Nachdem die komplette dritte Staffel auf dem Prinzip Hoffnung basiert, wurde uns Zuschauenden vergangene Woche nochmal eine besondere Schüppe Hoffnung draufgelegt. Nach all der Zeit sollte das passieren, was die meisten von uns sich eh bereits gedacht hatten. Wir bekommen Melanies Geschichte gezeigt. Und das dann doch schneller, als gedacht.
Dass man Melanie direkt im drei Monate zurückgehenden Rückblick zu sehen bekommt, finde ich etwas schade. Hier hat man die Chance verpasst, zunächst die Ungewissheit zu übertragen, die auch die Besatzung von Snowpiercer fühlt. Ist Melanie überhaupt in dem Wagen und wenn ja, lebt sie noch? So bekommen wir direkt ihre Routine zu sehen. Sie kontrolliert die Route, macht ein paar Sportübungen und zeichnet einige Aussagen auf, um sich dann zur Ressourcen-Einsparung in einen längeren Schlaf zu versetzen. Das macht Sinn und lässt zumindest eine gewisse Dauer des Überlebens erklären, mit dem Gerinnsel am Nacken wird zumindest etwas Spannung um ihr Überleben geschaffen, aber das hätte man insgesamt besser gestalten können. Und wieso hat sie nicht die Einführung übernommen, um mit einem „one car long“ zu enden?!
„Temperature is… not warm.“ (Melanie)
Aber gut, Layton hat eh andere Probleme. Wobei, ein Baby im fahrenden Zug zum Schlafen zu bringen, sollte doch einfach sein, oder nicht? Dachte, die mögen das Gewackel… Nach dieser etwas unnötigen Bonding-Einlage, die uns daran erinnern sollte, dass Layton ja jetzt eine Tochter hat, geht es dann doch schnurstracks zur Kommandozentrale! Snowpiercer holt auf und holt erneut eine uns bislang verborgene komplizierte Apparatur aus dem Ärmel: einen Lastenkran! Damit können sie sogar passgenau den Wagen einholen (der auf einmal keinen Seiten-Arm mehr hat). Ja, ich weiß, man kann nun argumentieren, dass das Teil exakt für diesen Gebrauch konstruiert worden ist, aber wie solche Lösungen sich immer aus dem Nichts präsentieren, wirkt amüsant auf mich.
Es sah für mich so aus, als wäre Melanie bereits aufgewacht, als Josie auf den Wagen gesprungen ist, aber vielleicht schläft sie nur mit offenen Augen. So richtig kommt sie dann drei Tage später zu Bewusstsein.
„Hi.“ (Melanie)
Alex‘ Kurzzusammenfassung der zwischenzeitlichen Ereignisse war goldig und zeigt gleichermaßen auf, welch kuriose Reise wir bislang verfolgt haben. Insgesamt ging mir diese Rettung dann doch erstaunlich schnell vonstatten, aber wir nehmen ja auch Fahrt Richtung Staffelfinale auf, oder, um es mit den Worten Stefan Raabs zu sagen: Wir haben doch keine Zeit! Und es wird noch schlimmer…
„In a way, lying is a kind of empathy, you protect people from burdens, you don’t want them to bare, but… If you keep people in the dark, you take away their power.“ (Melanie)
Es wird nämlich sehr schnell und sehr plump klargemacht, weshalb es Wilford ein Anliegen war, Melanie zurück an Bord zu holen, nachdem er sie damals wissentlich zurückgelassen hatte. Das wird zwar zunächst noch mit seichtem Achselzucken beim angedachten Besuch in seiner Zell-Bibliothek bedacht, bereits wenige Sekunden im Gespräch zeigt sich jedoch, dass die Worte Wilfords bei ihr wirken. Der mag noch ein zittriges Händchen zu haben (oder vorzutäuschen), scheint aber wieder im Besitz seiner geistigen Kräfte zu sein.
„Sorry for leaving you to die, I suppose, but you know how things are…“ (Wilford)
Die Gleisanlage am Horn von Afrika soll wohl nicht mehr allzu intakt sein, so dass angeblich keine Rückfahrt mehr möglich sein könnte? Es erscheint mir etwas verwunderlich, dass sie das nicht bereits wusste, aber das wäre – wenn dem so wäre – tatsächlich ein Argument, um erstmal zu warten. Hier kann man appellieren, dass Melanie als Ingenieurin Fakten folgt und rationale Entscheidungen über emotionale Gebilde stellt. Dennoch ging mir das zu einfach. Schade, dass sie der schönen Symbolik, dass die Gläser auf einem Schachbrett abgestellt werden, keine Taten bzw. Argumente folgen lässt.
