Eine Serie wie ein Gemälde – was ein bisschen kitschig klingt, trifft auf die neue Amazon-Serie „Tales from the Loop“ sogar wortwörtlicher zu als man denken würde. Denn die acht Episoden der ersten Staffel basieren auf einem Bildband des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag, der sich auf retro-futuristische Kunst spezialisiert hat. Klingt gut, aber was heißt das? Seine Kunstwerke sind im Prinzip einige Jahrzehnte in der Vergangenheit angesiedelt, die allerdings mit einigen futuristischen Gegenständen, Fahrzeugen und Elementen gespickt wird. Der Bildband ist wirklich großartig – es macht Spaß, darin zu blättern, weilman in jedem Bild auch viel entdecken kann. Die Frage war natürlich, ob die Serie diesen Eindruck wird halten können. Gehen wir also rein in die einzelnen Folgen und schauen uns „Tales of the Loop“ an.
Folge 1 – „Loop“
Wie alle anderen Folgen ist auch die erste Episode etwa 55 Minuten lang, also etwas mehr, als wir es gewöhnt sind. Die Story dreht sich um das junge Mädchen Loretta, die eher etwas zurückhaltend ist und immer leicht genervt wirkt. Sie versucht eines Abends zu ergründen, was genau ihre Mutter eigentlich beruflich macht. Sie arbeitet normalerweise unter der Erde, im „Loop“, hat aber irgendetwas mit nach Hause gebracht, was sie vor Russ, der die Einrichtung unter der Erde steuert, geheimhalten möchte. Es ist offensichtlich der Großvater von Loretta. Eines Abends beobachtet sie ihre Mutter bei ihrer Arbeit und wird von einem hellen Licht verschreckt. Am nächsten Tag geht sie zur Schule, und nach ihrer Rückkehr ist das Haus samt Mutter verschwunden. Sie freundet sich – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – mit Cole an, der sie mit nach Hause nimmt. Dort trifft sie auf Coles Mutter, und relativ schnell bemerkt Coles Mutter, dass es sich bei dem Mädchen um sie selbst in jungen Jahren handelt.
Das ist erstmal ein schöner Twist am Ende, und auch sonst bedeutet die Folge einen soliden Einstieg in die Serie. Alles sieht sehr gut aus, die Effekte wirken, und wer das Retro-futuristische von Simon Stålenhag mag, wird sich freuen, dass relativ viel von dem Gefühl aus den Bildern in die Serie Einzug gehalten hat. Mir ist noch der tolle Score aufgefallen, der von Paul Leonard-Morgan und – Überraschung – Philip Glass stammt. Seine minimalistische Musik passt hervorragend zur Serie, und viele vergleichen die Musik mit den Werken von Max Richter, zum Beispiel „The Leftovers“, was natürlich ganz witzig ist, weil Philip Glass schon viel länger aktiv ist und eher Vorbild für Künstler wie Max Richter ist als umgekehrt.
Folge 2 – „Transpose“
Mit dem Start der zweiten Folge war mir gar nicht klar, ob es sich bei der Serie eigentlich um eine fortlaufende Geschichte oder einzelne, für sich zu betrachtende Folgen handeln würde. Die komplizierte Antwort: beides. Denn die Geschichte von Loretta wird nicht weitererzählt, sondern wir sehen Jakob, den Bruder von Cole, und dessen besten Freund Danny im Mittelpunkt der Folge. Die beiden entdecken im Wald eine Kapsel, durch die man seine Körper tauschen kann. Nach der ersten Überraschung und dem Zurücktauschen beschließen sie, erneut zu tauschen und einen Tag lang das Leben des anderen zu leben. Am Ende möchte Danny allerdings nicht zurücktauschen, sondern Jakobs Leben leben. In seiner Verzweiflung geht er nochmal zur Kapsel und versucht, zurückzutauschen. Danach sehen wir Danny auf der Intensivstation – offensichtlich hat der Tausch nicht funktioniert. Und dann das Ende: War der Twist in Folge 1 schon ganz nett, ist das hier nochmal extremer und für mich auch richtig überraschend: Wir stellen fest, dass Jakob Dannys Körper gegen den eines zweibeinigen Roboters getauscht hat, der in den Wäldern umherspazierte. In Dannys Körper steckt also sozusagen der Roboter, und Jakob in dem Roboter – richtig stark zu Ende erzählt. Die Folge lebt vor allem eben von der Story, finde ich, der Rest rückt da so ein bisschen in den Hintergrund – aber nicht schlimm, für mich definitiv die Folge, die in Erinnerung bleibt.
Folge 3 – „Stasis“
Bei „Stasis“ geht’s weiter mit Xiu, der Freundin von Jakob/Danny, die ein merkwürdiges Gerät am Strand entdeckt. Sie erkennt, dass sie damit die Zeit anhalten kann – außer für diejenigen, die bestimmte Armreifen tragen. Einen nimmt sie selbst, einen gibt sie Ethan, mit dem sie fortan zusammenlebt, derweil alles andere steht. Finde ich auch einen extrem spannenden Ansatz. Zunächst ist natürlich alles wunderbar, aber irgendwann bekommt die Beziehung Risse und die Zeit soll weitergehen. Nur ist leider das Gerät kaputt und die beiden suchen ein Ersatzteil. Und auch hier gibt’s wieder eine ziemliche Überraschung – ausgerechnet Xius sonst so strenge Mutter entdeckt sie im Haus eines Technikers, wo sie ein Ersatzteil vermutet. In ihrer Wut beleidigt sie Ethan, der daraufhin am Meer den Ring abgenommen hat, damit er aus der gemeinsamen Zeit mit Xiu entkommt – mal wieder ein ziemlich starker Moment der Serie. Und auch, dass danach noch ein Stückchen weiter erzählt wird, gefällt mir. Wir bekommen hier tolle Bilder und Einstellungen präsentiert, für die die irische Emmy-Preisträgerin Dearbhla Walsh verantwortlich ist, die wir von „Penny Dreadful“ oder „The Handmaid’s Tale“ kennen.
Folge 4 – „Echo Sphere“
Nachdem bei den bisherigen Folgen immer eine Nebenfigur der vorhergehenden Folge die Hauptfigur der folgenden Episode wurde, konnte man jetzt ein bisschen raten, wer wohl an der Reihe sein würde. Es sind Cole und sein Großvater – beide stoßen beim Spaziergang auf eine Struktur, die über ein Echo verraten soll, wie lange der rufende Mensch noch zu leben hat. Als Coles Großvater hineinruft und kein Echo hört, ist für ihn klar, dass er bald sterben wird, was Cole im Loop verhindern möchte. „Alles ist möglich“, hatte sein Großvater ihm zwar gesagt, doch das hier ist dann doch nicht möglich. Am Ende bekommen wir wieder einen tollen Twist geliefert, wenn Cole selbst in das Objekt hineinruft und wir mit jedem Echo eine Station seines zukünftigen Lebens zu sehen bekommen. Und – auch ein Moment aus einer zukünftigen Folge wird dabeisein – sehr schön gemacht.
Folge 5 bis 8 + Fazit gibt’s auf der nächsten Seite.
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