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Die perfekte Work-Life-Balance?

Review: Severance – Staffel 1

8. April 2022, 15:23 Uhr
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Wow… Ich habe gerade das Finale der ersten Staffel „Serverance“ gesehen und habe noch immer Gänsehaut (entschuldigt daher bitte Vertipper im möglichst schnell heruntergeschriebenen Text…). Das soll schon einmal direkt zum Einstieg belegen, dass es sich bei „Severance“ um einen absoluten Serientipp und definitiv ein Highlight des Serienjahres 2022 handelt! Ich bin sehr happy darüber, dass mich mein Gefühl beim Aufkommen der ersten Infos zur Serie nicht getrübt hat. In diesem Spoiler-armen Review möchte ich euch sagen, weshalb ihr die Apple-Serie unbedingt schauen solltet. Weiter unten habe ich Details zur Handlung entsprechend verborgen, so dass ihr sie nur auf Wunsch zu sehen bekommt.

„Black Mirror“ lässt grüßen

In meinem ausführlichen Review zur Pilotfolge hatte ich bereits einige Aspekte angesprochen, die auch für die ganze Staffel gelten. Die Ausgangslage von „Severance“ liest sich wie die Zusammenfassung einer Folge „Black Mirror“: Angestellte des Unternehmens Lumon haben sich dem sogenannten Severance-Verfahren unterziehen lassen, so dass ihr Arbeits- und Privatleben gedanklich getrennt voneinander existieren. Das bedeutet, dass das Arbeits-Ich sich nicht an private Dinge erinnern und somit von all den tollen Freizeit-Sachen ablenken lassen kann, wohingegen das Privat-Ich sich nicht mit lästigen Arbeits-Dingen beschäftigen muss. Während der Fahrstuhlfahrt zu Arbeitsbeginn respektive Feierabend wird der gedankliche Schalter mittels eines Chips im Kopf umgeklappt. Ist das etwa die ultimative Lösung für die perfekte Work-Life-Balance nach der wir alle streben?! Naja, nicht ganz. Wie so oft steckt hinter der auf dem Papier verheißungsvoll klingenden Idee ein großer Haufen komplizierter Konsequenzen.

„I guess this is the part where I tell you to go to hell, but you are already here.“ (Helly)

So schön bizarr!

Die meisten Pressebilder zu „Severance“ zeigen das Büro-Setting, dabei könnt ihr Gedanken an „The Office“, „Stromberg“ oder „Parks and Recreation“ sofort ad acta legen trotz des Mitwirkens des großartig agierenden Adam Scott. Der spielt Mark S., einen Anzug tragenden Büro-Angestellten, der… nun ja, so richtig weiß er auch nicht, was er da macht, aber sagen wir mal so: was mit Zahlen. Surrealität, Retro-Charme und Minimalismus prägen den Arbeitsalltag unserer „Innies“ – so nennen sich die Arbeits-Ichs der Severance-Personen, „Outies“ werden die privaten Freizeit-Ichs genannt, die über das Severance-Verfahren bestimmt haben. Gedanklich ist man getrennt, so dass nicht nur wir Zuschauer:innen interessiert daran sind, wie das Leben der anderen Variante wohl aussehen mag. Als Belohnung für besonders gute Arbeit bekommen die Innies manchmal kleine, abstrakt formulierte Informationsfetzen über ihre Outies vorgelesen.

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Ähnlich ergeht es auch hier uns Zuschauenden. Vor allem in der ersten Folge werden lauter Fragen aufgeworfen, aber auch wenn danach mit der Zeit einzelne zumindest ansatzweise beantwortet werden, kommen immer neue auf. Fragezeichen und Ansatzpunkte, sich seine eigenen Theorien zu spinnen. Neugierde ist allgemein ein treibender Faktor in „Severance“, das nicht einfach nur passives Popcorn-Fernsehen ist, sondern einem viel mehr gibt, so man sich darauf einlässt. Und dann ergeben sich immer mehr Ebenen, zweifelt man plötzlich alles an und weiß nicht mehr, was man glauben kann und was nicht nicht.

Vor allem ist „Severance“ aber auch visuell richtig schön gestaltet. Die Mixtur aus topmoderner Technologie und Retro-Einrichtung im Büro wirkt surreal, was nur noch durch das im sterilen Weiß gehaltenen Labyrinth der Flure übertroffen wird. Dabei werden die absurden Prozesse und Strukturen der Firma Lumon wahrhaft zelebriert. Inhaltlich lässt sich da auch ganz viel Kritik am Firmen-Fanatismus moderner Arbeitskulturen ableiten. Aber auch fernab der Bedeutung sind die Cinematography sowie der Detailgrad und die Durchdachtheit der Ausgestaltung auf sehr hohem Niveau.

