem der einzige, der ruhig und starr stehen bleibt.
„You think, you’re better than me?!“ – „Jesus, I hope so!“ (Rick & Evil Morty)
„Rick and Morty“ schafft es erneut, alles schlagartig in anderen Dimensionen erscheinen zu lassen. Die vermeintlich einmalig große, epische Jagd auf Rick Prime ist eigentlich auch nur eine von mehreren. Unser Trio landet in einer Auffang-Anlage für Rick-Prime-jagende Ricks, die alle das gleiche Schicksal sowie die gleichen Ambitionen mit sich tragen und immerhin auch so weit gekommen sind.
„He killed my wife!“ – „WE KNOW!“ (Ricks)
Für alle, die die Vorgeschichte nicht mehr ganz beisammen hatten – Zuschauende wie unser Morty – gibt es nochmal eine Zusammenfassung. Rick Prime hat anderen Ricks, die sich überlegen gefühlt haben, die Frau getötet – und das in allen Multiversen. Mit dem Versprechen, (s)eine Diane zurück zu bekommen, schafft er es erstaunlich leicht, die Ricks gegeneinander aufzustacheln, so dass unter anderem Indiana-Jones-Rick James-Bond-Rick umbringt. Verwunderlich, wie naiv und technisch limitiert viele Ricks sind, obwohl sie es ja irgendwie bis an diese Stelle geschafft haben sollen. Letztlich stellt sich nicht nur das Diane-Versprechen als Lüge heraus (immerhin gibt es noch einen Todes-Roboter mit ihrem Gesicht), sondern auch, dass die Todesfalle eine selbst zurücksetzende Vorrichtung ist, die etliche Durchgänge mit Rick-Prime-jagenden Ricks durchführt. Erneut wird der Scope also kurzerhand gewaltig erweitert, auch unser Rick ist – bis zu diesem Moment der Jagd – nur einer von vielen.
„You’re an asshole.“ – „Well yeah, I’m not ‚Good Morty’…“ (Morty & Evil Morty)
Letztlich führt erst die Zusammenarbeit von Evil Morty und Rick dazu, dass das Trio nicht nur mit einem grün-gelb-schwarzen Portal erfolgreich aus der Todesfalle fliehen kann, sondern auch, dass der zuvor unauffindliche Rick Prime binnen Sekunden lokalisiert werden kann. Weil dieser deutlich mehr Freizeit als unser Rick besitzt (wunderbar, wie hier casual eine absolute 08/15-Ausrede unserer Gesellschaft fallen gelassen wird), kam er dazu, die Omega Weapon neu zu errichten. Dieses Mal kann sie gar mehrfach schießen und soll alle Familienmitglieder Ricks nacheinander im gesamten Multiversum ausschalten. Beginnend bei Slow Mobius, der eigentlich gar nicht zur Familie gehört, aber er wird halt von Rick „Uncle Slow“ genannt. Die Älteren von euch werden sich erinnern, dass Uncle Slow bereits in der Folge „Ricksy Business“ (S01E11) zu sehen war.
Der folgende Kampf zwischen den Ricks (bzw. auch Evil Morty) war schon verdammt cool inszeniert. All die Gadgets, die in wilder Folge hin und her gespielt worden sind – fantastisch. Und doch wirkte es flüssig und vom Timing her authentisch, was in derart hektischen Situationen nicht einfach zu gestalten ist. Am interessantesten fand ich Evil Mortys Technologie, mit der er Gehirn-Aktivitäten scannen und so zukünftige Aktionen voraussagen kann. Auf den letztlich folgenden Morty-Austausch-Trick mit der Augenklappe hatte ich nur gewartet. Im ersten Moment denkt man jedoch, dass Rick Prime darauf eigentlich nicht hineinfallen können sollte, aber in gewisser Weise unterstreicht dieser Moment, dass sein (originaler) Enkel dann doch ein gewisser Blind Spot für ihn ist.
„We could be like Batman and Robin!“ – „Eh. I don’t need a Robin.“ (Rick Prime & Evil Morty)
Letztlich ist Evil Morty der, der Rick Prime gefangen nehmen und all dessen Backups auslöschen kann. Sein Interesse gilt jedoch lediglich der Maschinerie, die er zunächst untauglich macht. Nett ist hier der Moment, in dem Morty den „Cool guys don’t look at explosions“-Moment von Evil Morty nicht versteht und plump etwas wie „das sieht so schön aus und du siehst es nicht“ sagt. Letztlich erhalten wir aber auch eine gewisse Erklärung für den Status von Evil Morty. Er möchte einfach nur in Ruhe gelassen werden. Selbst alle Ricks umzubringen widerstrebt ihm mittlerweile, da er keine Lust auf eine Armada rachesüchtiger Summers hat. Für uns von Interesse dürfte noch der vielsagende Satz sein, dass unser Rick anders sei und er sich offenhält, nochmal in der Zukunft auf ihn zurück zu kommen. Das dürfte also mitnichten das letzte Mal gewesen sein, dass wir Evil Morty zu sehen bekommen haben. Seine augenscheinliche Überlegenheit den Ricks gegenüber dürfte eher dazu führen, dass er der Hauptgegner Ricks wird.
