In meinem Review zu Staffel 1 von „Shrinking“ hatte ich bereits geschrieben, dass sich die Staffel ziemlich abgeschlossen angefühlt hat – wäre da nicht der Cliffhanger eines Nebenhandlungsstranges gewesen, den Autor Neil Goldman ganz am Ende eingebaut hatte – eine prima Vorlage für Staffel 2, die Autorin Rachna Fruchbom zum Staffelstart dann auch direkt aufnimmt. Zum Glück bestimmt aber diese Nebenhandlung jetzt nicht die komplette Staffel 2. Der Fall wird vielmehr relativ schnell abgewickelt, so das genug Platz bleibt für die Hauptgeschichten von Therapeut Jimmy Laird, seiner Tochter Alice und deren Freundeskreis. Die gesamte Staffel entwickelt die Story ziemlich solide und führt auch zu einem Ende, das sich gut anfühlt – und auch schon das Serienende von „Shrinking“ sein könnte (wie es in der Folgenbeschreibung zur letzten Folge von Apple auch vermerkt ist). Tatsächlich wurde die Serie aber bereits um eine 3. Staffel verlängert.
Was man im Vergleich zur ersten Staffel feststellen kann, ist, dass sich „Shrinking“ in den neuen Folgen – es gibt in dieser Staffel übrigens zwei mehr als in der Premierenstaffel – viel mehr mit gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt, die jeweils auf die Hauptfiguren projiziert werden. Da geht’s um das Thema Adoption, zugespitzt auf den Kinderwunsch eines gleichgeschlechtlichen Paars, dann das Thema Parkinson, das bei Paul noch stärker in den Fokus rückt als in der 1. Staffel. Seans Vergangenheit als Veteran rückt noch stärker in den Fokus, auch seine schwierige Verbindung zu seinem Vater. Bei Gaby geht’s um die Frage nach der Verantwortung für die eigenen Eltern, bei Liz und Derek schließlich ganz klassisch und Beziehungsfragen eines langjährigen Ehepaars. Und auch Jimmys und Alice‘ Trauma durch den Verlust von Tia rückt noch mehr in den Fokus – weil die Staffel uns jetzt einen tieferen Einblick in die Vergangenheit gewährt, mit Rückblicken, aber auch durch die Einbeziehung von Louis Winston, der seinerzeit für den tödlichen Verkehrsunfall verantwortlich war, bei dem Tia starb (gespielt übrigens von Brett Goldstein, was es für mich extrem schwer macht, mit dem Charakter klar zu kommen, weil ich in ihm natürlich immer Roy Kent aus „Ted Lasso“ sehe).
Gesellschaftliche Themen auf die Figuren projiziert
Die verschiedenen Themen werden von den Charakteren durchaus kontrovers diskutiert, um man merkt beim Zuschauen, wie man sich selbst je nach Thema auf die eine oder andere Seite schlägt. Die Autor:innen lassen das durchaus zu, und man kann sich auch in Ruhe eine solide Meinung bilden, weil die Themen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Man versteht zum Beispiel, warum Sean so ist wie er ist; man versteht zunächst nicht die Handlungen von Seans Vater, erkennt aber dessen Beweggründe, wenn die Figuren ins Gespräch kommen. Man versteht auch, warum sich Alice mit Louis befasst und es ihr tatsächlich hilft, so das Trauma zu bekämpfen. Auf der anderen Seite sieht man auch, wie es Louis hilft, mit den Ereignissen klar zu kommen; gleichzeitig kann man sich auf Jimmys Seite schlagen, wenn er deutlich macht, dass er Louis nicht in seinem Leben haben möchte. Gerade diese Unfallgeschichte, die bisher völlig fremde Menschen miteinander verbunden hat, wird aus meiner Sicht gut inszeniert. Sie zeigt eben auch, was dieser Unfall nicht nur mit der Opferfamilie, sondern auch mit dem Verantwortlichen gemacht hat. Da hat „Shrinking“ ganz starke Momente – völlig abseits von Comedy. Und es wird ganz am Ende etwas vorhersehbar, aber vollkommen in Ordnung aufgelöst – wie gesagt wäre es für mich auch ein definitiv solides Serienende gewesen.
Staffel 2 verknüpft für meinen Geschmack insgesamt die Herausforderungen in den privaten Leben der Therapeuten sehr geschickt mit der Problemwelt der Patient:innen von Jimmy, Paul und Gaby. Immer wieder verwischen die Ebenen zwischen Therapeuten und Therapierten, manchmal dreht sich’s fast schon um. Dabei entwickeln sich besonders starke Momente, wenn Jimmy Paul beispielsweise gesteht, dass er Hilfe benötigt, oder wenn Paul anfängt, Jimmys unkonventionelle Methoden ebenfalls in Betracht zu ziehen.
Das klingt alles sehr schwermütig, ist aber in der Serie tatsächlich meistens sehr locker und unterhaltsam erzählt, mit vielen wirklich witzigen Einfällen und Dialogen. Da spielt das Autor:innen-Team um Bill Lawrence seine ganze Klasse aus und überzeugt mit wirklich gutem Gespür für Witz und einer tollen Balance zwischen Humor und Drama. Nach dem ersten Durchsehen der Staffel hatte ich das Gefühl, dass es die Nebengeschichten wie Gabys Mutter-Tochter-Beziehung oder Brians Adoptions-Thema gar nicht gebraucht hätte, aber tatsächlich gibt das im Gesamtkontext Sinn, wie ich es gerade beschrieben habe. Auch dass die Figuren (wie Brian oder Gaby) teilweise etwas aufgesetzt und/oder nervig wirken, passt zum stimmigen Gesamteindruck – was vor allem die finale Folge hervorragend zusammenführt, wenn sich alle mit ihren Alltagssorgen und -problemchen treffen und zeigen, wie wichtig Freundschaft und Familie sind. Das ist dann nicht nur gut erzählt, sondern auch von Serienschöpfer Bill Lawrence gut inszeniert (er saß beim Staffelfinale selbst auf dem Regiestuhl).
Ich wundere mich nur, dass es tatsächlich noch eine weitere Staffel geben wird, zumal Apple selbst bei Folge 22 ja schon vom Serienfinale gesprochen hat. Und da bin ich mal gespannt, welchen Dreh man da noch hinbekommen möchte. Möglicherweise ist Pauls Schicksal ein Thema, oder man frischt alles durch eine:n neue:n Therapeut:in auf. Bleibt nur zu hoffen, dass die Hauptfiguren irgendwie dabei bleiben. Denn ich liebe ja immer noch Liz‘ Ehemann Derek (ist auch mein Charakter-Favorit im Serienjahr 2024 gewesen), der in dieser Staffel mehr Screentime bekommt und tatsächlich auch mit eigenen Problemen zu kämpfen hat – was man ihm in Staffel 1 so gar nicht hätte zuschreiben können. Toll auch der Einfall, dass Derek einen Freund mit Gaby zusammenbringt, der natürlich auch Derek heißt. Dereks Motto: „Jede hat einen Derek verdient.“ Sehe ich auch so!
Bilder: Apple
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