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Das beginnt bereits beim wunderschön animierten Intro, das nicht nur aus CGI-Sicht hervorragend ist, sondern auch inhaltlich so viele Aspekte der Serie perfekt aufgreift und zu visualisieren weiß. Aber auch die auf Symmetrie achtende Bildauswahl, die bedachten Kamerafahrten und vor allem der Einsatz von Dynamiken weiß zu überzeugen. Das legt sich dann auch im Wechselspiel zwischen der Innie-Arbeitswelt und der Outie-Privatwelt dar und bietet Raum für wechselnde Tempi im Verlauf der anziehenden Story.

Die Moral von der spannenden Geschichte

Durch die Klavierklänge der Titelmelodie kamen mir beim Intro bereits erste gedankliche Ansätze zu „Westworld“ auf, aber auch inhaltlich gibt es die ein oder andere Parallele zwischen den beiden Serien. Auch „Serverance“ schafft es, moralische Fragen aufzuwerfen. In wie fern darf man einen Innie „erschaffen“ und ihn in ein Büro „einsperren“, das er nie verlassen kann? Was macht es mit einem emotional, wenn man Stunden seines Tages verliert? Was sind die Gründe, weshalb man ein Severance-Verfahren überhaupt auf sich nehmen sollte? Die Serie schafft es zudem auch aufgrund der getrennten Personen-Strukturen erzählerische Optionen abseits der realen Logik zu generieren. Im Verlauf der Staffel ergeben sich viele neue Aspekte, die Raum für Spekulationen und komplexes Storytelling ermöglichen (beispielsweise die verschiedenen Chip-Modi abseits des „Overtime“-Programmes, die auf diverse mentale Manipulations-Möglichkeiten hinweisen). Und letztlich ist man dann vielleicht sogar ein ganz klein bisschen früh über den eigenen Beruf, den man ausübt, bzw. vor allem, dass man sich ganztägig an alles erinnern kann, was man so tut und denkt und weiß.

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Und dann wäre da noch die Spannung. So langsam aber sicher legt sich die Gänsehaut bei mir, aber noch immer rattert der Kopf. Da der Haupt-Cast recht überschaubar ist, bauen wir schnell eine Verbindung zu Figuren auf. Das intensiviert sich und spätestens nach der Finalfolge bangt man mit und möchte einigen nur das Allerbeste und anderen eher das Gegenteil wünschen. Das liegt auch am starken Schauspiel des kompletten Casts. Neben Adam Scott möchte ich dabei vor allem Britt Lower hervorheben, die fantastische Dinge mit der Figur Helly R. anstellt. Zach Cherry schafft als Dylan auflockernde Elemente und ist vermutlich noch der Normalste im Haufen lauter zumindest mal seltsam anmutender Charaktere, allen voran Tramell Tillman als Milkshake Milchick, Dichen Lachman als Ms. Casey oder auch Christopher Walken als Burt. Ach, eigentlich könnte man sie alle hier aufführen!

„Work’s just work, right?“ (Mark)

Dabei hat „Severance“ aber auch durchaus seine Momente zum Schmunzeln. Die allgemeine Stimmung ist schon eher dem Drama bis Thriller zuzuordnen, aber durch unvorhergesehene Entwicklungen (oder allgemein) verwirrte Personen bieten genauso Auflockerung, wie das beinahe ironisch dargebotene schriftliche Werk von Marks Schwager. Au weia…

Besorgniserregende Muster

Ein paar kleine Schwächen hat die erste Staffel „Severance“ dann aber doch auch aufgezeigt. Vereinzelt haben manche kleinere Handlungen nicht immer Sinn ergeben, was aber meist im Moment vernachlässigbar war. Neben der Tatsache, dass nach der sehr starken ersten Folgen ein minimaler Hänger (auf hohem Niveau) erfolgte, hat mich vor allem eine Sache gestört: Die Innies werden quasi bei sämtlichen Aktivitäten am Bildschirm überwacht, aber ihr ganzes Treiben Richtung Ende der Staffel bleibt komplett unbemerkt? Das macht wenig Sinn. Auch wenn man einiges dabei noch mit der Entlassung von Cobel argumentieren könnte, wirkte Milchick auf mich, als würde er den ganzen Tag über nichts anderes machen. Aber noch ist uns vieles von Lumon verborgen geblieben, statt dem „Truman Show“-schen Einzel-Experiment, das ich erst annahm, scheinen wir es hier mit einer breiter angelegten Geschichte zu tun zu haben.

„I am certain you will remain with me in spirit, in some deep and yet completely unaccessible corner of my mind.“ (Burt)

Die negativen Punkte sind aber wirklich rar gesät und schmälern kaum den großartigen Gesamteindruck, den „Severance“ bei mir hat hinterlassen können. Darauf eine Waffle-Party?

