Mit einer Doppelfolge hat sich „Snowpiercer“ Richtung Staffel-Endstation gefahren. Genug Sendezeit also für ein großes Finale! Und tatsächlich hat man sich anscheinend das Beste für den Schluss aufgehoben. Denn zumindest im Vergleich zum Auftakt der Serie konnten einige Verbesserungen erreicht werden.
Review: Snowpiercer S01E09 „The Train Demanded Blood“
Für Melanie beginnt das Staffelfinale ganz unten. Oder besser geschrieben: ganz hinten. Wobei, im echten Tail sitzt sie gar nicht, sondern MIT Tailies und blitzverurteilten Dritte-Klasse-Passagieren im Vorraum des Hinrichtungsraumes, indem es einen tiefen Zug (höhö!) kalter Luft gibt.
„I thought I could strip Wilford away, shred his rules one by one and finally his mess.“ (Melanie)
Währenddessen führt Pike sein abscheuliches Herumwind-Spielchen und will Layton zum Aufgeben überreden. Sein Leben gegen das aller Aufständigen. Das erscheint als nicht wirklich in Erwägung zu ziehendes Angebot, bis Layton von seinem Kind erfährt und weiche Knie bekommt. Steve Ogg beweist jedenfalls im Rahmen dieser Doppelfolge, wie sehr ihm zu misstrauende Ekelrollen liegen.
„How do you avoid gasing civilians?“ – „We won’t.“ (Erstklässler & Sicherheitschef)
Nicht nur kann Strong Boy aus der Schublade springen, auch Mel kann gerade noch der „Lung of Ice“ entkommen. Dass sie nach einer kleinen Lüftungs-Schacht-Einlage genug Zeit zum Duschen hat, wirkt genauso seltsam wie die Tatsache, dass niemand spätestens beim Abtasten Laytons darüber nachdenkt, weshalb der sonst so verdreckte Tailie eine fancy Smartwatch am Armgelenk trägt?
„I can get you the train.“ (Melanie)
Genauso wirkt es etwas seltsam, als LJ ihren Eltern empfiehlt zur Hinrichtung zu gehen. Da war irgendwie klar, dass da was im Busch ist. Und das, obwohl der ambitionierte Abkopplungs-Plan noch gar nicht existiert hat? Aber der Reaktion LJs im Nachhinein nach zu urteilen war ihr Vorschlag tatsächlich so gemeint und sie wusste und wollte nicht, dass sie ihre Eltern dadurch verliert (wieso auch?). Dann empfinde ich jedoch ihr Mimik-Spiel und die musikalische Inszenierung als nicht wirklich passend. Dafür darf man die Pressearbeit an Bord des Zuges durchaus als formidabel bezeichnen! Und das „You’re welcome“ von Layton gegenüber den hochnäsigen Erstklässlern habe ich richtig mitfühlen können („Eat the rich“).
Die wichtigsten Entwicklungen gibt es dann am Ende zu sehen. Zunächst hadert Layton mit seiner Entscheidung, da Aufständige geopfert werden müssten, um den Plan zu vollziehen. Er kann sie aber nicht mehr retten und muss eine harte Entscheidung treffen. Auch wenn es mir hinterher etwas zu sehr so gedreht worden ist, als habe Melanie das von Anfang an kleinteilig so geplant, war es doch eine gute Möglichkeit, um seinen Charakter nachvollziehen zu lassen, was es heißt, ein Anführer zu sein und welche Opfer Melanie im Sinne des Zuges bereits erbringen musste. Und wie Melanie und Layton da zum Ende hin wortwörtlich zusammengeführt werden, hat schon eine gewisse symbolische Tragweite.
Review: Snowpiercer S01E10 „994 Cars Long“
„This is one train. These are our revolutions. 994 cars long.“ (Melanie)
Die zweite Folge beginnt mit dem Neuanfang. Alle Macht den Passagieren! Neben der angestrebten demokratischen Neuordnung im Zug gibt es zunächst anarchische Unordnung im Appartment von LJ. Wie auch immer Pike da binnen kürzester Zeit an scheinbar maßgeschneiderte Klamotten gekommen ist – vermutlich über freundschaftliche Kontakte. Als Verräter ist man augenscheinlich sehr angesehen.
