Nachdem wir uns vom unnötig aufgebauschten Selbstbewusstseins-Vakuum der ersten beiden Episoden erholt haben, sollte doch eigentlich alles gut werden. Ein Schlammbad hier, ein Strauß Blumen dort – Eierkuchen. Aber nichts da! „Suits“ kann es einfach nicht sein lassen und macht sich seine Probleme selbst. Da hilft auch ein nach 2,4 Sekunden offensichtlich geträumte Buddy-Badetag nichts. Ganz im Gegenteil: Der macht es eigentlich nur noch schlimmer…
„It was a god-damn mudmare!“ (Louis)
Denn Louis wird uns als mehr und mehr psychisches Wrack dargestellt. Der einst so toughe Anwalt, der mittlerweile gefühlt gar keine Fälle mehr übernimmt, kämpft statt gegen andere Anwälte gegen sich selbst. Kein Wunder, findet er ja neue Leute kennenlernen doof – außer, sie haben Katzen. Was als unterhaltsame Stimmungsschwankungen und -Ausbrüche gedacht ist (und einst so anfing), hat sich mehr und mehr in eine unglaubwürdige Spirale ins Extrem entwickelt. Und ja, so „Seven Stages of Louis“ (Panic, sorrow, self loathing, hatred, justification, self loathing, rage) sind super und wir alle haben Spaß, uns über Louis lustig zu machen – aber irgendwann ist es zu viel – und muss Konsequenzen mit sich bringen, sonst kommt man da nicht mehr raus.
„You don’t know what you saw, Louis.“ „Sorry, I must have forgotten, I was blind. I must have dialed your number using my braille phone.“ (Psychiater & Louis)
Ein seelischer Berater ist eine Option. So, wie er am Ende aber reagiert hat, ahne ich Schlimmes für Louis. Das Anfahren seines (deutschen!) Psychiaters könnte ein Vorzeichen auf mögliche Selbstzerfleischung und Depression mit gar tödlichem Ausgang sein. Eigentlich wäre das natürlich komplett unpassend für „Suits“…
„All good?“ – „I think so…“ (Harvey & Alex)
Kommen wir zu den positiven Schlagzeilen. Obwohl ich noch immer nicht weiß, ob „Fake lawyer becomes real dickhead“ wirklich so eine ist… Jedenfalls hat Alex einen DOG-Freund erfunden, Harvey eine nette MASH-Analogie parat und Mike einen tollen fensterfüllenden Artikel erhalten, der ihm direkt einen neuen Fall zuschleust: Ein unter dubiosen Umständen verstorbener Insasse – und ein aus dubiosen Umständen daraus entstehendes Chaos.
Beim Gespräch mit der Gefängnisleiterin hatte ich mal wieder dieses „das ist mir zu gescripted“-Gefühl, weshalb ich z.B. die Dialoge in „Gilmore Girls“ nicht mag (fernab ihrer Inhalte…). Das geht zu utopisch schnell hin und her, niemand scheint nachdenken zu müssen, alle haben ihre Lines parat – wie Schauspieler halt. Das ist auf der einen Seite zwar total schlagfertig und feinteilig ausgefeilt, überspannt aber den Bogen und lässt es so ganz und gar nicht authentisch wirken. Schmaler Grad, der hier für einige Sekunden überschritten wurde.
„It’s a shame you didn’t call first, I could have prepared something.“ – „I don’t want you to be prepared, cause I wanna know what actually happened.“ (Mrs. Schneider & Mike)
Das Gefängnis ist also nur auf Profit aus, die große Businessfrage stellt sich aber auch in der Kanzlei, was zu „ich will so“-„Aber ich WILL so!“ führt. Ganz davon abgesehen, dass das große Drama dann doch eher großer Kindergarten ist, wirkt es zumindest mal seltsam, dass vorher auf Interessenskonflikte geprüft werden sein soll, solche Dinge, wie der Bau eines Gefängnisses, dabei jedoch nicht entdeckt wurden. Das wirkte auf mich jetzt nicht derart unübersehbar, eher wie ein möglichst umständlicher Grund, damit das ganze „wer tut was für wen?“-Geweine losgehen kann.
Apropos „Geweine“: Frauen. Okay, das hört sich vorurteilsbehaftet-sexistisch an, ich formuliere um: Die Darstellung von Frauen in Suits. Sind eigentlich tolle Charaktere, bekommen aber in regelmäßigen Abständen solche Gefühlsausbruch-Zickerei-Momente zugeschoben, damit es emotional und nahbar für die Zuschauerinnen (und alle feinfühligen Zuschauer) wird. Ist das nicht sogar auch irgendwie sexistisch?!
