Mit “Secret Invasion” beschert uns Marvel endlich wieder eine Serie mit einer seiner Hauptfiguren. Nach diversen Neueinführungen wie „Moon Knight“ und „Ms. Marvel“ widmet sich das Spionage Drama dem Mastermind der Avengers Nick Fury. Während die ersten beiden Folgen noch etwas schleppend anliefen, nimmt die Serie nun etwas an Fahrt auf, bleibt aber dennoch hinter ihren Möglichkeiten zurück. Wie Fury scheinen auch die Fans etwas müde zu sein. Zusammen mit „She-Hulk: Die Anwältin“ verzeichnet „Secret Invasion“ derzeit wohl die niedrigsten Einschaltquoten unter den MCU-Serien. Dabei ist der Thriller durchaus raffiniert, lässt aber die große Bedrohung wie einen lauen Schauer statt eines Hurrikans vorüberziehen. Nichts scheint wirklich auf dem Spiel zu stehen, und doch wird betont, dass die ganze Welt in Gefahr ist. Der Skrull Gravik (Kingsley Ben-Adir) bastelt an einem Serum, das ihn und seine Gefolgsleute in Super-Skrulls verwandeln soll. Der Bösewicht mit der nachvollziehbaren Motivation entpuppt sich jedoch schnell als Egoist, der lediglich seine eigene Machtposition ausbauen will und dafür auch bereit ist, sein eigenes Volk auszulöschen. Dadurch verliert er leider an Sympathiepunkten. Und genau das zeichnete die Marvel-Schurken bisher aus – sie waren selten ausschließlich böse, sondern hatten immer einen Grund für ihr Handeln. Ob nun Kult-Führer Arthur Harrow aus „Moon Knight“ oder der Oberschurke Thanos.
„Ich lade euch alle ein der Auslöschung der Menschheit beizuwohnen.“ – Gravik
Auch Talos‘ Tochter G’iah (Emilia Clarke) fällt Gravik zum Opfer, was anfänglich ein kleiner Schock ist, sich aber schnell in Wohlgefallen auflöst. Nebenbei wird am Telefon auch enthüllt, dass Rhodey (Don Cheadle) ein Skrull ist. Später noch einmal in einer Szene im Badezimmer. Aber irgendwie kann das kaum noch überwältigen. Wenn alles möglich ist, dann ist auch alles irgendwie egal. Wie lange er schon durch einen Skrull ersetzt wurde, bleibt bis zum Schluss unklar.
Die Entwicklung von Nick ist schon besser. Endlich bekommen wir einen Blick hinter die Fassade des ehemaligen S.H.I.E.L.D.-Direktors. Wie er aufgewachsen ist, mit welchen Hindernissen er zu kämpfen hatte und welche Rolle die Skrulls schon zu Beginn seiner Karriere spielten. Dass seine Frau Prescilla (Charlayne Woodard) ebenfalls eine Außerirdische ist, überrascht da kaum noch. Was wohl auch daran liegt, dass sie die ganze Staffel über etwas planlos wirkt. Wie es sich für einen guten Anführer gehört, hat Fury einen Notfallplan. Während der großen Schlacht gegen Thanos hat er DNA-Proben aller Superheld:innen gesammelt, um die ultimative Waffe namens Ernte zu erschaffen. Diese kommt dann im Finale auch tatsächlich zum Einsatz. Auch Olivia Coleman sieht man die Freude an, mit der sie die britische Spionin Sonya Falsworth spielt. In einer Welt, in der man niemandem trauen kann, passt sie perfekt hinein. Zunächst scheint Fury nicht sonderlich erfreut, sie wiederzusehen, und auch das Publikum mag ihr skeptisch gegenüberstehen, vor allem nachdem es ihre mehr als fragwürdigen, sadistischen Verhörmethoden miterlebt hat. Doch dann entpuppt sie sich als versteckte Anti-Heldin, die buchstäblich in den eigenen Reihen aufräumt und der Fury auch seine Geheimnisse anvertraut.
Trotz toller Stars und einer feinsinnigen Story schöpft die Serie meiner Meinung nach ihr Potenzial nicht vollends aus. Nicht nur, dass man bewusst auf ein größeres Event mit anderen Marvel-Figuren verzichtet, auch inszenatorisch wirkt sie recht konventionell. Die Farben bleiben blass und die Szenen klein. Als der Präsident der Vereinigten Staaten nach einem Terrorangriff der Skrulls verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wird, wirkt der Drehort wie eine verlassene Klinik. Das Personal ist auf ein Minimum reduziert. So kommt zumindest bei mir kein Marvel-Bombast auf. Zumindest das Ende weiß zu gefallen, wenn G’iah als Fury getarnt gegen Gravik antritt. Durch die Einnahme der Ernte mutiert Gravik endlich zum Super-Skrull, aber auch G’iah hat sich das Serum einverleibt und ist so in der Lage, unzählige Fähigkeiten von unterschiedlichen Held:innen abzurufen. So sehen wir die Kraft von Drax ebenso wie die mentalen Fähigkeiten von Mantis. Nachdem Gravik getötet wird, werden die Menschen, die als Gedächtnisdatenbanken am Leben gehalten wurden, befreit. Erschreckenderweise wird in einem Gespräch zwischen Rhodey und dem Präsidenten erwähnt, dass die russische Armee an die ukrainische Grenze vorrückt. Einmal mehr beweist Marvel damit, dass die Geschichten trotz fantastischer Elemente immer in der Welt vor unserer Haustür angesiedelt sind. Nach der Genesung des Präsidenten ruft dieser zum Krieg gegen die Skrulls auf, was dazu führt, dass die Menschen die Aliens wie Freiwild behandeln. Deshalb reist Fury am Ende mit seiner Frau ins Weltall, um mit den Kree an den Verhandlungstisch zu treten und eine neue Heimat für sie zu finden. Denn leider hat Fury (beziehungsweise G’iah in der Gestalt von Fury) nicht unrecht, wenn er sagt, dass es einfacher ist, acht Milliarden Menschen zu retten, als ihre Meinungen zu ändern. Im November kehrt Nick Fury an der Seite von Carol Danvers, Kamala Khan und Monica Rambeau in dem Film „The Marvels“ zurück.
Fazit
Ein leises Marvel-Spektakel, das sein Potenzial nicht ganz ausschöpft. Die Wendungen sind nicht immer überzeugend und die Auswirkungen auf das große Ganze des Marvel-Universums scheinen auszubleiben. Dafür punktet die Serie mit politischer Brisanz und gutem Storytelling.
Bilder: Disney
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