Wir hatten euch ja bereits mitgeteilt, dass es eine Serien-Adaption aus dem „Snatch“-Universum gibt (Trailer gab es auch bereits hier). Jetzt ist sie endlich da und mit viel Spannung und wenig Erwartungen habe ich, bekennender Fanboy des 2000er Guy Ricthie-Streifens, die erste Episode angeschaut. Und um es vorweg zu nehmen: Sie ist gar nicht mal so scheiße.
Bei uns zeigt Sony Pictures Television Networks die Serie (auch in deutscher Fassung) ab 23. Mai immer dienstags ab 21:50 Uhr in Doppelfolgen auf AXN. Crackle hat gestern Abend bereits sämtliche zehn Episoden der UK-Eigenproduktion bereitgestellt – hier soll es aber zunächst nur um die erste Episode gehen. Wer auf wundervoll vernuschelten Akzent steht, sollte auf jeden Fall den Originalton einschalten. Wobei bisher eine Über-Unverständlichkeit á la Brad Pitt ausgeblieben ist.
Der Pilot
Die erste Überraschung: Rupert Grint ist gar nicht Hauptdarsteller. Also, nicht DER Hauptdarsteller. Er ist Teil des Main Casts, Zentrum der Geschichte ist jedoch Albert, gespielt von Luke Pasqualino.
Alles beginnt mit einem Rückblick, der uns klarmachen soll, dass Safecracker-Dad Vic die ganz große Nummer im Gangster-Business war, jedoch vor 15 Jahren gefasst wurde.
„My old man […] was born just plaun naughty.“ (Albert)
In den ersten Szenen wird bereits klar, wie sehr man visuell dem Original nachahmen möchte: viel Gezoome, Slowmotion-Bits und Still Frames. Wirkt nicht immer rund und teils zu übereifrig genutzt, aber immer noch dynamischer und frischer als vieles anderes. Während der Vater – erinnert optisch etwas an Christian Slaters Rolle in „Mr. Robot“ – auch im Knast hohes Ansehen genießt (was mehr als überdeutlich dargestellt wird, so dass es auch wirklich jeder mitbekommt), wohnt Albert 15 Jahre später auf einem kleinen Boot, will die Familie über Wasser halten und kann die großen Fußstapfen noch nicht wirklich ausfüllen.
„We were seconds away to get the carpet treatment there.“ (Albert)
Statt Bare-Knuckle-Fights gibt es normales Boxen Billy, arrangierte Niederlagen und linke Nummern sind aber weiterhin an der Tagesordnung. Die Inszenierung des Kampfes hat mir durchaus gefallen (vor allem die kleine visuelle „Reise“-Collage bei der Wettanfrage).
„I barely touched him…“ – „Well, touch him less!“ (Billy & Albert)
Charlie funktioniert als Figur bisher ganz gut, auch das Aussehen und Spiel von Grint ist möglichst deutlich vom Harry Potter-Universum entfernt, das passt. Weniger, dass er seine Uhr nicht selbst online vertickt, sondern verramscht, aber Liebe macht halt blind und die Online-Verkaufsgrafik war durchaus schick gemacht. Mit Phoebe Dynevor und Stephanie Leonidas wird auch noch richtig was fürs Auge geboten (auch wenn der Ausschnitt Ersterer gegen Ende der Episode etwas arg gewagt war…).
Mit Castillo könnte es auch einen Gegenspieler geben, der mir gefällt. Auch wenn mir im Grunde genommen alle zu jung und eher wie Teenager vorkommen, die das Spiel der Daddies nachspielen, wirkt er verrückt und temperamentvoll. Das könnte unterhaltsam werden.
Am Ende kommt dann die Gruppe mehr oder weniger zu einem großen Coup zusammen. Ich dachte, der käme mit allem Vorbereitungs-Tamtam erst in der nächsten Episode und beim Entschluss („we’re gonna hit that truck“) käme die Schwarzblende. Aber tatsächlich quetschen sie diese nebensächliche Kleinigkeit noch in die erste Episode. Mit einem utopischen zweiten Van (der natürlich EXAKT genauso ausschaut, wie der eigentliche…) und einer gehörigen Verwechslung. Stammt die Ladung von einer Bank? Wieso ist da sonst auf der Straße so überhaupt nichts los? Und wieso hat der Typ am Fenster lediglich drei Sekunden gefilmt und direkt hochgeladen, anstatt erst einmal alles aufzunehmen? Könnte vom technischen Realismusgrad auch zu der Tatsache passen, dass Vic im Knast horizontal gefilmt wurde, bei seinem Sohnemann aber vertikal zu sehen war. Naja, vielleicht auch nur eine Device-seitige Drehung…
Das war gar nicht mal so schlecht wie befürchtet – aber auch keine vollendete Adaption (hätten auch 3,5 Kronen sein können, aber ich gebe heute mal den Realisten). Klar, es fühlt sich wie ein viel zu jugendlich auf bunt und cool getrimmter Knock-Off, aber in sich ist es schon irgendwie schlüssig und rund. Die ganz große Ausstrahlung wie das Original geht der Serie aber bisher ab. Klar, die Figuren hatten noch nicht die Möglichkeit, sich zu entfalten, aber das wirkt alles sehr gehetzt und viel zu clean, der ganz große Witz lässt auch noch auf sich warten. Aber einige Figuren haben durchaus Potenzial offenbart (allen voran Charlie und Castillo) und insgesamt ist es durchaus unterhaltsam geraten. Ich bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Was ich bislang etwas schade finde, ist dass sich alles sehr stringent und kompakt hinsichtlich der Geschichtenerzählung anfühlt. Hoffentlich gibt es noch weitere Seitenstränge, die dann den guten alten Ritchie-Move der beinahe albernen Zusammenführung gen Ende betreiben können.
Nein, die Serie ist nicht wie der Film, fügt sich weder davor noch danach an (da ist der Film-„Vorgänger“ „Lock, Stock and Two Smoking Barrels“ von Ritchie deutlich näher an der Essenz), versucht aber dennoch sehr offensichtlich den Stil in einer modernen Art und Weise einzufangen. Das wirkt hier und da etwas drüber, könnte aber durchaus aufgehen. Ich bleibe dennoch weiter skeptisch und schaue lieber noch einmal das Original. Ein Staffelreview wird es dann sicherlich auch noch einmal bei Zeiten hier geben.
Bilder: Crackle
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