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„Severance“ ist eine Serie wie keine andere. Und das ist nicht nur auf dieses Serienjahr bezogen, sondern auf TV-Unterhaltung allgemein. Endlich bekommen wir mal wieder ein vor Originalität und Kreativität strotzendes Stück Serienkunst präsentiert, das Anhänger:innen vieler Genres zusammenbringen dürfte. Das neue „Westworld“, wenn man so will. Noch hat die Serie leider nicht ganz die Aufmerksamkeit erhalten, die sie zweifelsohne verdient hätte. Also schaut sie euch an!

Ist die Grundidee der Geschichte bereits interessant, weiß „Severance“ sogar darüber hinaus mit smartem Storytelling, gutem Cast und schöner Ästhetik zu überzeugen. Dan Erickson hat ein fantastisches Drehbuch geschaffen, das von Co-Produzent und -Regisseur Ben Stiller hervorragend umgesetzt worden ist. Es gibt ganz minimale Abzüge, die eine perfekte Bewertung von fünf Kronen zunichte machen, aber ich wäre überrascht, wenn im Laufe des Jahres noch eine andere Serienproduktion daher käme, die „Severance“ meinen persönlichen Titel des Neustarts des Jahres 2022 streitig machen könnte. Der Auftakt ist super, das Finale noch besser – absoluter Serientipp!

Ich bin übrigens sehr froh darüber, dass die Serie wöchentlich ausgestrahlt worden ist. So hat sich nicht nur die Wirkung der Produktion richtig entfalten können, so wurden auch Gedankenströme angestoßen und man konnte sich besser mit Leuten über diese großartige Serie austauschen, die parallel zu einem geschaut haben. Da kam beinahe so etwas wie Fernsehfeeling von „damals“ auf… Das waren zwar leider noch erschreckend wenige Leute, aber ich bin mir sicher, dass „Severance“ in Zukunft noch gewaltigen Zuspruch erhalten wird.

2. Staffel von „Severance“?

Aufmerksame Blog-Leser:innen haben bereits mitbekommen, dass eine zweite Staffel von „Severance“ bereits offiziell bestellt worden ist! Das hat Apple bereits kurz vor Ablauf der ersten Staffel bekanntgegeben. Erfreulich dabei ist, dass die Serie von vornherein auf mehrere Staffeln ausgelegt wurde, so dass wir zumindest für nächstes Jahr nochmal durchdachte Serien-Unterhaltung erwarten dürften. Dazu scheint es wohl statt neun dann sogar zehn Folgen zu geben. Ick freu mir!

Inhaltlich ist nach dem Cliffhanger-Ende der ersten Staffel eh klar, dass es weiter gehen muss. Am besten sofort! Was passiert bloß mit den Ziegen?! Wir dürften wohl alle viele Fragen haben, aber so eine Zeit zwischen den Staffeln bietet ja auch Gelegenheit, die eigenen Gedanken zu ordnen und wilde Theorien zu spinnen. Nächstes Jahr können wir dann schauen, wie vieles davon falsch gewesen ist…

Bilder: Apple TV+

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Beitrag von:
Freitag, 8. April 2022, 15:23 Uhr
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6 Kommentare

  • Mario

    Ich gebe zu, am Anfang wollte ich noch aussteigen und dann ging es von Folge zu Folge … Gänsehaut trifft es. ;-)

    • Ging mir genauso. Ich fand’s am Anfang eher mühsam, dabei zu bleiben, gerade so in den ersten 3, 4 Folgen. Die restlichen Folgen belohnen dann aber fürs Durchhalten. ;-)

      • Doreen

        Mir ging es wie Maik, ich war von Anfang an geflasht wie grandios diese Serie ist. Meinem Freund hat sie nicht gefallen. So habe ich eben allein weitergeschaut und wurde nicht enttäuscht. Noch fast ein Geheimtipp, aber bei der Fülle an Serien passiert das wahrscheinlich sehr schnell. Das Finale war wirklich sehr gut und natürlich kann ich es kaum erwarten, wie es weitergeht. Danke für die cool geschriebene Reviews, war nach der letzten Folge echt ein schöner Abschluss.

  • Jonas
    Jonas

    Ich hätte gerne einen „Innie“, dann könnte ich Severance nochmal schauen :-)

  • Foster

    Ich bin kurz vor dem Finale und mir geht es ähnlich: Zu Beginn etwas zäh, dann schlug aber die Sucht zu und ich schaue gerade alles in einem Rutsch.
    Meine Highlights sind diese ganzen bizarren Büroszenen. Mr. Milks…Milchick ist einfach der Hammer :)

    Und dies nach einem Arbeitstag im HomeOffice, in dem ich viele Zahlen in Tabellen aufbereitet habe… danach fragt man sich schon, ob man seine eigene Gefängnistür überhaupt noch bemerkt.

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