Ein bisschen besser macht es Alex, die von Layton das Prinzip Hoffnung gelehrt bekommen hat und aufzeigt, dass die Daten auch zu 100% auf Melanies Tod hingewiesen hatten. So geht das! Es bleibt allerdings mehr oder weniger bei diesem kleinen Strohfeuer, die Richtung, in die diese Folge gehen wird, ist dann doch recht schnell klar.
„I’ve loved you for a long time and I should have told you sooner, it was just… too much apocalypse.“ (Layton)
Die einzige Überraschung könnte noch Josies seltsamer Vortrag sein. Konfrontiert von Laytons Liebe, die in der mir übrigens sehr zusagenden Art leichter Ironie dargeboten worden ist, die ich diese Stelle vermehrt wahrnehme, trifft sie eine seltsame Entscheidung für ihn. Argumentierend, er habe nicht mehr genug in sich, um Teile von sich ihr UND der Welt zu schenken. Ah ja… Naja, immerhin gibt es so keine absolute Happy-End-alles-gut-für-alle-Stimmung. Denn Till und Audrey oder auch Alex und Carly – da bandelt sich gerade an allen Ecken und Enden was an.
Im Gegenzug fängt es bei Oz und LJ zu bröckeln an. Wobei Ersterer ja noch bekräftigt, wie sehr er ihr fingerfertiges Messerspiel liebt… Letztlich beobachtet er sie aber dabei, wie sie dabei hilft, Wilford eine Flüssigkeit zukommen zu lassen. Oz verpfeift sie an Roche, der aber damit beschäftigt ist, die Pyramiden zu bewundern hassen. Persönlich fand ich ganz cool, mit den Pyramiden mal ikonische Bauwerke im Schnee zu sehen zu bekommen – und eine gewisse Relativierung, die Roche vorgebracht hat. Was man einst als Wunsch-Urlaubsziel auserkoren hatte, ist jetzt nervige Wiederholung, wenn man alle drei Monate dran vorbei fährt. Dinge haben sich verändert, alles ist relativ.
Zurück zum hoffnungslosen Fall. Dass Melanie derart gegen das geplante Vorhaben ist, wundert mich dann aber doch etwas, hat sie doch auch etliche Lügen im Sinne der Passagiere erzählt. Vor allem nervt mich aber, in was für einer Eile und Kompromisslosigkeit sie die Lüge über die Anlage anspricht. Vielleicht ist sie noch nicht wieder ganz mental bei der Sache, aber eigentlich müsste sie das doch mit den anderen aussprechen müssen oder zumindest ein Bewusstsein dafür aufbringen, welche Konsequenzen eine solche Ansage mit sich bringt und vor allem, wie sehr sie Wilford damit in die Karten spielt. Nein, das ging mir zu plump, erneut nur, um nochmal eine hochdramatische Weiche zu stellen. Aber gut, die Entwicklung ist nun da und hat gesessen – an dem Punkt hätte man die Folge doch eigentlich wunderbar beenden können?!
„Good night, Snowpiercer.“ (Melanie)
Aber nein, es geht noch weiter. Dass Javi sich mit Melanie einschließt ist auch etwas seltsam. Ben scheint mit den anderen plötzlich im Cockpit der Big Alice zu sein, Pläne um „Spears and Shields“ schmiedend (klar, lassen wir mal wieder alles eskalieren…). Wieso fährt nicht eine Person oder eine kleine Gruppe einfach mal zum Horn von Afrika vor, um nachzuschauen?! Problem gelöst…
Melanie scheint verdammt schnell wieder die Kontrolle von Snowpiercer übernommen zu haben. Direkt sind einige stylische Security um sie herum. Beim Gang zu Wilford kommt dann das, was einfach mal überhaupt nicht überrascht: Er hat ein Zigarrenversteck im Schrank! Ach ne, ich meine: Die Wachen sind tot! Puh, wer hätte das gedacht, wurden die Wachen doch erst in dieser Folge plötzlich derart prominent positioniert, es wurde gezeigt, wie er eine Flüssigkeit reingeschmuggelt bekommen hat und wie er ihnen Zigarren angeboten hat – was sollte da schon schiefgehen…?! Ganz ehrlich, soll diese abschließende Szene wirklich irgendwen überraschen? Mal ganz davon abgesehen, dass ich Menschenfänger Wilford eine smartere Ausgangsstrategie zugetraut hätte. Das ist einfach nur Lazy Writing at it’s worst.