Jedenfalls macht Rachel ihre Aufgabe total toll und gut und wir bekommen sogar zu den sonst so hintergründigen Komparsen endlich mal ein Gesicht und zwei Namen zu sehören. Stephanie und Jason. Hooray, es geht doch! Aber nein, die sind nicht etwa neuer Side Cast, sie sind erneut Mittel zum Folgen-Zweck. Wie konnte ich nur darauf reinfallen… Denn eigentlich geht es nur um das Zeigen überzogener Härte (wieso ist für alle Feuern die erste Option?!) und ein Untergraben von Kompetenzen (ergo: Gefühle verletzt, hochgeschaukelt, Rumgezicke, mimimi – ALLES WIEDER GUT; NEIN ICH BIN SCHULD… *hug*). Naja, bleibt noch Jason. Der soll ja auch gut Katalogisieren können. Eine gute Schnute ziehen konnte Stephanie aber durchaus…
Kommen wir zum Happy ending der Episode (soll ja niemand mit bösen Gedanken ins Bett gehen, woll?). Der gute Oliver tauscht seine Comics gegen die Pro Bono-Akten – guter Junge. Hier hast du noch eine Extra-Akte! Und natürlich macht Harvey seine dritte ritterhafte Rede binnen drei Episoden – hach, da will ich doch glatt die Milka Herzen romantisch in die Pariser Seine kotzen. Zumal mich in dieser Szene vor allem der Soundtrack gestört hat. Zu störnd, zu laut, zu fröhlich, zu spoilernd, zu da. Ja, zu „spoilernd“ – weil happy key music nun einmal dazu führt, dass ich weiß, dass es positiv ausgeht – die Akkorde haben in hohen Tönen „Kuss! Kuss! Kuss!“ gerufen. Bäh.
„I’m scared, Harvey.“ – „Me, too. What do you say we both be scared together?“ (Paula & Harvey)
Meine Mimik nach der Folge entspricht in etwa der von Stephanie, als sie die zu bearbeitende Akte übernahm. Meh. Eigentlich hatte ich da drei Kronen stehen, aber ich habe ein bisschen(!) gemerkt, dass ich mich ein bisschen(!) in Rage getippt habe in diesem Review. Also kann ja nicht allzu viel Gutes darin gewesen sein. Also, in der Folge, das Review ist natürlich sechs von fünf Kronen!
Klar, da waren persönliche Einblicke, Figuren-Entwicklungen, das Finden neuer Rollen und Konstellationen – alles fein. Am Ende hat man sich aber erneut selbst Probleme gemacht, die man dann selbst gelöst hat, um sich selbst auf die Schulter klopfen zu können. Ne, das ist dann eben eher Unnötigkeitsskala denn komplexes Fernsehdrama. Dass nach all den Jahren Kanzlei- und mittlerweile auch TV-Erfahrung Figuren wie Harvey, Louis und – ach, eigentlich alle! – derart unsouverän vorgehen, wirkt halt einfach falsch. Und als ob den Drehbuchautoren keine wirklich fordernden Fälle für die Figuren einfallen, so dass man eben auf emotionales Drama im Daily Soap-Format zurück greift. Wenn der böse Jo Gerner das mitbekäme, der würde dem Laden mal so richtig einheizen!
Bilder: bravo
Die Charakterzeichnung von Louis ist echt ziemlich abgedriftet. Mir gefallen diese abenteuerlichen Extremwechsel binnen Sekunden auch überhaupt nicht. Grundsätzlich ist es richtig, dass Suits auf Emotionen setzt, denn die super aalglatten Auftritte von Harvey nach dem Motto „Ich interessiere mich nur für mich selbst“ in den ersten Staffeln wurden schnell langweilig. Bei Louis ist es seit geraumer Zeit ins andere Extrem gekippt, er ist zum Neurotiker geworden, der null Kontrolle mehr hat. Jemand, dem die (wie ich meine ultralächerlich gescriptete, natürlich immer allwissende) Donna bzw. seit neuestem sein Psychologe sagen muss, wie man sich zu verhalten hat. Dabei wäre es darchaus sehenswert, wenn man einen schwierigen Charakter zeichnet und ihn dabei begleitet, wie er mit seinen Problemen kämpft. Louis ist zwar ein schwieriger Charakter, er ist aber zugleich zur Witzfigur der Kanzlei gemacht worden. Der Rest der Episode ist auch recht schwach und vorhersehbar.
Freut mich, dass ich es nicht alleine so sehe. Und wie geschrieben: Eigentlich ist da definitiv mehr mit einer ernsthafteren Auseinandersetzung mit den Figuren möglich, nur irgendwie scheinen sie sich nicht zu trauen – oder es nicht zu können… :/
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