Rick erhält dann den Moment, auf den er so lange gewartet und hingearbeitet hat („gonna kill my nemeeesssissss!“). Seine persönliche Rache an Rick Prime fällt enorm blutig aus, stellt aber auch in der heutigen realen Zeit ein wichtiges Exempel dar. Selbst wenn man wutentbrannt meint, Rache ausüben zu müssen, bringt diese nur weiteres Leid in die Welt. Man selbst fühlt sich danach nicht besser, sondern eher noch schlechter. Und so sehen wir einen leer wirkenden Rick zum Schluss der Folge. Statt Erleichterung scheint ein gigantisches Loch in ihm zu sein. Auf Rick Prime konnte er vieles projizieren, zudem hat die Jagd sein Leben erfüllt – jetzt ist all das weg und er muss sich mit sich und seinen Gefühlen auseinandersetzen. Ein bisschen dürfte es aber auch vielen von uns Zuschauenden gehen. Jetzt, wo dieser übergreifende Plot überraschend plötzlich zum Abschluss gekommen ist, setzt auch bei uns ein gewisses Gefühl der Leere ein. Was soll denn jetzt noch kommen? Natürlich ist das eine dumme Frage, immerhin hat die Serie es auch zuvor geschafft, mit für sich stehenden Einzelfolgen zu überzeugen. Dennoch fehlt irgendwas, das über allem schwebt. Aber mit Sicherheit wird man sich etwas Neues einfallen lassen können.
Das Ende setzt dann moralisch nochmals einen drauf. Wird uns zunächst suggeriert, dass die Frau des ausgelöschten Uncle Slow auf einen Rachefeldzug geht, werden wir kurze Zeit später eines Besseren belehrt. Sie trifft auf einen Witwer, der ihr Schicksal zu teilen scheint (noch so ein Herauszoomen aus dem vermeintlich Speziellen!) und verliebt sich erneut. Statt Leid und Trauer zu ertragen aber vor allem auch zu verteilen, wählen die beiden Liebe und Glück, das ihr Leben mit ihren Kindern verbessert. So sitzen die beiden zufrieden im Sessel statt wie Rick verdrossen am Familientisch.
„Evil-Morty-Folge, also gibt es automatisch fünf Kronen?“ – naja, nicht ganz. Kurz habe ich auch überlegt, lediglich auf viereinhalb Folgen zu gehen, weil diese Folge auch in gewisser Weise eine lange auf Spannung aufgeblasene Platze überraschend plötzlich hat platzen lassen. Aber gerade diese Verbindung im „Das war’s?!“-Gefühl, die Rick und uns jetzt eint, hat auch was für sich. Und rein objektiv betrachtet war neben dieser essenziellen Fortführung der übergeordneten Handlung halt auch richtig viel Gutes in der Folge zu sehen.
Einige Sequenzen waren fantastisch gezeichnet und steckten voller Details. An Screenshots wichtiger Momente mangelte es mir bei der Erstellung dieses Beitrages ebenso wenig wie an treffenden Dialogen. Da war viel smarter Witz und clevere Erzählung drin. Allgemein hat die Folge schlicht epische Unterhaltung geboten, also muss es hier die raren fünf Kronen geben. Trotzdem muss ich sagen, dass mich z.B. die Folge „The Ricklantis Mixup“ (S03E07) zumindest rückblickend mehr hat flashen können. Selbst der Fünf-Kronen-Bereich ist vielfältig.
Auffällig fand ich an einigen Stellen dieser Folge, dass die Stimmen von Rick und Morty anders als früher waren. Das hat mich jetzt nicht groß gestört, aber bei anderen Folgen dieser Staffel hatte ich weniger oder keine dieser Momente.
Und jetzt stellt sich tatsächlich die Frage, wie es weiter gehen wird. Nächste Woche mit der nächsten Folge, klar, aber in wie fern bekommen wir einen veränderten Rick zu sehen? Und bei mindestens noch dreieinhalb weiteren Staffeln stellt sich auch die Frage, was der große übergeordnete Motivator sein wird? Evil Morty hat sich mehr oder weniger friedlich eingereiht. Wird „Rick and Morty“ jetzt zur Serial-Sendung mit mehr oder minder abgeschlossenen Einzelepisoden? Ich glaube nicht. Irgendwas an der Geschichte rund um unseren Rick wird wieder groß gemacht. Alleine schon, weil er versuchen wird, sein inneres Loch zu füllen und zu Größerem zu streben. Wer weiß, vielleicht wird er ja sogar böse…? Oder Evil Morty wird doch irgendwann als großer Widersacher zurückkehren.
Offizielles Video zur Folge
UPDATE [14.11.2023, 09:43 Uhr]: Adult Swim hat ein offizielles „Inside the Episode“-Video zur Folge veröffentlicht, das ich euch gerne abschließend noch an den Beitrag heften möchte.
„Co-creator Dan Harmon, director Jacob Hair, and writers James Siciliano and Albro Lundy delve into the pinnacle of the Rick vs. Rick Prime war and the consequences this presents to Rick and Evil Morty’s character arc.“
Bilder: Adult Swim
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