„These days someone with no friends is poor.“ (Pike)
Melanie geht derweil auf Selbsterkundungsreise, wobei ich vor allem den hier gleich (und in der Folge viel zu kurz) zu sehenden Shot sehr gemocht habe. Kurz vor knapp erhalten wir einen genaueren Einblick in das Mysterium Tochter. Die hat sie also zurückgelassen und ebenso für den Zug geopfert. Auch wenn das Thema ja immer mal wieder angeschnitten worden war, kam mir diese „Auflösung“ dann doch etwas zu spät, bzw. zu nah an den späteren Geschehnissen dieser Folge. Das hätte man meiner Meinung nach smarter inszenieren können, auch wenn natürlich der Zeitpunkt nach der Revolution und ihrer Macht-Ablegung grundsätzlich Sinn für den Besuch im Night Car macht. Und positiv hervorheben möchte ich an dieser Stelle das nicht nur aber vor allem in dieser Szene sehr gelungene Spiel von Jennifer Connelly.
Gerade als man dachte, es gäbe nur noch langweiliges Abschluss-Gedudel zu sehen, wird es dann aber doch noch mal interessant. Nicht nur das, statt einer einfach nur externen Radioquelle möglicher Überlebenden gibt es die drastische Überraschung: noch ein Zug! Ab hier gewinnt die Folge dann glücklicherweise ordentlich an Fahrt auf, auch, was die Entwicklungen anbelangt. Mr. Wilford könnte also doch noch leben und mit dem Versorgungs-Nebenzug „Big Alice“ unterwegs sein. Dass das erst nach sieben Jahren Fahrt auffällt, wundert mich zwar etwas, aber gut, zwei Züge auf der ganzen Welt verteilt – da kann man schon gut auf Abstand bleiben. Und die Zeit nutzen, um an seiner Transformers-Lok zu arbeiten (WTF?!).
Wilford-Fangirl Ruth erarbeitet sich ihrer Position als Willkommens-Komitee-Spitze und darf nach einer Vollbremsung als eine der ersten Kontakt zum Rest der Menschheit aufnehmen. Der wird (wieso auch immer?!) von Melanies Tochter angeführt. Hach, gerade noch drüber gesprochen, wie passend! Und was sieben Jahre doch so anstellen, sie werden ja so schnell erwachsen…
Positiv fand ich noch die sehr coole Endaufnahme mit der vom Dach gefallenen Melanie. Als vielleicht einzige Person auf der Welt, die auf dem Bodern der zugefrorenen Erde läuft. Und dann der Sprung in die Comic-Optik, der einen gelungenen visuellen Rahmen zur Pilotfolge ergibt.
Mittlerweile bin ich doch sehr froh darüber, durchgehalten zu haben. Man kann wirklich davon sprechen, dass das Beste zum Schluss kam. Die Spannung war da, es gab die ein oder andere nette Überraschung, und auch deutlich weniger krasse Inszenierungs-Fehler wie noch zu Beginn der Serie. Für mein Empfinden hätte das Erspähen des zweiten Zuges bereits einen klasse Cliffhanger abgegeben, aber gut, man wollte wohl unser Kopfkino noch etwas anfachen, indem man Alexandra präsentiert. Das dürfte etliche Theorien in Gang setzen und zu interessanten Charakter-Interaktionen führen. Wenn sie nicht alle in 13 Minuten eingefroren sind (was mich etwas wundert, hat der hintere Zug deutlich bessere Reserven?).
Insgesamt fand ich das Finale aber als durchaus gelungen. Schon fast schade, dass es jetzt erstmal eine Weile nicht mehr weiter gehen wird mit der Fahrt.
