Und schon wieder ein Abschied. Ein großer. Sechs Staffeln und Jahre lang war „Silicon Valley“ für mich stellvertretend für eine moderne und niveauvolle Comedy ohne Schenkelklopfer und dafür mit der gewissen Prise Drama, die zumindest einigermaßen nahbar war. In der Nacht zum heutigen Montag lief in den USA auf HBO jetzt aber die allerletzte Folge der Serie. Grund genug, nicht nur auf diese Folge, sondern auch die Staffel und das Format selbst zurückzublicken.
Für das große Serienfinale hat man immerhin etwas Überlänge raus schlagen können. Mit rund 48 Minuten Laufzeit lag man immerhin auf einem Längen-Niveau mit den gängigen Ein-Stunden-Fenster-Fernsehdramen. Tatsächlich hatte man auch viel abzudecken und nicht nur gekünstelt Zeit geschunden. Und einen Kniff für uns Zuschauer parat: einen Zeitsprung UND einen Perspektivwechsel. Zunächst bekommen wir nämlich einen um zehn Jahre gealterten Richard zu sehen, der aber in Sachen Hilflosig- und Tollpatschigkeit nichts verloren hat. Besonders schön fand ich den (natürlich überzeichneten) Moment, in dem er im Zuge der Mockumentary zu nah ins Mikro redet. Nach all den Jahren der eigentlichen Aufnahme-Erfahrung.
„How does he make it look so difficult?!“ (Gilfoyle)
Diese künstlich eingefügte Darstellungsart bot wunderbar die Möglichkeit, auf natürlich wirkende Art ein paar alte Aufnahmen der Anfänge zu zeigen, sowie bisher geschuldete Erklärungen zu geben (wie Big Head das Haus verzockt hat oder was es mit seinem Spitznamen nun eigentlich wirklich auf sich hat). Und eben zu sehen, wie wohl einige der Figuren altern würden. Allen voran Gilfoyle, der auch bei „The Witcher“ mitspielen könnte! Auch Wegbegleiter haben ihre Bestimmung gefunden, wie bspw. Gavin als Bestseller-Co-Autor oder Laurie als Häftling. Und allerlei Promis haben sich auch die Ehre gegeben. Neben JournalistInnen und ModeratorInnen wie Kara Swisher auch Größen der Tech-Welt, wie der frühere CEO von Twitter, Dick Costolo, oder natürlich allen voran Bill Gates höchstpersönlich! Ich freue mich immer, wenn Serien mit Authentizitäts-Anspruch die Vermischung mit der realen Welt hinbekommen, das wurde hier ganz gut gelöst, wie ich finde.
Aber es gab natürlich auch Handlung. Zurück im „Jetzt“ bekommen wir zunächst zu sehen, wie der AT&T-Deal unter Dach und Fach gebracht wird und eigentlich alles schnurstracks auf ein Happy End hinausläuft. Selbst Jian-Yang scheint der Meinung zu sein. Für ungefähr zwei Minuten. Dann dreht Richard wegen einer vermeintlichen Kleinigkeit durch. Seine Komprimierung hat einen (total witzigen und bewusst eingebauten) Fehler korrigiert. Das wäre an sich ja eine tolle Sache, aber die Umstände suggerieren eher Schlimmes, denn die AI hat die eigentliche Verschlüsselung der Nachrichten-Infrastruktur umgangen. Adieu Privatsphäre?!
„Is this a good thing or a bad thing? Someone tell me how I should feel…“ – „Abject terror for you. Build from there.“ (Jared & Gilfoyle)
Selbst der als State-of-the-Art geltende Sicherheits-Code von Tesla wurde in weniger als drei Stunden von der AI geknackt. Gilfoyle zeichnet ein Endzeit-Szenario, das alle überzeugt: Sie müssen scheitern. So grandios, dass sich niemand an ihre eigentlich geniale Technik herantraut, um so eine Nachbildung des zum Eigenleben erweckten Netzwerkes (Stichwort „Skynet“…) verhindern zu können. „Alle überzeugt“? Schon, aber Dinesh würde gerne aus der Sache herausgehalten werden. Mit viel Freude habe ich diesen surrealen Aspekt der Geschichte genossen. Ein offenkundig falscher Mensch will die anderen vor seiner Falschheit schützen, was zu viel mit umgekehrten Vorzeichen gespielten Situationen geführt hat.
