Wer irgendwie die Folgen von „Taboo“ empfangen bzw. im Nachhinein zeitnah schauen kann, wobei ich ziemlich sicher bin, dass Tom Hardys Serie „Taboo“ irgendwann auch in Deutschland laufen wird, der sollte dies unbedingt tun. Denn auch die zweite Folge hat mir großen Spaß gemacht und hatte zudem am Ende einen kleinen Twist, der der Geschichte noch einmal weiteren Drive geben könnte. Nicht, dass die Serie das nötig hätte. Aber Steven Knight, der Drehbuchautor der Serie, hat offenbar kein Problem damit, die Geschichte um eine weitere interessante Figur zu ergänzen.
Um einen naheliegenden Gedanken gleich am Anfang aufzunehmen, ob dies für die Geschichte und seine nur acht Folgen nicht zu viel werden könnte – wir werden gleich sehen, viel weiter sind wir in der eigentlichen Story noch nicht gekommen – dem sei gesagt, dass eben jener Steven Knight (von dem auch „Peaky Blinders“ stammt) die Tage geäußert hat, dass er mit zwei bis drei Staffeln rechnet, in denen er die Geschichte zu Ende erzählen will. Damit nimmt er für mich deutlich den Erwartungsdruck aus den kommenden Folgen, die dann eben nicht zwangsläufig zu einem grandiosen Finale führen müssen. Es reicht demnach, wenn die Geschichte sinnvoll weiter entwickelt wird und wir nach und nach immer tiefer in die seelischen Abgründe des James Delaney eintauchen können.
Einzige Voraussetzung: Man muss Tom Hardy und sein Spiel mögen. Sonst ist die Serie so überhaupt nichts für den ansonsten interessierten Serienfan. Er ist der unbestrittene Protagonist, der jede Szene beherrscht, ob er nun in der Szene mitwirkt oder nicht. Alternativ muss man seinen nackten Oberkörper mögen, der in dieser Folge auch einen Auftritt hat.
Handlung
Der große Cliffhanger aus dem Piloten war die Erkenntnis, dass James Delaneys Vater vergiftet wurde und dass die East India Company die diplomatischen Samthandschuhe ausziehen und das Schicksal James Delaneys in die Hände eines Auftragkillers legen wird. So verbringt James viel Zeit in dieser Folge damit, die Hintermänner und das Motiv hinter dem feigen Giftmord an seinem Vater aufzuklären und diese zu finden. Hilfe empfängt er dabei durch den örtlichen Schlachter, der wohl ein alter Fahrensmann des alten Delanys war. Bei diesem hatte sich nämlich ein noch unbekannter Mann erkundigt, ob er bereit wäre, den alten Delaney gegen ein paar Münzen zu erschlagen. KIar, wenn du einen Auftragskiller suchst, gehe zum Schlachter, der hat zumindest schon mal das richtige Werkzeug, um die Leiche fachgerecht zu entsorgen und frische Blutspritzer dürften auch kaum auffallen. Der perfekte Mord. Zumindest zu jener Zeit. Ich musste damit unweigerlich an die Chinesen und ihre Schweine bei „Deadwood“ denken. Ähnliches Gedankenmuster.
Dumm nur, wenn du einen Freund des Opfers vor dir hast. Der sich zudem an dich erinnern kann. Und so dürfte es niemand wirklich verwundern, wen der Schlachter als den vermeintlich Unbekannten enttarnt. James Schwager, der unsympathische Ehemann seiner Halbschwester. Diese Gewissheit hat James Delaney nach der Testamentseröffnung, bei der seine Schwester und eben jener Ehemann leer ausgegangen sind. Da wurde der Schwager erkannt und dürfte nun bald familiären Besuch erhalten.
Und die Familie wurde am Ende der Folge sogar größer. Denn bei der Testamentseröffnung zeigte sich, dass der alte Mann ein drittes Mal geheiratet hatte. Eine junge Schauspielerin, die von Rechts wegen nun auch einen Erbanspruch gegenüber dem Vermögen der Delaneys hat. Das dürfte das Vorgehen von James Delaney erschweren und der East India Company kurzfristig in die Hände spielen. Wobei mir Mrs. Delaney nicht so vor kommt, als hätte sie es nur auf Geld abgesehen. Mit ihr dürfte weitaus mehr geplant sein.
