New York City, 1897 – Eine Kindesentführung ruft die Ermittlerin Sara, sowie den Reporter John und den Psychologen Laszlo auf den Plan. Die Tochter des spanischen Konsuls ist verschwunden und da Spanien und die USA nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen sind, kümmert sich die Polizei nur wenig um den Fall. Beim Verschwinden des Kindes handelt es sich allerdings um keinen Einzelfall und so findet das Trio bald wieder zusammen und begibt sich auf der Fährte eines neuen Serienkillers.
Ein Jahr nach den Geschehnissen in „Die Einkreisung“ treibt ein neuer Mörder wieder sein Unwesen. Diesmal steht insbesondere die Rolle der Frau in der Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Fokus. Die Polizeibeamtin Sara betreibt inzwischen eine eigene Privatdetektei. Während sich auf den Straßen der Stadt die Frauen für ihr Wahlrecht stark machen, kämpft Sara für die Gleichbehandlung in ihrem Beruf.
„Sie werden nicht viele Fotos von Detektivinnen wie uns in der Polizeizeitung finden. Jedenfalls jetzt noch nicht. Ich denke allerdings so darüber: Unser Büro hier am Broadway wird mit Elektrizität beleuchtet. Vor der Elektrizität verwendeten die Leute Petroleumlampen. Und davor benutzten sie Kerzen, welche aus Walöl waren. Der Mann mit der Walölkerze hätte sich das alles nicht vorstellen können. Auch wenn man uns als Frauen beurteilt, wir dürfen nie vergessen, dass wir Detektive sind. Und ob wir Röcke oder Hosen tragen, spielt für unsere Arbeit keine Rolle.“ – Sara
Anfangs wird sie noch mit kleinen Fällen beauftragt, bei denen reiche Leute ihre Angestellten des Diebstahls bezichtigen. Als aber eine arme, junge Mutter auf dem elektrischen Stuhl landet, weil sie angeblich ihr eigenes Kind ermordet hat, glaubt Sara an die Unschuld der Verurteilten, da es keinen Leichnam des Babys gibt. Die Mutter wird hingerichtet und nach dem erschreckenden Anblick bleibt Sara auch kaum Zeit aufzuatmen, denn eine neue Entführung ruft schon nach ihr. Am Ort des Geschehens findet sie eine Puppe mit aufgemalten Augen. Was auf den Zuschauer verstörend wirkt, war beispielsweise im viktorianischen England nicht unüblich. Unter dem Begriff „Memento Mori“, der auch in der Serie immer wieder fällt, besann man sich nicht nur seiner eigenen Sterblichkeit, sondern versuchte auch Tote vor dem Vergessen zu bewahren. So arrangierte man Verstorbene für Fotografien, hübschte ihr Haar auf und malte ihnen Augen auf die Lider. Die Puppe ist nicht das Entsetzlichste, das die neue Staffel zu bieten. Kurz darauf wird ein, ebenfalls bemaltes, totes Baby gefunden, dessen Anblick nur für hartgesottene Zuschauer zu ertragen ist. Um den Mord aufzuklären greift Sara nicht nur auf die Hilfe von John und Laszlo zurück, auch Marcus und Lucius wirken wieder als Forensiker mit. Dank gelungenem Teamwork und dem Einsatz der einzelnen Fähigkeiten führen die Spuren zu einem düsteren Krankenhaus, das mit den Morden und Entführungen in Verbindung zu stehen scheint. An anderer Stelle macht eine Frau ihrem männlichen Kollegen Konkurrenz. So bekommt es Laszlo Kreizler mit der Psychologin Karen zu tun. Die Fertigkeiten der Frau scheinen denen des angesehenen Psychologen zu entsprechen und schüchtern ihn sichtlich ein. Hinzu kommt, dass er anfängt Gefühle für Karen zu hegen, was die berufliche Zusammenarbeit zusätzlich erschwert. Diese Tatsache verdeutlicht die Bedrohung, die Männer in ihrem Beruf zu jener Zeit und vermutlich auch heute noch verspüren.
Der Perspektivwechsel sorgt für einen frischen Ansatz. Die schnörkellose Erzählung vermeidet auch Abschweifungen in Nebenhandlungen und konzentriert sich stattdessen auf das Wesentliche. Das mag aber auch der reduzierten Anzahl an Folgen geschuldet sein. Anstatt der vorangegangen 10 Episoden, wird die Geschichte in lediglich acht Folgen abgehandelt. Entschleunigt wird die Anspannung durch die voranschreitende Romanze zwischen Sara und John, die sich bereits in der ersten Staffel angedeutet hat. Und das obwohl John inzwischen verlobt ist. Auch die neuen Cast-Mitglieder können sich sehen lassen. Allen voran Rosy McEwen als Krankenschwester Libby Hatch. Abzug gibt es hingegen bei der Darstellung der Schurken. Diese wirken zu oft eindimensional und können stets sofort als solche entlarvt werden. Sei es der Mediziner Dr. Markoe, der für zahlreiche Ungereimtheiten im Krankenhaus verantwortlich ist oder der Kriminelle Goo Goo Knox, der die Entführungen ausführt, aber auch der korrupte und unsympathische Polizist Thomas Byrnes.
„Lügner sind wie Magier. Wir werden getäuscht durch das was wir sehen und gesagt wird, aber hinter dieser Geschicklichkeit verbirgt sich ein simpler Trick.“ – Laszlo
Die Stadt New York gerät in der neuen Staffel in den Hintergrund. Spielte sie in „Die Einkreisung“ noch eine bedeutende Rolle, gibt es diesmal mit wenigen Ausnahmen nur ein paar malerische Brücken zu sehen. Und leider fällt auch die Täterenthüllung zum Schluss wenig überraschend aus. Zudem wird dem Täter eine dramatische Hintergrundgeschichte verpasst, sodass man mehr Mitleid als Groll gegen die Figur hegt. So verpasst die Staffel es wirklich außergewöhnlich zu sein. Aber letztlich fühlt man sich dank der tollen Kostüme und des atmosphärischen Settings gut unterhalten. Bleibt abzuwarten, ob es auch in Zukunft weitere Geschichten um Laszlo, Sara und John geben wird. Die Buchvorlagen zur Serie von Autor Caleb Carr wurden mit Abschluss der zweiten Staffel zumindest vollends verfilmt.
Fazit
Stimmungsvoller Krimi vor düsterer Kulisse, diesmal aus einem weiblichen Blickwinkel erzählt. Das sorgt zwar für einen neuen Ansatz, allerdings bietet der neue Fall nur bedingt echte Überraschungen.
„The Alienist – Engel der Finsternis“ ist auf Netflix verfügbar.
Bilder: TNT
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