„No, I cannot do it.“ – „Of course you can. Your entire life has prepared you to publicy fail. You‘re just failing to see that right now.“ – „Don‘t insult me. I can fail circles around you losers!“ (Dinesh & Gilfoyle)
Passend dazu hat gefühlt auch Gabe erstmals eine eigentlich richtige Aktion gemacht. Gemeinsam mit John sitzt er als letzte Instanz im Server-Keller und „rettet“ die Situation, indem ein altes Backup aufgespielt wird. Nur doof, dass der Fehler bewusst eingebaut worden war. Die weitere Erzählung fand ich dagegen etwas unglücklich. Zum einen, dass Dinesh da recht problemlos bis oben an einen Terminal gelangt, zum anderen, dass er lediglich Gilfoyle anruft, dann aber mit seiner tollen Textnachricht an alle (oder zumindest aktiv Jared) durchkommt. Auch die sehr klischeehafte Zeit-Kompenente mit den ablaufenden Sekunden und der wirklich kurz vor knappen Rettung war etwas drüber.
„It‘s a feature, not a bug!“ (Gilfoyle)
Sehr schön fand ich dagegen, dass Peter Gregory (und damit auch der 2013 verstorbene Darsteller Christopher Evan Welch) nochmal auf der großen Präsentationsbühne prominent Erwähnung gefunden hat.
Der eigentliche Plan des Scheiterns scheint zunächst jedoch auch zu scheitern. Doch dann kommen – passend zum Firmennamen – die Raten angelaufen. Perfekte Negativ-PR, die natürlich auch absolut überzogen inszeniert war, aber das will ich den Machern mal zugestehen.
Wieder zehn Jahre in der Zukunft bekommen wir den Status Quo der Hauptfiguren zu sehen. Richard ist als Professor bei „Big-hetti“ in „Stamford“ tätig, Dinesh und Gilfoyle können halt doch nicht ohneeinander und haben gemeinsam eine Cyber-Security-Firma gegründet, in der auch John seinen Platz gefunden hat (nice!). Leider mussten unsere Hoffnungen begraben werden, noch einen letzten Auftritt von T.J. Miller als Erlich Bachman zu sehen zu bekommen. Lediglich eine schlechte chinesische Kopie in Form des totgeglaubten aber anscheinend in Reichtum lebenden Jian-Yang wurde uns geboten.
„There was a little meniscus in the shit, and that‘s where… our dreams lived.“ (Jared)
Schön war noch der nostalgische Gang in die alte Hütte, in der alles begann. Inklusive des guten alten !Always Blue!“-Spieles. Hach, was waren das noch für Zeiten…
Etwas irritiert war ich dann vom absoluten Ende. Wir sehen einen verwirrten Richard, was soweit noch normal ist, aber er such eine letzte Kopie seines Codes. Den orangenen USB-Stick. Aber er findet ihn nicht. Was an sich eine gelungene Unterlegung der ablaufenden Credits ist, wirkt für mich wie ein kleiner Spalt, den man dann doch noch offen gelassen hat. Sei es für eine mögliche Fortsetzung oder einfach nur die Fantasie von uns Zuschauern. Denn wer hat den Code? Wird damit etwas Schlimmes passieren? Bill Gates war der Sache ja schon auf der Spur…
Ich mag, dass die Macher sich getraut haben, ihren Figuren kein Happy End zu gönnen. Das passt einfach irgendwie besser zu ihnen und ihrer Problem-vollen Geschichte. So haben sie an sich ihr Ziel erreicht, aber etwas zu Mächtiges geschaffen, vor dem sie die Welt schlussendlich gerettet haben. Heimliche Helden, sozusagen. Das Finale war originell, hat einige Dinge versucht, von denen viele geglückt sind, und auch wenn es jetzt nicht DEN Twist oder DEN Super-Witz gab, fand ich das alles in allem schon sehr gelungen. Vermutlich spricht da aber auch viel Nostalgie und Abschieds-Trauer aus meiner Bewertung mit. Vielleicht wäre auch eine 4 realistischer gewesen. Aber wurscht, ich bin soweit zufrieden mit dem Abschluss.
Der war nämlich allem voran originell und in seiner Art und Weise schon irgendwie überraschend. Nicht nur, weil es nicht DAS Happy End im Großen, sondern „nur“ im Kleinen für jede/n Einzelne/n gab, sondern vor allem in der Machart. Der Kniff mit der Dokumentations-Ansatz hat viele Türen geöffnet, was die Bandbreite der Abschieds-Erzählung anbetrifft. Das fühlte sich dadurch sehr homogen und an einem gewissen roten Faden inszeniert an.
