Und schon ist wieder eine Staffel „Silicon Valley“ vorbei. Erneut hat HBO es dabei verstanden, und eine Abschlussfolge zu liefern, die nicht nur viel Brisanz und die ein oder andere Wendung bieten kann, sondern auch hervorragend auf eine neue Staffel vorbereitet.
„You only make that face when your dick is on fire.“ (Dinesh)
Direkt wird klargestellt, dass der infiltrierte Code Schuld an den explodierenden Smartphones hat. Das führt im sehr kleinen und sehr großen Rahmen zu Konsequenzen. Aufgrund der unmoralischen Vorgehensweise kann sich Jared nicht mehr mit dem Unternehmen identifizieren und kündigt. Dass er dabei seine eigenen Statuten nicht genau erinnert, ist dabei leider genauso unpassend für ihn als Charakter, wie ein späterer Formfehler, der nur einem Verwechslungs-Lacher geschuldet ist. Vielleicht ist er durch die verworrene Situation aber auch schlicht durch den Wind.
Auf Hooli-Seite will Jack Barker mit „China“ diskutieren, wird aber prompt als Geisel genommen. Das war nicht nur durch den dynamischen Schnitt zur Nachrichtensendung gelungen, sondern wirkt natürlich auch als Kritik an die Arbeitsbedingungen fernost und die Produktionsweise der Tech-Industrie nach. Leider wird hier erneut der Fehler begangen, dass Privatjetreisen scheinbar eine Sache von Minuten sind, denn nicht nur Jack sondern auch Gavin befinden sich binnen weniger Stunden an komplett anderen Orten, was der Quervergleich zu den Entwicklungen bei Pied Piper sehr gut klar macht.
Erlich hungert in Tibet und lässt Gavin „Ignoranz“ als Tagesordnung wählen. Die Flucht des großen Namen endet also wie bereits befürchtet binnen weniger Wochen. Da hilft auch das Extrem Tibet und der radikale Haarschnitt nicht, um die Inkonsequenz dieser „Story“ zu verschleiern. Schön war hier lediglich noch der kleine Rückbezug auf die Privatjet-Fehde zwischen Gavin und Jack. Ansonsten viel heiße Luft um wenig Entwicklung – was man aber auch wieder als indirekte CEO-Bullshit-Anspielung sehen könnte.
Nun soll es also Ersatzgeräte hageln, die den PP-Code nicht mehr besitzen. Ein seltsamer Schritt, der zu unkonservativen Kurschluss-Rettungsversuchen führen soll. So soll Serverlandschaft Anton in Verbindung mit Bighead helfen. Gerade Letzterer hat leider kaum mehr eine wirkliche Rolle, außer er ist gerade von Nutzen als Plan D oder E. Da ist noch am unterhaltsamsten, das Jared selbst seinen nahenden Abschied auf allerordentlichste Weise durchtaktet und bereits eine potenzielle Nachfolgerin präsentiert.
„Are you gonna be comfortable with casual racism?“ (Jared)
Allgemein wird der Wert Jareds in dieser Folge enorm herausgestellt. Dagegen dreht Richard außer Kontrolle und will um jeden Preis die Rettung. Doch wie das mit Lügengerüsten so ist, gelangt man nicht mehr wirklich heraus, ohne sich und/oder andere zu schaden. Das dürfte zum einen bei Bighead sein, der die letzte der letzten Chancen verspielt haben dürfte (hier fehlt die Entschuldigung von Richard noch komplett), aber natürlich auch bei ihm selbst. Es setzt den absoluten Tiefpunkt für Richard, als ihn nicht nur die Technik, sondern auch seine Freunde im Stich lassen.
Dass Antons Überreste auf den letzten Metern der Strecke verstreut liegen, ist natürlich Blödsinn, gibt aber ein ganz schönes Bild und somit auch Symbolbild für Richards Inneres ab.
Aber wie das dann so ist im immer schnelldrehenderen Silicon Valley, folgt die „überraschende“ Wendung. Und auch wenn die Tatsache einer Wendung selbst zu erwarten war, hat mich die letztliche Lösung dann doch effektiv getroffen. Das neue Internet auf Smart Fridges?! Nice! Die als Blödsinn erachtete Nebenhandlung wird der unerwartete Retter in der Not. Das sind Dinge, die ich an dieser Sendung einfach liebe, da sie so durchdacht, überraschend und irgendwie auch parodierend drüber sind.
