Vor 18 Jahren lief „Star Trek: Nemesis“. Ich verließ damals das Kino mit ganz guter Laune, denn ich fand den Film zwar nicht so großartig wie beispielsweise „First Contact“, aber eben auch nicht schlecht. Dass es das letzte Mal gewesen sein sollte, dass ich die TNG-Crew an Bord der Enterprise sah, war mir damals nicht bewusst. Ich bin fest davon ausgegangen, dass es weiter geht. Datas Tod war traurig, aber eben auch nicht endgültig – so mein Eindruck, denn Spock hatte es ja auch wieder auf die Brücke der Enterprise geschafft. Die Jahre gingen dahin und irgendwann schwand die Hoffnung auf ein Comeback. Als Patrick Stewart dann „Star Trek: Picard“ bekannt gab, war ich selbstverständlich total aus dem Häuschen. Nun habe ich die erste Folge geschaut, ganz so wie früher, zu Hause und zusammen mit meinen Eltern, die auch schon Ende der 80er dabei waren, als ich mit der Ausstrahlung von „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ auf dem ZDF zum Trekki mutierte.
Picard ist alt geworden
Die erste Szene hat mich als langjährigen „Star Trek“-Fan direkt abgeholt. Wir sehen die Enterprise D (aus „Star Trek: TNG“), Picard spielt mit Data eine Partie Schach Karten. Beide sind alt geworden, was bei unserem geliebten Captain nicht verwunderlich ist, bei Data wirkt es dann doch etwas komisch – aber so ist das eben; die Freude über das Wiedersehen kann diesen Makel ganz gut überdecken. Nachdem man als Zuschauer realisiert, dass beide alt sind, Data die Uniform aus Nemesis trägt und Picard gar keine, wird einem spätestens klar, dass diese Szene kein Rückblick sein kann. Und so ist es dann auch, Picard hat geträumt und sich an seinen verlorenen Freund erinnert. Er wacht auf seinem Weingut auf, ein großes Anwesen, das bis auf die fliegenden Bewässerungssysteme genauso auch heute in Frankreich aufzufinden wäre. Keine modernen Computerkonsolen oder sonstigen Gadgets finden sich in Picards Haus. Lediglich in der Küche wird der Zukunft durch einen Replikator und transparenten (holografischen?) Riesenfernseher Rechnung getragen.
Picard lebt zurückgezogen. Um ihn kümmern sich ein paar Vulkanier – oder Romulaner? Zu diesem Zeitpunkt ist das noch nicht klar. Jean-Luc schläft seit ein paar Nächten schlecht, es steht der Jahrestag eines für das „Star Trek“-Universum sehr wichtigen Ereignisses an. Die Heimatwelt der Romulaner wurde durch eine Super Nova vor 20 Jahren zerstört. Dieses Ereignis ist die Basis für die neueren „Star Trek“-Kinofilme, welche seit 2009 in den Kinos laufen. In diesen Reboot-Filmen löste diese Katastrophe eine neue Zeitlinie aus, in „Star Trek: Picard“ ist das Ereignis Teil der Geschichte und damit der ursprünglichen Zeitlinie. Ich muss sagen, ich finde diese Lösung des Zeitlinienproblems genial. Die neuen „Star Trek“-Filme können so ihr Gesicht wahren, gleichzeitig kann „Picard“ in der bekannten Zeitlinie bleiben und alle sind zufrieden.
Für Picard selbst ist die Super Nova und die Zerstörung des Romulus ein einschneidendes Erlebnis. Er setzte sich vor 20 Jahren für die Romulaner ein und hat sich damit nicht nur Freunde gemacht. In einem Interview für das (intergalaktische?) Fernsehen wird er regelrecht gegrillt. Die Journalistin konfrontiert ihn und daraufhin offenbart er, dass er die Föderation deshalb verlassen hat, weil sie nicht mehr für das stand, für was sie stehen sollte: die bedingungslose Hilfe für diejenigen, die Hilfe benötigen. Etwas undurchsichtig ist die Tatsache, dass Androiden sich gegen die Rettungsaktion, geführt von Picard, gestellt haben und nicht nur die Rettungsflotte, sondern auch die Schiffswerften der Föderation auf dem Mars zerstört haben. Daraufhin wurde die Entwicklung von künstlichem Leben verboten – Picard findet das ebenso falsch wie die Entscheidung der Föderation, letztendlich die Rettungsaktion zu beenden.