Aktuell besitzt diese Folge auf IMDb ein Rating von 9,2 bei zugegeben gerade mal 26 Wertungen. Das dürfte sich also noch irgendwo bei 8,6 oder so einpendeln, dennoch ist das viel zu hoch für mein Empfinden. Ja, ich freue mich auch, dass Melanie wieder da ist – wobei, meine Freude darüber hat sich ab Hälfte der Folge dann doch stark relativiert. Leider wiederholt „Snowpiercer“ hier mal wieder einige Probleme der Vergangenheit. Das ist ein bisschen, wie mit den Pyramiden, die man alle drei Monate wieder ungewollt zu Gesicht bekommt…
Das Drama um die Rettung Melanies ist noch komplett in Ordnung, klar. Für mein Empfinden hätte man diese Karte weitaus besser ausspielen können, aber das Element in der Geschichte selbst, ist vollkommen legitim. Wie schnell und vor allem offensichtlich sich die Entwicklungen dann zutragen, wäre unerklärlich, wenn man die bisherige Staffel nicht bereits gesehen hätte. Tut mir leid, aber für mich war das ein Offenbarungseid. Figuren handeln überhastet und teilweise entgegen ihrer bisherigen Werte, mögliche Überraschungen werden uns viel zu stark vorab angekündigt und alles fühlt sich an, als wäre es einfach nur Mittel zum Zweck. Das ärgert mich einfach. Die Folge hätte großartig sein können, sogar mit dem eigentlichen Grundgerüst, wenn man einige Dinge schlicht smarter erzählt hätte. So lande ich dann halt beim Durchschnitt, weil sich selbst 3,5 Kronen als zu gut anfühlen.
Dass es immerhin überhaupt noch für etwas zwischen drei und dreieinhalb Kronen reicht, liegt an der einigen guten Aspekten der Folge, die ich bislang wenig bis gar nicht erwähnt hatte. Einige Dialoge waren gut geschrieben, selbst wenn sie inhaltlich nicht immer in die Richtung gegangen sind, die ich präferiert hätte. Auch haben mir erneut einige Einstellungen sehr gefallen. Das Spiel mit Licht und Schatten ist diese Staffel einfach so viel besser geworden! Alleine die Szene, in der Melanie mit Layton auf der Party spricht, war wundervoll anzuschauen.
Nächste Woche steigt dann also das große Staffelfinale, auf das ich mich ehrlich gesagt schon gar nicht mehr wirklich freue. Die mit einer gesunden Ausgangslage gestartete Staffel hat einfach zu viel zu falsch gemacht. In gewisser Weise hat Melanies Ansprache nicht nur die Hoffnung der Passagiere, sondern auch meine gestohlen… Naja, niedrige Erwartungen können wenigstens nicht enttäuscht werden, woll? Die Champagner-Flaschen lasse ich aber lieber erstmal im Supermarkt liegen…
Bilder: TNT / Netflix
Die letzten Minuten der Folge haben mich sehr überrascht. Wilford und Melanie haben sich zu gut verstanden, so als würde es Melanie nichts ausmachen, dass er sie loswerden wollte. Jetzt, da die Hoffnung zerstört ist, herrscht wieder Chaos im Zug und Wilford ist auch noch frei. Es gibt nur noch eine Folge bis die Staffel endet, das wird dann wohl alles in die letzte Folge gequetscht. Es ist fast schon so, dass die dritte Staffel und alle Anstrengungen umsonst waren und wir wieder auf dem Stand sind, wo wir in der zweiten Staffel mal waren.
Oder will Melanie gar nicht, dass der Zug bewohnbares Gebiet erreicht, weil sie sonst ihre Kontrolle darüber verliert? Genauso wie Wilford will auch Melanie jetzt dafür sorgen, dass der Zug weiter fährt und die Menschen dort auf Melanie/Wilford angewiesen sind.
Ich hatte mich sehr auf Melanie’s Rückkehr gefreut, aber zum aktuellen Zeitpunkt wage ich zu bezweifeln, ob sie mir jemals wieder sympathisch sein wird.
Alles berechtigte Fragen und Vermutungen. Mir geht es ähnlich und ich ahne ehrlich gesagt Schlimmes. Könnte mir vorstellen, dass wir den Tod einer größeren Figur in der nächsten Folge zu sehen bekommen. Sollte das Melanie sein, würde ich die Rückkehr als noch unnötiger erachten…
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