Ende Juni ging die zweite Staffel von „The Bear“ (Trailer) auf Sendung. Vorerst nur in den USA über FX, hierzulande wird die Fortsetzung des Überraschungserfolges aus 2022 ab 16. August bei Disney+ zu sehen sein. Mit Interesse habe ich nach der überraschend guten ersten Staffel in die neuen zehn Episoden geschaut und beschreibe euch im Spoiler-armen Review (konkrete Spoiler werde ich entsprechend markieren/verstecken), was ich davon halte.
Alles neu?
Das „Original Beef of Chicagoland“ ist Geschichte. Der zum Finale der ersten Staffel angekündigte Neuanfang hin zum neuen Restaurant „The Bear“ ist ein inhaltlich idealer Aufhänger für eine neue Erzählung. Wer meint, dass es ohne das stressige Küchen-Chaos eines aktiven Restaurantbetriebes entspannter zugehen würde, irrt gewaltig. Die meinungsstarken Charaktere finden auch so ausreichend Anlässe, sich Schimpfwörter gegen die Köpfe zu rufen. Gerade diese rohe Authentizität hat die Serie aber ja seit jeher ausgemacht und schafft auch in Staffel Zwei wieder ein besonderes Schaugefühl. Gerade, dass Figuren auch mal wild durcheinanderreden statt im Sinne sauberer Dialoge artig inne zu halten, wenn eine andere Person etwas zu sagen hat, sorgt für Hektik. „Every second counts“, ich weiß, aber in manchen Momenten hätte das meiner Meinung nach aber auch dosierter benutzt werden dürfen.
Die angestrebte Neueröffnung bringt nicht nur neue Herausforderungen sondern auch allerlei Altasten empor. Teils, was das Restaurant anbelangt, größtenteils jedoch bezüglich der Figuren. Allgemein ist erneut der Tiefe Blick in die Charaktere sowie deren Entwicklung die eigentliche Essenz der Staffel. Das funktioniert größtenteils auch, wobei mir das in einigen Fällen zu vorhersehbar und schnell geht (z.B. bei Richie und seiner durchaus sehenswerten aber nicht ganz glaubwürdigen Sonderfolge). Man schafft es so aber auch ganz gut, visuell für Abwechslung zu sorgen, da wir durch etwaige „Fortbildungen“ Szeneriewechsel geboten bekommen. Ein Exkurs ist gar ein wirklicher Exkurs nach Europa, der uns einige schöne Bilder einbringt. Schön, dass wir das auch auch vor Ort zu sehen bekommen und die Figur nicht einfach nach einigen Folgen zurückkehrt.
Die visuelle Darstellung hat passend zur angestrebten Neuausrichtung auf dem Teller einen spürbaren Sprung gemacht, der jedoch nicht durchgängig auf hohem Niveau wirkt. Das passt aber zum Format, das Fine Dining mit der rohen Ruchlosigkeit des Lebens kombiniert. Auch wenn es gefühlt weniger ausgefallene Sequenzen als in der ersten Staffel zu sehen gibt, gibt es sie erneut. Neben den eingestreuten Foodporn-Häppchen hat mir hier vor allem die Visualisierung einer Gericht-Findung sehr gefallen und wir bekommen auch erneut eine längere One-Shot-Einstellung zu sehen. Diese weiß im eh empfehlenswerten Staffelfinale noch dazu mit einer gekonnten audiovisuellen „Brücke“ zu überzeugen, die zwischen dem Restaurant-Vorderraum und dem Küchenbereich mittels Tür und Musik dargeboten wird. Dabei funktioniert gerade die musikalische Untermalung meiner Meinung nach nicht immer. Gerade in den ersten Episoden habe ich einige Momente erlebt, in denen Stücke zu lang und/oder laut über Schnittbilder und Dialoge gelegt worden sind.