„Gaven. I like your hair.“ – „I like your eye!“ – „Yeah, I got it from a woman. She didn’t hit me, no. The man did. Because sex. That I gave to her.“ (Gavin & Richard)
Am Ende setzt es dann allerlei Rückbezüge und Anspielungen. Ein erneuter Restaurantbesuch zum Abschluss, ein herübergereichtes Angebot und sogar eine Mariachiband. Die wird aber entgegen eines früheren Staffelfinales abgewürgt, denn das ist Richards Moment. Er hat sich nicht nur in die Liga der Oberen gespielt und wird ernst genommen, nein, er hat eingesehen, dass er nicht wie die „bösen“ CEOs werden möchte. Und auch wenn das Ende dem anderen ähnelt, sind die Vorzeichen doch anders und die Aussichten deutlich rosiger. Ist das der Anfang vom Durchbruch? Wir werden sehen.
Das Ende hatte eigentlich einiges zu bieten. Viele Fäden der Staffel wurden noch einmal aufgenommen und größtenteils gefällig eingebunden. Dazu hat sich Richard auffällig als Figur weiterentwickelt, ist forscher und zielstrebiger geworden, was auch von ihm selbst angesprochen wurde. Die IT-Welt hat Dinge von ihm gefordert, die er eingebracht hat, nur drohte er komplett abzudriften. Noch immer glaube ich, dass er in Extremsituationen jedes notwendige Übel versuchen wird, das seine Idee und Technik retten könnte, aber unter der aktuellen Ausgangslage dürfte das zunächst wieder deutlich geregelter und moralischer vonstatten gehen.
Gewurmt hat mich der Erlich-Abschied. High auf dem Dach der Welt – natürlich irgendwie ein Abschlussbild, das zur Figur passt, er wirkt aber doch gerade durch die 5-Jahres-Auszahlung ungebührlich aus der Serie gedrückt. Das finde ich dann doch schade, da ich mir hier den Big Bang in einem finalen Auftritt von ihm als Charakter gewünscht hätte. Aber wer weiß – vielleicht taucht er ja dann in Staffel 10 wieder auf.
Silicon Valley Staffel 4
Hatte ich bei meiner Lobhudelei auf Staffel 3 von der besten Comedy zurzeit gesprochen und davon, dass die Serie bisher von Staffel zu Staffel besser wurde, muss man zumindest das jetzt streichen. Staffel 4 hatte sicherlich seine Stärken, an die vorherige kommt sie aber nicht annähernd heran.
Das liegt vor allem am unerwartet schwachen Mittelteil. Waren Auftakt und Schlussspurt tatsächlich noch auf solide hohem Niveau, drohte die Staffel sich komplett zu verlieren. Mit der zweiten Episode gab es zudem die einzig wirkliche Zungeschnalz-Episode, die wirklich herausstechen konnte. Noch immer bleibe Silicon Valley eine ungemein tolle und auf hohem Niveau unterhaltende Dramedy-Serie, aber neben etlichen Logikschwächen und viel zu schnellem Pacing in Sachen Wendungen (das hatte ja beinahe Suits-Charakter) fehlte dann doch diese eine Schippe oben drauf, die einen in der Staffel zuvor regelmäßig applaudierend vor dem Abspann hat stehen lassen (zumindest gedanklich).
So könnte es weiter gehen
Natürlich freue ich mich dennoch darauf, eine fünfte Staffel zu sehen. Theoretisch wäre jetzt natürlich der große Aufstieg denkbar. Die Basis ist gemacht, die neue Technologie eindrucksvoll testweise ausgerollt und das Geld fließt nur so. Hier wird spannend, wie Richard mit Monica zusammen arbeiten (oder gar kommen?) wird und wie die Jungs mit dem neuerlichen Reichtum und Fame umgehen werden. Natürlich wird die Friede-Freude-Eierkuchen-Phase höchstens zwei Episoden andauern, bis Gavin Belson in erneuter Antagonistenrolle auf dem Plan stehen wird. Neuer, schneller, weiter und weiterhin mit großer Anwalts-Posse. Hoffentlich schaffen die Autoren es, neue Inhalte in den Streit zu bringen und Gavin wieder einigermaßen glaubhaft in die Führungsrolle zu schreiben, nachdem er mir zwischenzeitlich etwas zu krass und unglaubwürdig in die beinahe bemitleidenswert naive Rolle des Scheins getrieben worden war. Und mit großer Sicherheit dürfte Russ Hanneman nach seinem kleinen „Fuck-Auftritt“ sagen wir mal patentrechtliche Bedenken äußern.
Für Dynamik sollte also gesorgt sein. Und wer weiß, vielleicht weiß Jian Yang ja mit einer neuen coolen Technik-Idee zu glänzen. Bis dahin freue ich mich, dass das Experiment Einzelepisodenreviews bei dieser Serie geglückt ist und es stets trotz kurzer Spieldauer von max. 30 Minuten genug zu berichten gab. Nächstes Jahr geht es dann weiter. Wenn ich nicht unvorhergesehen einen Smart Fridge bis dahin haben werde, der das für mich übernimmt…
Bilder: HBO
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