„Snowpiercer“ Staffel 1 Review
Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Leute nach der ersten oder spätestens der dritten Folge dieser Serienadaption abgeschaltet haben. Vor allem jene, die die filmische Umsetzung von „Snowpiercer“ gesehen haben, die ja auf einem ganz anderen Level performen soll. Das werde ich dann möglichst zeitnah nachholen, um den kompletten Vergleich ziehen zu können. Aber so schlecht fand ich die Serien-Variante dann auch wieder nicht, auch wenn das allergrößte Potenzial natürlich in der zugrundeliegenden Geschichte liegt, die leider nicht immer so präsentiert worden ist, wie es eigentlich gebühren würde.
Aber nach dem schleppenden Auftakt hat man (etwas holprig) in die Spur gefunden und zumindest einen zentralen Erzählstrang aufrecht erhalten können, der zu einem spannenden Finale hat geführt hat. Als Doppelfolge habe ich dem mal vier Kronen gegeben, einzeln war ich sogar kurz versucht, der vorletzten und meiner Meinung nach besten Episode der Staffel eine 4,5 zu geben und der letzten eine 4, das wäre dann aber wohl doch zuviel des Guten gewesen, denke ich.
Natürlich gab es etliche kleinere und größere handwerkliche Mängel zu beobachten und nicht alle Effekte waren auf Hollywood-Niveau, aber man muss der Produktion zumindest auch lassen, dass man es gewagt hat, einige Außenaufnahmen über die Staffel hin zu verteilen. Das lassen einige Sci-Fi-Serien ja bereits aus Budget-Gründe gerne mal im wahrsten Sinne der Worte außen vor. Dennoch merkt man insgesamt, dass es im Zuge der dreijährigen Produktionszeiten zu so einigen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der genauen Umsetzung des Materials gekommen sein soll. Das wirkte nicht komplett rund, leider. Aber die auch auf unsere aktuelle Gesellschaft abzuleitende Kritik ist aller Ehren wert und bietet viel Raum zum Nachdenken.
2. Staffel von „Snowpiercer“?
Keine Angst, es bleibt nicht bei einem womöglichen offenen Cliffhanger, die zweite Staffel „Snowpiercer“ ist längst bestellt. Der Großteil der Arbeiten daran konnte sogar bereits vor der Coronavirus-Pandemie bewältigt werden. Aufgrund der damit einhergehenden Verzögerungen ist aber noch nicht klar, wann die Fahrt genau weitergehen wird. Die nächste Runde dürfte also 2021 bei uns Halt machen. Vielleicht ja dann auch mit ein paar ausgebesserten Kinderkrankheiten.
UPDATE: Mittlerweile habe ich auch endlich das Versäumnis nachgeholt, den Film zu schauen! Und ja, „Snowpiercer“ ist so doch gewaltig anders. Ich fand den Streifen aber schlechter als die Serie… Vermutlich hängt das einfach damit zusammen, dass ich die Serie zuerst gesehen hat. Vielleicht hält jeder das für das „echte“ und „richtige“, das man zuerst gesehen hat. Alles andere fühlt sich wie eine Kopie an, die eben anders ist. Und das mögen wir Gewohnheitstiere ja eher weniger… Ich mochte viele Dinge. Die Stringenz, die konsequent geführte Handlung und die kleinen Zusammenführungen am Ende. Auch gab es viele schöne, kleine Dinge zu entdecken. Aber eben auch viel Langeweile, deutlich zu wenig gesellschaftliche Kritik bzw. das Aufzeigen der anderen Abteile. Auch haben einige Wanderungen wenig Sinn ergeben, sei es durch die Anordnung der Zug-Waggons oder die physisch mögliche Fortbewegungs-Geschwindigkeit.
Letztlich sind beide Varianten – Film wie Serie – nicht perfekt. Beide haben ihre gewaltigen Stärken, aber eben auch gewaltigen Schwächen. Letztlich ist es dann Geschmackssache, oder eben Reihenfolge der Betrachtung, was ausschlaggebend ist.
Bilder: TNT / Netflix
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