Damit ist das Fundament für die Serie gesetzt. Keine heile Föderationswelt, keine durch und durch gute Vereinigung der Planeten; und damit spiegelt „Star Trek: Picard“ unsere politische Weltlage sehr gut wider. Science-Fiction war immer schon ein Vehikel, aktuelle Gegebenheiten durch die Zukunftsbrille zu thematisieren. So deutlich wie in „Picard“ war das allerdings bei „Star Trek“ bisher nicht der Fall – zumindest entsteht bei mir der Eindruck. Vielleicht liegt das auch daran, dass „Picard“ sich mit seinen Bildern sehr viel näher an der Gegenwart orientiert als andere „Star Trek“-Serien. Ein „Fernsehinterview“, die Städte, das Institut oder die Föderationsbasis – all das wirkt mehr wie aus unserem Jahrhundert entnommen, als eine Zukunftsvision. Wir sehen normale Treppen oder Schreibtische mit ganz typische Bürostühle, ich finde das etwas schade. Die früheren „Star Trek“-Serien waren gefühlt weiter weg und moderner. „Picard“ prägt einen ganz anderen Look, damit muss ich mich ehrlich gesagt noch anfreunden.
Aber zurück zum Geschehen; Picard wäre wohl trotz Interview-Ärgers wieder in seinen alten Trott verfallen, wäre da nicht die junge Dame mit dem Namen Dahj, die schon die ganzen Promobilder zu der Serie schmückte. Eine junge Dame, die angegriffen wird und sich daraufhin in Superheldenmanier retten kann. In ihrem Kopf hat sie Visionen von Picard und sucht ihn daraufhin auf – denn was mit ihr los ist, weiß sie nicht. Das ist der entscheidende Moment; Picard gibt seine „Rente“ auf, um das Mysterium um Dahj aufzulösen.
Dass sie letztendlich Datas Tochter oder zumindest aus Data heraus geschaffen worden sein soll – puh. Dieses Gerücht hatte ich schon in Foren vorab gelesen, aber nie daran geglaubt. In der Umsetzung, dass Dahj noch eine Zwillingschwester hat, ist ein netter Twist und unterscheidet sich dann doch von den Vermutungen, dass es sich direkt um Datas Tochter aus einer TNG Folge halten soll.
Die letzte Szene – man sieht Dahjs Schwester – ist ein sehr guter Cliffhanger. Denn wir befinden uns an Bord eines von Romulanern geführten Borg Cubus. Was es damit auf sich hat, ist noch nicht klar.
Gut oder schlecht?
Am Ende bleibt die Frage, was von dem Auftakt zu halten ist. Ich bin ehrlich und sage, ich bin noch nicht angekommen (aber Maik schrieb ja, dass das bis Episode 3 dauern könnte). Ich muss mich erst an den neuen Look gewöhnen, an die etwas übertriebene Action und daran, dass die gute alte Föderation nicht mehr die sein soll, die sie in allen bisherigen „Star Trek“-Varianten gewesen ist. Abseits dessen spüre ich aber auch, dass hier etwas Großes beginnen könnte. Picard wiederzusehen, der sich seines Alters sehr bewusst ist und nicht wie Matula (eine seltsame Analogie, aber ganz unpassend ist es nicht, oder?) noch den alten Haudegen geben will oder muss, ist einfach nur großartig. Dazu eine epische Story, ja, das kann und wird hoffentlich passen. Etwas verhalten bin ich zwar noch, aber der Auftakt ist auf jeden Fall besser als „Mission Farpoint“, der Pilot von „Star Trek: The Next Generation“.
Bilder: CBS / Amazon Prime Video
Danke für das Review.
Kleine Anmerkung: Ich glaube sie haben am Anfang nicht Schach sondern Poker gespielt.
Du hast natürlich recht. Beim Zehn Vorne hat mein Unterbewusstsein automatisch das typische Star Trek Schach ausgekramt; ich verbessere es. Danke!
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