„Kann so weitergehen“ hatte ich im Review zum ersten Teil der 3. Staffel von „Stranger Things“ geschrieben. Und – es geht so weiter, besser noch: Die Staffel steigert sich am Ende zu einem großen Finale. Aber der Reihe nach. Ich hatte im letzten Review ja schon geschrieben, dass die Autoren die Hauptstory nicht nur munter vorantreiben, sondern sich auch Zeit nehmen für diverse Nebenschauplätze, die es alle verdient haben, betrachtet zu werden.
Spoilerarmer Blick auf die letzten vier Folgen von „Stranger Things Staffel 3“
Ich gehe hier vor allem auf den Themenkomplex Freundschaft und Erwachsenwerden ein. Denn über die Staffel gelingt es den Showrunnern sehr gut, mit diesem Spannungsfeld zu arbeiten. Derweil sich die Jugendlichen zur Staffelmitte eher voneinander entfernt haben, wird die Freundschaft und der Zusammenhalt im zweiten Teil umso wichtiger. Die in kleine Grüppchen verteilte Truppe findet wieder zusammen, eben weil es nur zusammen funktioniert. Jeder bringt seine Stärken ein, um gemeinsam etwas zu schaffen. Lucas bringt es in einem Nebensatz sehr schön auf den Punkt, wenn er sagt, dass er gerne noch etwas in der Hinterhand hätte, wenn Eleven es einmal nicht schafft – und so kommt es dann auch. Die Freunde brennen im wahrsten Sinne des Wortes ein Feuerwerk ab und beschützen sich so gegenseitig. Dass nachher ausgerechnet Billy Eleven rettet, ist dann schon fast zuviel des Ganzen.
Unter der Erde bilden Steve, Robin, Dustin und Lucas‘ Schwester eine Art Zweckgemeinschaft, und auch hier wird das Thema Stärke durch das Handeln als Gruppe noch einmal herausgestellt. Das berüchtigte i-Tüpfelchen setzen die Autoren der Story auf, als Robin, Steve und Dustin die anderen im letzten Moment das Leben retten.
Apropos unter der Erde: Auch Hopper und Joyce kommen nur als Team voran und vertrauen sogar dem etwas schrägen Murray Bauman. Auch hier zehren alle Teammitglieder von den Stärken des Einzelnen. Letztlich werden sogar Leben geopfert, um die anderen zu retten. Das alles wird vor allem zum Ende hin wirklich grandios inszeniert und in Szene gesetzt. Drama, Horror, Action und Comedy wechseln sich hier in rasendem Tempo ab, man fällt von einer Gefühlswelt in die nächste. Auch hier pflegen die Showrunner weiter ihre Liebe zum Detail und zelebrieren an vielen Stellen die Eigenarten der 80er Jahre.
Ein genialer Einfall und sicher ein Serienmoment für die Ewigkeit ist der Einbau des Songs „Never ending story“ aus dem 80er Jahre Kultfilm „Die unendliche Geschichte“. Um diesen Song zu zelebrieren, muss alles andere warten: Die Rettungsmission unter der Erde, die Flucht der Jugendlichen, die Eingabe des Geheimcodes – einfach alles. Einfach großartig, bei dem Tempo, das die Serie an der Stelle gerade drauf hatte, einfach mal eine Vollbremsung hinzulegen und ein derartiges Intermezzo einzuspielen, zudem noch wunderbar gespielt von Gaten Matarazzo als Dustin und mehr noch Gabriella Pizzolo als Suzie. Dazu noch die Zwischenschnitte auf die sich wundernden und wartenden Akteure – AWESOME.
Natürlich geht am Ende ziemlich viel gut aus, und auch der einzige traurige Aspekt, Hoppers Opfer, kommt irgendwie positiv rüber, einfach weil’s gut für die Gruppe und die Geschichte war. Auch der Moment der Wahrheit außerhalb der Starcourt Mall war phantastisch inszeniert. Was folgt, ist ein recht epischer Abschied, da sich die Familie Byers dann doch zum Umzug entschließt. Sehr rührend ist auch Hoppers Brief an Eleven, der das ganze Thema Erwachsenwerden auch noch einmal durchspielt. Dazu kommt noch, dass Eleven ihre kräfte verloren hat – und ihr Freund aber für sie da ist und ihr weiterhilft. Die Szenen schließen mit dem Bowie-Song „Heroes“ (hier von Peter Gabriel), den wir auch in Staffel 1 schon einmal gehört haben. Tolles Finale.
Man merkt es schon, es gibt nicht viel zu meckern. Eine Enttäuschung für mich war die Rolle des Will Byers. Da konnte auch Darsteller Noah Schnapp nicht viel machen – der Charakter war einfach furchtbar blass angelegt, er konnte eigentlich nicht viel mehr als über die Gänsehaut im Nacken mitteilen, dass Gefahr im Verzug war. Schade eigentlich, von der Figur hatte ich mir doch deutlich mehr versprochen. Ansonsten gibt’s eigentlich nichts, so dass sich der Staffelteil die volle Punktzahl verdient hat.
Ebenso klug wie ungewöhnlich (zumindest für Netflix-Verhältnisse) war natürlich auch der Schachzug, am Ende eine Post-Credit-Scene einzuziehen, die der geneigte Netflix-Zuschauer mitunter verpasst haben dürfte, gehört doch der Konsum des Abspanns nicht unbedingt zu den Vorlieben der Netflix-Zuschauer – deswegen wird er ja auch oft nach wenigen Sekunden automatisch übersprungen. Hier tatsächlich nicht, und wer dranbleibt, bekommt einen tollen Cliffhanger für eine in Aussicht gestellte vierte Staffel. Was es mit der Szene auf sich haben könnte, dafür gibt es einen Ausblick – aus Gründen der Spoilergefahr auf der nächsten Seite.
Zum Ende der Serie und Cliffhanger: Ich setze ganz klar auf Hopper als Amerikaner. Stranger Things, trotz Mystery- und Splatter-Momente, folgt dem typischen 80er Jahre Blockbuster-Muster. Demnach MUSS der Held (oder einer der Helden) überleben. Wenn er wirklich gestorben wäre, dann hätte man diesen Tod deutlicher ausgekostet und diesen auch gezeigt.
5€, dass wir Hopper auch in Staffel 4 sehen werden :-)
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