Die Folge endete mit dem Ableben des ersten Auftragskillers, der sich dummerweise von vorne an James Delaney heranschleichen wollte. Mit einem Messer. Welches zwar nun im Bauch eines stark blutenden James Delaney steckt, aber es dürfte nicht verwundern, wenn James diesen Angriff überlebt. Der Auftragskiller selbst wurde zwar nicht bestialisch von James ermordet aber zumindest der Finishing Move war schon recht spektakulär. James Delaney scheint ein großer Fan von Mike Tyson zu sein, verwechselte am Ende dann aber doch den Hals mit dem linken Ohr.
Meinung
Es ist mir entschieden zu dunkel. Und damit meine ich nicht die Stimmung sondern gefühlt 80% der Einstellungen. Meistens finden die Szenen mit Tom Hardy Abends oder Nachts statt. In unbeleuchteten Gassen. Im dunklen Rumpf eines Schiffes. In einem Ruderboot bei schwarzer Nacht. Kann man machen. Und mir ist schon klar, dass man damit den ein oder anderen Produktionstaler einsparen kann. Aber das Schauspiel Hardys und die Geschichte an sich hat das nicht nötig, man muss hier nichts verstecken oder das Setting der Serie künstlich durch die Dunkelheit in ein ebensolches Licht setzen.
Sehr gut: die East India Company stellte in dieser Folge stellvertretend für uns Zuschauer eine sehr gute und wichtige Frage, die bereits in Teilen im Laufe der Folge sicherlich ansatzweise richtig beantwortet wurde: Cui bono?
Denn nicht nur der alte Hausmeister von Daddy Delaney fragt sich, mit wem James über seine geplante Schifffahrtsroute nach Nootka Island Handel treiben will. Auf der Insel wohnen nur Eingeborene. Sonst ist da nichts. Und woher hat der Sohnemann sein Vermögen. Die East India Company vermutet die Amerikaner dahinter. Über die wüsste er auch so gut über den Stand der Friedensverhandlungen zwischen beiden Ländern Bescheid. Da sich James mit einem amerikanischen Spion trifft bzw. weiß, wo dieser zu finden ist und er dabei offenbar einige wichtige Namen nennt, dürfte dieser Verdacht durchaus begründet sein. Auch dieser Kniff dürfte für noch mehr Spannung aber auch eine gewisse Komplexität in der Geschichte sorgen. Von daher Daumen hoch für diese Entwicklung.
Was leider kaum in der aktuellen Folge aufgegriffen wurde, ist die seelische Seite James Delaneys. Er hat zwar kurz wieder einige Wahnvorstellungen von ertrinkenden Sklaven, das war’s dann aber auch wieder. Das sehr viel an James Delaney und seinem Verhalten mit seiner Zeit in Afrika (und sonst wo) zu tun hat, dürfte klar sein. Leider geht die Serie bisher auf diese Thematik – wenn man ehrlich ist – noch überhaupt nicht ein. Sie deutet lediglich an. Hier muss die Serie in der kommenden Folge unbedingt liefern, um die Figur des James Delaney nicht allzu sehr im Dunklen zu lassen und ihn besser für uns Zuschauer zu erklären und definieren. Und ich will hoffen, dass dieser mysteriöse Touch nicht nur Beiwerk ist, denn die Story dürfte auch ohne Hokuspokus funktionieren. Mit Voodoo und Co wäre es aber deutlich cooler.
Was ich beim ersten Review gar nicht erwähnt hatte ist die Gegenwart von Franka Potente als deutschstämmige Puffmutter (natürlich). Ihre Figur ist bisher aber eher lame und nicht so wichtig. Aber mit ihrer Figur hätte man eine schöne versteckte Referenz zu einer durchaus bekannten HBO Serie etablieren können. Sie hat nämlich eine kleine Tochter, die James auf eine Spur führt und von einem Treffen ihrer Mutter mit einem vermeintlichen Auftragskiller für ihn (oder seinem Vater) berichtet. Diese Tochter hört auf den schönen Namen Winter.
Wie cool wäre es gewesen, wenn bei der Szene zwischen Franka Potente und Tom Hardy, als sie zunächst angibt, kein Mädchen mit diesem Namen zu kennen, eben jene ins Bild gelaufen käme und Tom Hardy diese Szene mit den Worten „Winter is coming“ und einem Lächeln kommentiert hätte. Das hätte ich ein klein wenig gefeiert.
Bilder: BBC
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