Wer hätte gedacht, dass am Ende doch noch etwas aus „Star Trek: Picard“ wird? Selten war ich so gespannt auf ein Serienfinale.
Die Ausgangslage könnte nicht klassischer sein: Die Menschheit ist am Abgrund, nur ein Wunder kann sie noch retten. Mit Augenzwinkern betrachte ich die Tatsache, dass nur die alten Offiziere nicht infiziert wurden, wodurch ein „Kampf der Generationen“ entsteht.
Die Enterprise-D, besetzt mit einer Rumpfcrew und einem Durchschnittsalter von 65 Jahren, findet in unserem Sonnensystem einen Borg Cube. Die alte Enterprise zu sehen, macht mir viel Freude, auch wenn ich die Darstellung des Schiffs nicht so gelungen finde. Die remasterte TNG-Version hat meiner Meinung nach das gute alte Schiff der Föderation besser gemacht. Aber genug gemeckert: Die Mission ist klar, das Kollektiv muss gestoppt werden, damit die Föderationsraumschiffe aufhören, die planetare Verteidigung der Erde und letztendlich die Erde selbst in Schutt und Asche zu legen.
Der Kubus verhält sich seltsam ruhig, und die Crew ist selten unerschrocken. Jack ist an Bord des schwarz-grünen Ungetüms, das ist klar, aber wo er sich genau befindet, können die alten Freunde nicht herausfinden – zumindest nicht ohne sich an Bord zu beamen. Die Geschichte ist im Verlauf recht einfach gestrickt und funktioniert wie das große, actiongeladene Finale eines Hollywood-Blockbusters. Die Frage ist eher, ob alle lebendig herauskommen, denn dass die Erde gerettet wird, ist jedem klar.
Spannend finde ich, dass die Borg vor sich hin rotten und eigentlich keine Gefahr darstellen, wäre da nicht die Allianz mit den Wechselbälgern gewesen. Die Queen sieht in jedem Fall mehr wie ein Zombie aus und ist nicht Agnes aus Staffel 2. Soweit die Fanseiten den Status der Borg reflektieren, stellt Agnes aus „Star Trek: Picard“ Staffel 2 offenbar ein eigenes Kollektiv dar. Die Borg, welche sich Jack geschnappt haben und die Föderation angreifen, sind noch die alten Borg, die von Janeway im großen „Star Trek: Voyager“-Finale vergiftet wurden und sich davon offenbar nicht erholt haben.
Am Ende kann Jack nur durch die Liebe seines Vaters gerettet werden, kitschig, aber dennoch schön anzusehen. Jean-Luc Picard darf endlich Emotionen zeigen und ist auf seine alten Tage sogar Vater geworden. Riker und Worf kämpfen derweil gegen die letzten Borg und schließen mit ihrem Leben ab. Denn sie werden informiert, dass die Erde nur gerettet werden kann, wenn die Enterprise den Borg Cube zerstört. Dass die Enterprise mit Data am Steuerpult in den Würfen hineinfliegt, ist beeindruckend. Aber ich kann die Gedanken an „Star Wars Episode 6“ nicht abschütteln, als der Millenium Falke den Todesstern von innen zerstört. Noch extremer wird es, als die Enterprise auf einmal über dem Raum schwebt, in dem sich Riker, Worf, Picard und Jack befinden und doch alle Helden gerettet werden. Das Borgschiff wird zerstört und die Flotte ist frei von der fremden Kontrolle.
Die Parallelstory ist weniger spannend. Seven und Raffi versuchen mit der Titan, die von den Borg kontrollierten Föderationsschiffe abzulenken. Vielmehr dienen die Szenen dazu, Weltraumaction zu zeigen. Mit dem Ende des Borgschiffs und der Kontrolle über die jungen Sternenflotten-Offiziere ist die Folge aber nicht vorbei. Und das finde ich super. Fast 20 Minuten werden sich genommen, um die alte TNG-Crew würdig zu verabschieden. Für Fans ist das vielleicht das Beste an der gesamten Staffel. Jeder kommt noch einmal zu Wort und alle dürfen ihre Freundschaft feiern. Ich denke mir dabei, brauchte es diese Serie wirklich? Vielleicht nicht, aber die dritte Staffel und dieses Finale haben eine Daseinsberechtigung. Denn wir sehen, was aus unseren Helden geworden ist und das hat doch wirklich jeden Star Trek Fan interessiert.
Aber damit hört die Folge nicht auf. Recht deutlich wird eine Fortsetzung angedeutet. Diesmal mit Geordis Tochter, Seven, Raffi und natürlich dem neuen Picard, namens Jack. Die Titan wird in Enterprise G umbenannt (hätte man nicht ein hübscheres Schiff für die neue Enterprise finden können?) und dann geht es los zu einem Testflug. Danach sehen wir noch ein Pokerspiel von Picard und Co, und man denkt: Fein, da habe ich eine tolle Stunde Science Fiction sehen dürfen. Aber – und hier macht Paramount+ den Marvel-Move – kommt noch eine Szene nach den Credits.
Q trifft auf Jack an Bord der neuen Enterprise. Tod ist Q also auch nicht. Kann denn niemand von den alten TNG-Mitstreitern sterben? Nur die arme Tasha musste in Staffel 1 dran glauben. Alle anderen, Data, Q, Picard und Worf die eigentlich tot waren, sterben irgendwie doch nicht. In jedem Fall schreit Q sinngemäß Jack ins Gesicht „ES WIRD EINE NEUE STAR TREK SERIE GEBEN“. Die Worte sind etwas anders, aber im Grunde sagt er nur das. Und damit ändern sich meine Gedanken, und ich frage mich nicht mehr, wie ich dieses Finale finde, sondern, was ich von der neuen Crew halten soll. Seven ist cool, Raffi auch, und Jack ebenso. Aber irgendwie sind sie alle so ähnlich. Ein sturer und autoritärer Charakter wäre meiner Meinung nach für die neue Serie, die – so munkelt man – „Star Trek: Legacy“ heißen wird, noch nötig.
Fazit
Puh, lassen wir die neue Serie mal außen vor und schauen nur auf die Ereignisse des Finales: Viel Action, viel Vorhersehbares, aber eine absolut mitreißende Chemie zwischen den alten Star-Trek-Helden machen am Ende alles Herumgeballere wett. Diese Folge sollte alle 90er-Jahre-Fans mit dem „Nu-Star Trek“ (dem neuen Star Trek) versöhnen, denn die Autoren und Produzenten haben verstanden, dass man auch mit dem alten Star Trek noch moderne Geschichten erzählen kann. Das Finale verdient zwar nicht die maximale Kronenanzahl, aber sehr gute 4 Sterne sind meiner Meinung nach angemessen.
Bilder: Amazon Prime Video / Paramount+ / CBS Studios
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