Sollte irgendwer von euch den Fehler gemacht haben, „Scott Pilgrim hebt ab“ auf die lange Bank zu legen, weil es vermeintlich das Gleiche wie beim Film „Scott Pilgrim vs. The World“, nur in animiert ist – tut das nicht! Zum einen ist die Staffel mit unter vier Stunden Laufzeit wunderbar wegzuschauen, zum anderen lohnt sich die Serie schon alleine wegen viele anderer Dinge, aber vor allem weicht sie dann doch gehörig von der Vorlage ab.
Als der Trailer und erste Vorabszenen zur animierten Netflix-Serie rauskamen (und teilweise 1:1 mit dem 2010er Verfilmung verglichen werden konnten), empfand ich zwar Vorfreude, aber so richtig hoch auf die Watchlist hatte ich die Produktion nicht gesetzt. Man hatte oftmals von offizieller Seite betont, äußerst nah an der gezeichneten Vorlage dran sein zu wollen. Das alles schien eine bedachte Strategie gewesen zu sein, um einen absoluten Überraschungsmoment zu kreieren. Denn den Kampf gegen den ersten bösen Exfreund, Matthew Patell, verliert Scott Pilgrim zum Erstaunen aller. Was zunächst wie eine lustige kleine Abweichung wirkt, die vermutlich in wenigen Sekunden bis Minuten rückgängig gemacht wird, entpuppt sich als gewaltige Weggabelung in eine komplett andere Geschichte.
„Whatever.“ (Lucas
EelLee)
Mir imponiert neben diesem mutigen Weg vor allem auch, wie man mit der Film-Variante umgeht. Diese wird einfach direkt selbst gefilmt! Das bietet vielseitige Möglichkeiten, um die eigene Vergangenheit zu persiflieren, begonnen damit, dass Realfilm-Regisseur Edgar Wright in der Serie als durchsetzungsschwacher Edgar Wrong zu sehen ist. Weniger hat mir in dieser Umsetzung jedoch gefallen, wer da wen spielt und plötzlich alles an einem Ort ist. Das ist in der Vorlage teils bereits sehr unrealistisch, dieser utopisch kleine Kosmos, in dem alle mit allen irgendwie zu tun haben, wird in „Scott Pilgrim hebt ab“ aber nochmal mehr ad absurdum geführt.
Auch hinten raus ist mir die Handlung dann zu überdreht. Damit meine ich nicht einmal die Auflösung mit der Zeitreise, aber die Umsetzung wirkte auf mich nicht konsequent genug. Dafür gab es viele kleine kreative Einfälle und Details zu entdecken. Beispielsweise mochte ich, wie mit der jede Folge zu Beginn erfolgenden neuen Haarfärbung ein wortwörtlicher Ton für die Episode gesetzt wird.
Und natürlich brilliert der mittlerweile extrem namhafte Voice Cast aus Film- und Fernsehstars. Das ist schon schön, die vielen Stimmen aus dem Kinofilm erneut zu hören zu bekommen. Zumal es sich dann doch zum Großteil auch um neue Dialogzeilen gehandelt hat. Außerdem gibt es so einige Gaststars zu hören – vor allem habe ich mich sehr darüber gefreut, dass Edgar Wright seine Cornetto-Trilogie-Kollegen Simon Pegg und Nick Frost zum Mitmachen hat animieren können! Leider kam diese gewisse Awkwardness in den Dialogen nicht ganz so gut rüber wie im Film, der mir insgesamt dann doch etwas besser gefallen hat als die Serien-Adaption.
Insgesamt hatte ich viel Spaß mit „Scott Pilgrim hebt ab“. Die inhaltliche Abweichung kam überraschend, wurde aber zumindest grundlegend ganz gut umgesetzt, zumal mir der Dreh zu mehr Zentrierung auf Ramona Flowers gefallen hat. So wurde gewisser Weise der Spieß umgedreht. Allerdings dreht alles zum Ende hin etwas zu frei und es fehlt auch ein bisschen die Struktur, die das Original mit dem schematischen Kampf gegen die X’s mit sich bringt. Es fühlt sich insgesamt auch erschreckend kurz und inhaltsleer an, wenn man mal die komplette Handlung der Staffel Revue passieren lässt. Aber kurzweilig war es definitiv und ich hätte nichts dagegen, mehr von diesen so wunderbar charmant beknackt-normalen Figuren zu sehen zu bekommen. Tatsächlich scheint man auf Produktionsseite aktuell aber überhaupt keine Ambitionen in diese Richtung zu hegen. Eine zweite Staffel schließt man aber auch nicht kategorisch aus.
Bilder: Netflix
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