„Miss me?“ Klar haben wir ihn vermisst – also, Sherlock, meine ich. Nicht etwa seinen Gegenspieler Moriarty, obwohl der immerhin dafür gesorgt hat, dass unser Meisterdetektiv gar nicht erst ins Exil musste, sondern in London verbleiben durfte. So endete die 3. Staffel, und es ist schon ein Weilchen her, dass wir zu Gast im London von Sherlock & Co. waren. Letztes Jahr gab’s ja nur die Special-Folge, jetzt steht uns der neue Dreierpack bevor.
Handlungstechnisch geht’s mit Sherlocks schneller Rückkehr weiter. Es gibt nochmal ein paar alte Szenen, ehe wir in einem dunklen Raum landen, in dem Sherlocks Bruder Mycroft seine neue Version von Magnussens Tod präsentiert. Jetzt ist nicht mehr Sherlock der Todesschütze, sondern wir sehen in einem gefälschten Video, dass Magnussen von einer anderen Kugel getroffen wurde. Damit ist Sherlock quasi rehabilitiert und kann wieder seiner Arbeit nachgehen.
Mycrofts Arbeit interessiert Sherlock aber im Prinzip genauso wenig wie die ausschweifenden Ausführungen seines Bruders. Er ist ständig mit seinem Smartphone beschäftigt, hat nur knappe gesprochene Kommentare für seinen Bruder übrig und verabschiedet sich schließlich mit einem Cheers in Richtung Baker Street.
Hier ist unser altes Team endlich wieder vereint, Sherlock hat aber weiter nur Augen für sein Smartphone, was schon recht witzig daherkommt – speziell wenn er selbst bei der Fahrt mit John und der hochschwangeren Mary ins Krankenhaus weitertippt und auch später bei der Taufe nicht davon abzuhalten ist. Großartiger Moment, wenn er hinter seinem Rücken weiter textet und offensichtlich eine falsche Eingabe hinlegt.
Was ist eigentlich mit Moriarty? Der ist weiterhin tot, sagt Sherlock, und das mysteriöse Video, was erst zu seiner Rückkehr führen konnte, sei eine alte Aufnahme, die Moriarty für den Fall seines Ablebens vorbereitet hatte. Damit hat für Sherlock allerdings ein neues Spiel begonnen, und das führt zum Titel der Folge „The Six Thatchers“. Bei einem Vermisstenfall erregt ein ziemlich schräger Altar für Margaret Thatcher seine Aufmerksamkeit. Den eigentlichen Fall löst er blitzschnell und wieder mit einem gehörigen Schuss Humor: Wie der Vermisste ums Leben gekommen ist, ist schon ein sehr – sagen wir mal – besonderer Einfall. Auch viele kleine weitere Fälle löst er in altbekannter Manier, so dass man sagen kann: Ja! Sherlock ist wieder da!
Aber da sind ja noch die Thatchers: Sechs Büsten, die nacheinander zerstört oder gestohlen werden. Hier fallen mal wieder die klasse grafischen Überblendungen auf, die für surreale Momente sorgen – zum Beispiel, wenn Sherlock zur Hälfte sein Gesicht und zur anderen Hälfte das von Thatcher trägt. „It’s my gameface“, sagt er nur dazu – sehr schön.
Bei einer weiteren Büste stellt er den Einbrecher und es kommt zu einem gut gemachten Kampf im Swimming Pool. In dem Moment erfährt Sherlock ein wichtiges Detail, das quasi für eine Wende in der Folge sorgt: Die Büstengeschichte ist keine weitere Idee von Moriarty, sondern weist auf Mary hin. Als er sie damit konfrontiert, betäubt sie ihn und flüchtet. Hier schließt sich eine nächste witzige Szene an, als wir minutenlang Mary verfolgen können, wie sie durch diverse Länder reist, verschiedene Aussehen und Identitäten annimmt und letztlich in Marokko landet – wo natürlich Sherlock schon auf sie wartet. Er versucht das erst durch seinen enormen Spürsinn zu erklären, verweist dann aber darauf, dass er lediglich durch den USB-Stick darauf gekommen ist, die Marys Geschichte beinhaltet – Zuschauer der letzten Staffel erinnern sich.
Jetzt ist der Stick auch so eine Art Schwachpunkt der Folge, denn es ist kaum vorstellbar, dass die Spezialeinheit, zu der Mary gehörte, wirklich jedem Agenten einen solchen Stick mit allen Geheimnissen mitgibt. Damit muss man sich aber nicht lange aufhalten, denn jetzt setzen sich alle Puzzleteile zusammen. Alles endet im Londoner Aquarium, wo die Lösung leicht konstruiert, aber schlüssig daherkommt und in einem Desaster endet. Sherlock hatte Watson versprochen, Mary zu beschützen, doch das Gegenteil ist der Fall: Mary beschützt Sherlock. Das Ende bringt das gesamte freundschaftliche Gefüge von Mary, Sherlock und Watson ins Wanken. Watson zieht sich nach einem dramatischen Zusammenbruch im Aquarium zurück und Sherlock begibt sich in psychiatrische Behandlung.
Da war also viel drin, in der ersten Folge – sehr viel für einen Staffelaftakt, so dass man sich fragt, was da noch nachfolgen mag. Wird Watsons Flirt nochmal Thema (hatte ich noch gar nicht erwähnt, ist aber auch sehr nice eingefädelt)? Raufen sich Watson und Sherlock ein weiteres Mal zusammen? Und was ist mit Moriarty?
Insgesamt ein starker Auftakt der neuen Staffel. Mir hat vor allem gefallen, dass viele alte Elemente wieder auftauchen, aus ganz frühen Folgen: Das mitunter schräge Humorverständnis von Sherlock, aber auch von den Autoren (man denke an die Polizisten, die vor Sherlocks Tür Schlange stehen, oder den Moment, wenn Sherlock Johns Nachwuchs betreut), das intensive Arbeiten mit grafischen Details, die vielen Texteinblendungen von Handys, und auch die teilweise grotesken Momente, die einen staunend oder zumindest überrascht zurücklassen. So kann’s weitergehen, wenn auch etwas mehr Herausforderungen beim Mitlösen der Fälle wünschenswert wären. Guttun wird der Serie bei aller Tragik sicherlich, dass Sherlock und Watson wieder als Team funktionieren müssen, nicht als Trio. Dass war sicher mit ein Grund, warum Mark Gatiss und Steven Moffat Mary wieder aus dem Spiel genommen haben.
PS: Achso, zum Schluss gab’s dann ja auch noch eine Video-Nachricht (schön produziert auf einer DVD mit der Aufschrift ‚Miss me‘) von Mary, die Sherlock nach ihrem Tod erreicht hat und die ihn nochmal daran erinnert, dass es eigentlich seine Mission war, sie zu schützen; denn: Jetzt fordert Mary Sherlock auf, auf John aufzupassen, garniert (nach dem Abspann) mit einem „Go to Hell, Sherlock“.
So, kam jetzt auch endlich dazu. Schöne Folge, wenn auch mit ein paar unnützen Momenten und Längen. Alleine diese dämliche Alibi-Reise ans Ende der Welt, nur für einen Gag und das Hineinspringen in die Kugel am Ende? Naja… ich warte jedenfalls ähnlich sehnsüchtig auf das Nachtod-Comeback Moriartys wie Sherlock selbst…
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