„Silicon Valley“ Staffel 6 Review
So traurig so ein Ende auch immer wieder ist, auch mit Blick auf den Verlauf der sechsten Staffel lässt sich mal wieder feststellen, dass die große Zeit von „Silicon Valley“ schlicht vorbei war. Das Niveau war natürlich noch immer mehr als grundsolide, aber wirkliche Ausschläge nach ganz Oben gab es nur sehr selten, nicht nur auf die Gesamtbewertungen der Einzelfolgen betrachtet.
Es gab sie noch, die tollen Momente, allgemein weiter sehr gut geschriebene Dialoge und die Figuren an sich funktionieren auch noch. Aber die Geschichte lässt einfach keine großen Sprünge mehr zu, vor allem, wenn man einem festen Ziel entgegen geht. So bleibt es eine okaye Staffel mit guten Momenten, die hinten raus aber zumindest einen gelungenen Abschluss der Serie liefern konnte. Mir haben die hinzugefügten kleineren Charaktere durchaus gefallen und allgemein war das Pacing auch durchaus gelungen, an manchen Stellen fühlte man aber, dass man wohl zu viel in die zu wenigen Folgen reinpressen wollte. Unterhaltsam und sehenswert blieb es aber allemal. Und diese kleine Abschiedsrunde hat auch vielen Geschehnissen und Figuren der Vorjahre nochmal den ihnen zustehenden Tribut gezollt, ohne jetzt komplett in klischeehafte 08/15-Rückblick-Orgien zu verfallen.
Bye, bye!
Und so heißt es, „Tschüss“ zu sagen. Wie angedeutet ist es nicht unbedingt schlecht, dass die Serie endet. Vielleicht wäre die ein oder andere Schleife in der Erzählung und somit auch Staffel weniger gar nicht mal schlecht für den Erhalt der vor allem zu Beginn sehr hohen Qualität nicht verkehrt gewesen. Aber man hat es geschafft, nicht komplett über den Zenit zu gehen und sich einer lächerlichen Langzeit-Kaugummi-Ziehung schuldig zu machen. So blieb es inhaltlich durchaus schlüssig erzählt. Die Frische der ersten Staffeln konnte man zwar leider nicht mehr erreichen, aber „Silicon Valley“ bleibt eine verdammt smart geschriebene Serie, die neben vielen authentischen Tech-Inhalten vor allem viel Ironie und nebenbei erzählte Referenzen und Andeutung gebracht hat. Und Figuren, die mir fehlen werden. Allen voran werde ich Gilfoyle aber mal sowas von vermissen!
Von daher: Danke. Danke, „Silicon Valley“, für sechs Jahre und 53 Folgen hochwertige Fernseh-Unterhaltung! Danke, dass du Lachsalven und stumpfem Mainstream-Humor entsagt hast und eine ernstzunehmende Geschichte erzählt hast. Natürlich war da vieles inszeniert und überzeichnet und es wurde auch mal ins Fettnäpfchen gesprungen, aber das passiert halt, wenn man etwas abseits der Norm wagt. Insgesamt warst du eine absolute Bereicherung!
Bilder: HBO
Danke für das nette Review.
Ich fand die Serie vor allem innovativ. In der 4. Staffel bin ich dann raus, weil ich das Gefühl hatte, dass es sich dann doch etwas wiederholt. Das Review hat mir dann aber doch auch so einen runden Abschluss beschert.
Ja, absolut. Das meinte ich auch mit fehlender Frische später. Kann verstehen, dass man da Abstand genommen hat, auch wenn du leider ein paar großartige Momente verpasst hast. Aber die Story-Mechanik hat sich schon sehr geähnelt über die Jahre, stimmt.
Ich fand die Serie Bzw die Charaktere sehr liebenswert. Mal von gilfoyle abgesehen. Der war einfach nur ein Held. Hat mich an mich selbst erinnert. ;-) bin auch Informatiker und konnte mich sehr gut darin erkennen. :-D finde es schade das es vorbei ist im gesamten gesehen. Aber ich bin auch ein junky und hoffe bei jeder Serie die mir gefällt, das sie nie endet… :-/ :-D
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