Das erste deutsche Disney+-Original erzählt eine unglaubliche Geschichte zur Zeit der Wiedervereinigung aus einer neuen und frischen Perspektive. Im Fokus steht der Sachse Sam Meffire, der zum ersten schwarzen Polizisten der DDR wird.
Das unglaubliche Leben des Afrodeutschen Sam schreit geradezu danach szenisch umgesetzt zu werden. Tatsächlich gab es die Idee schon Anfang der 2000er, doch erst jetzt konnte der Stoff als siebenteilige Serie verwirklicht werden. Eigentlich will der sportliche Sam (gespielt von Malick Bauer) Profi-Fußballer werden, doch als er nach einem Spiel von Neo-Nazis angegriffen wird, beschließt er sich bei der Polizei zu bewerben. Seine Freundin Antje (Luise von Finck), die mit Sam in einer Kommune lebt und Proteste gegen die Regierung organisiert, hält davon nur wenig. Klar, dass die Situation für reichlich Konflikte sorgt. Sam sieht aber bei der Polizei eine Chance endlich von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Viel wird aus diesen gegensätzlichen Ansichten allerdings nicht gemacht. Antje und Sams Kind geraten schnell in den Hintergrund und tauchen im weiteren Verlauf nur noch sporadisch auf.
Im November 1989 kommt es zum Mauerfall und Sam ist im Einsatz mittendrin. Der Wechsel zwischen physisch anspruchsvollen Szenen und emotionalen Momenten spielt Malick Bauer mit Bravour. Dies wird unter anderem in jener Szene deutlich, in der er in voller Montur vor Demonstranten steht, aber innerlich zu kollabieren droht. Die Tumulte werden von Originalaufzeichnungen begleitet, die einem ein authentisches Bild der damaligen Stimmung vermitteln. So wechseln sich stylische Bilder in Slow-Motion mit körnigen Archivaufnahmen ab. Die immer wieder mal eingestreuten Fernsehbilder sind aber auch die einzigen Elemente, die die Zuschauer:innen daran erinnern, dass sich die Geschichte vor rund 30 Jahren zugetragen hat. Beim Rest hat man sich für einen modernen Look entschieden, der an aktuelle Streaming-Hits erinnert. Dazu wird eigens für die Serie produzierte Musik von aktuellen Größen der deutschsprachigen Rap- und Soulwelt eingestreut. Gleiches gilt für die gesprochene Sprache. Die Dialoge klingen zwar nicht aufgesetzt oder hölzern, aber dafür werden Modebegriffe wie „Safe Space“ oder ähnliches fallen gelassen. Das mag alles gut klingen, holt einen aber immer wieder aus dem historischen Setting heraus und wirkt gelegentlich etwas zu belehrend.
Nach dem Mauerfall zieht das Tempo nochmals an. Sam wird zum Werbegesicht der Polizei und wird dafür als stereotypisierte Figur inszeniert. Als er auf andere Afrodeutsche trifft lernt er ein neues Gefühl von Gemeinschaft kennen und beschließt, sich mit seinen neuen Freunden selbstständig zu machen und einen Security-Dienst ins Leben zu rufen. Aus Geldnot geraten er und seine Freunde (darunter Serienschöpfer Tyron Ricketts) schnell in die Illegalität und so entschließt er sich mit seiner neuen Freundin Yvonne (Svenja Jung) in Afrika abzutauchen. Im Kongo bleibt er nicht lange unbemerkt und so beginnt ein rasantes Leben auf der Flucht. Zurück in seiner Heimat Deutschland erkennt er schließlich, wer er wirklich ist. Mit „Sam – Ein Sachse“ ist den Macher:innen nicht nur die Nacherzählung einer unbeschreiblichen Geschichte gelungen, sondern vor allem auch diese aus einer neuen gesellschaftlichen Betrachtungsweise zu zeigen. Nicht nur dass die Menschen vor der Kamera divers sind, auch der Writers Room besteht aus Schwarzen, Weißen, Frauen, Männern, Ost- und Westdeutschen. Besonders gut gelingt der Serie meiner Meinung nach die Darstellung der Identitätsproblematik, mit der neben Sam auch viele andere Menschen in Deutschland mit internationaler Geschichte zu kämpfen haben. Bleibt zu hoffen, dass die Mini-Serie erfolgreich wird und so weitere bislang unerzählte Geschichten in Zukunft realisiert werden können.
Fazit
Spannende Erzählung eines bewegten Lebens mit einem glaubwürdigen Cast. Einzig die moderne Umsetzung mag nicht so ganz zum historischen Setting passen.
Bilder: Disney
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