Ein ungewohntes Bild ergibt sich direkt zu Beginn der neuen Folge von „Snowpiercer“. Nein, damit meine ich nicht etwa die hochästhetisch eingefangene Schneeflocke, sondern die von Erzählering-Melanie angegebene Zuglänge von 1.034 Waggons. Der unverhoffte Zuwachse hat auch sein Positives für uns Zuschauer: Endlich gibt es mal wieder ein „Endlich mal wieder richtiges Essen!“-Gesicht zu sehen! So schnell wird aus Genießer Layton der Gebende auf der anderen Seite des Tisches, und der mit dem Herzen arbeitende Kevin zum Informanten. Stellt sich heraus, dass die „Big Alice“ lediglich rund 100 statt der geschätzten 400 Personen an Bord hat. Wobei die Folge es bis zu einem gewissen Badewannen-Moment (sehr skurril anmutende Szene…) schafft, uns daran Zweifeln zu lassen, wie sehr Kevin hier lediglich ein Spiel nach Instruktionen Wilfords gespielt hat.
„It could be poisened…“ – „Get hospitality!“
Auf der „Big Alice“ wird statt spicy Chicken Wings lecker SPAM-Fleisch aus der Dose serviert – yummy! Es ist schon interessant zu sehen, wie gerade Wilford weiterhin darin bestrebt ist, ein erhwürdiges und glamouröses Leben zu führen, obwohl dazu eigentlich die Mittel fehlen. Schade finde ich jedoch, dass man bis auf die Grenz-Stelle und seinen Hauptwaggon kaum mehr andere Stellen des Zuges sieht. Allgemein geschieht ziemlich viel in ziemlich kurzer Zeit, was nochmal darin bestärkt wird, dass Leute mittlerweile binnen weniger Szenen freudig an anderen Stellen des Kilometer-langen Zuges auftauchen können. Aber gut, es gibt ja das untergründige Zug-im-Zug-System, muss ja nicht jedes Mal gezeigt werden, stimmt schon.
„She’s cruel. She’s confused. She hates me.“ – „So she’s a teenager.“ (Melanie & Layton)
Zarah entdeckt derweil, dass Josie noch lebt und mit starken Frostverbrennungen auf der Intensivstation liegt. Weshalb es in einem Zug mit einer dermaßen überschaubaren Bevölkerung dazu kommen kann, dass sie nicht erkannt wird, sondern lediglich als „Jane Doe“ dort liegt, ist mir etwas zweifelhaft. Vermutlich, weil sie als Tailie nicht in der Form registriert war und im Zuge der ganzen Revolutions-Geschichte wenig Zeit zur Ordnung der Dinge vorlag. Dennoch wirkte das alles eher krampfhaft so inszeniert, dass man Zarahs Gewissenswandel demonstrieren kann. Erst will sie ihre Konkurrentin um Laytons Liebe umbringen, dann denkt sie aber doch um und informiert ihn über Zarahs Situation.
Neuigkeiten gibt es auch für Till, die kurzerhand zur Zugdetektivin befördert wird. Vor allem ihre Vernehmungsszene im „Religions-Wagen“ hat mir gefallen. Die visuelle Inszenierung war 1A Krimi-tauglich und der Punkt Glauben dürfte im Verlauf der Staffel noch eine gewichtige Rolle einnehmen, denke ich. Dass sie direkt am ersten Tag einer heißen Spur hinterher geht, wird ja auch intern als zweifelhafter Zufall angesehen. Aber siehe da – Lights Finger wurden tatsächlich gewissentlich deformiert, um Wilfords „W“-Finger zu formen. Diesen über Jahre vollzogenen Gruß hatte im Zuge der stressigen Tage anscheinend bereits jeder wieder vergessen…
Wie hoch das Tempo der Erzählung ist, hat man aber vor allem am Hauptstrang der Folge gesehen. Nein, damit meine ich nicht zwangsläufig die bereits so gut wie geheilte Wunde Melanies. Die ständige „Was ist denn nun mit der Schneeprobe?“-Fragerei von Alex wurde prompt beantwortet. Ein in die Atmosphäre geschossener Wetterballon überträgt Daten, die zeigen, dass die Luft zwar am Erdboden noch bitterkalt ist, sich aber weiter nach Oben erwärmt. Das CW-7 scheint sich aufzulösen, die Erde könnte in absehbarer Zeit erwärmen und wieder bewohnbar werden. Aus diesen Anzeichen wird direkt mal ein Treffen organisiert, das direkt mal ein Attentatsversuch sein soll, aber direkt mal in einer neuerlichen Enttäuschung Alex‘ gipfelt, die mal wieder von Mama verlassen wird. Und auch für Wilford ist die sich anbahnende Erderwärmung keine gute Nachricht, droht er so doch seinen gottgleichen Retterstatus zu verlieren. Dabei hat er doch extra sein bestes „Game of Thrones“-Gewandt aus dem Schrank gekramt gehabt…
„The future is outside!“ (Melanie)
Ich weiß gar nicht genau, was mich gestört hat, aber irgendwie hat sich das Pacing der Folge nicht ganz stimmig angefühlt. Vielleicht liegt es einfach daran, dass die Entwicklungen vor allem in Staffel Eins deutlich langsamer vonstatten gingen. Dass hier diverse geplante Dinge einfach mal direkt passieren, wirkt etwas gehetzt. Man scheint wohl noch so einiges vor zu haben für die Staffel, wie es scheint. Ansonsten hat es natürlich vor allem mit Tills Ermittlungen ein paar neue Ansätze gegeben. Bei Alex war mir bereits letzte Woche zu offensichtlich, dass sie die Klischee-Wandlung zur Mutter hin durchziehen wird. Da hätte ich mir etwas länger gewünscht, dass sie abblockt und sich unnahbar zeigt, aber anscheinend hat man keine Zeit dafür.
Insgesamt war das aber wieder eine ordentliche Folge, die natürlich vor allem mit Hinblick auf die spätere Entwicklung der Geschichte eine gewisse Relevanz haben dürfte.
Bilder: TNT / Netflix
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