Auch inhaltlich kam es leider zu ein paar kleineren Fehlern, die einer guten Küche nicht passieren dürfen. Dass das zuvor genutzte Schema mit Countdown-Einblendungen zur Restaurant-Eröffnung auch bei einem Rückblick genutzt wird, fand ich super, allerdings wird dort von „256 Wochen“ geschrieben. Das sind ziemlich genau fünf Jahre. Die Eröffnung soll im Mai stattfinden, die Rückblende spielt zu Weihnachten – das hätte man lieber nochmal nachrechnen sollen. Eine inhaltlich relevantere Sache, die mich gestört hat, war die mit dem Kühlschrank-Griff. Der brach mehrfach im Zuge der Staffel ab, was anscheinend nie ein größeres Problem war, außer, dass man „mal eine Reparatur anfragen müsste“, aber im Finale führt das natürlich dazu, dass man die Tür nicht mehr geöffnet bekommt. Wie hat man das denn bitte zuvor geregelt? Mal ganz davon abgesehen, dass das überhaupt nicht zum „Wir machen ALLES neu!“-Charakter der Geschichte passt. Ne, das war mir zu konstruiert.
Besser haben mir da die auflockernden Momente gefallen, die mit gutem Timing haben punkten können. Das waren mir aber insgesamt gesehen zu wenige. Die zweite Staffel wirkt – erneut parallel zum ambitionierten Restaurant-Aufwertungs-Vorhaben – deutlich erwachsener und ernster als die erste. Gerade diese durchgeknallten Momente haben mir persönlich jedoch gefehlt.
Eine Besonderheit stellt Folge Sechs dar, die statt der sonst etwa 30 über 60 Minuten Laufzeit besitzt. Noch immer bin ich unentschlossen, ob es diese gebraucht hätte. Die Folge hat sich nicht überlang angefühlt und ist enorm wichtig, was die Zeichnung etlicher Charaktere und ihrer Beziehungen zueinander anbelangt, aber sie hat eben auch ihr Ziel erfüllt, extrem unangenehm zu sein. Dass man das dennoch gespannt mit anschaut, dürfte auch an den vielen Gaststars liegen: Neben dem bereits zuvor als Mike zu sehenden Jon Bernthal sind auch Bob Odenkirk, Jamie Lee Curtis, Gillian Jacobs und Sarah Paulson mit dabei (später sogar noch Olivia Coleman).
„What are you talking about, I don‘t give a fuck?! Why would you say that to me? I give like a huge fuck.“ – „Yeah?“ – „Fuck yeah! I give like… the biggest fuck.“ (Mike & Carmy)
Letztlich schafft die Serie es erneut, dass eine Staffel über Essen und in Küchen oder Restauranträumen stattfindet, es aber eigentlich um die menschliche Psyche geht. „The Bear“ zeigt auf, dass wir alle mit persönlichen und oftmals psychischen Problemen zu kämpfen haben. Selbst, wenn das Außenbild Perfektion und Ruhe aufzeigt, wirken im Hintergrund Hektik und Unsicherheit. Problematisch ist hier vielleicht die Darstellung. Dass selbst jemand wie Carmy, der als einer der besten Chefs in der härtesten Küche Michelin-Sterne hat halten können, gefühlt bereits an kleineren Herausforderungen extrem zu nagen hat, wirkt auf mich nicht immer konsequent erzählt. Auch, dass Syd z.B. bei einem Testlauf an die Angestellten gerichtet betont, dass es hektisch werden wird und soll, da es sich um eine bewusste Über-Belastung handelt, dann aber gefühlt alle einbrechen. Aber das soll auch nur zeigen, dass selbst die, die alles erwarten und kennen, mit Problemen zu kämpfen haben. Kein schlechter Ausweg für vermeintliche Ungereimtheiten. Letztlich geht es um die Frage nach dem eigenen Nutzen, dem Selbstwert, Versagensängsten, Panikattacken, Überwältigung oder das Impostor-Syndrom. Gerade in diesen emotionalen Punkten dürften viele Zuschauer:innen Anknüpfungspunkte finden. Zumal es dieses Mal auch etwas mehr rund um die Liebe zu sehen gibt, die aber nicht einfach rosa-zuckersüß daher kommen kann, sondern in den Kontext einer Work-Life-Balance-Problematik eingeführt wird – alles andere wäre nicht „The Bear“.
Auch die zweite Staffel von „The Bear“ schafft es, eine besonders authentische Erzählung über Charaktere und ihrer Probleme zu erzählen. Trotz oder gerade aufgrund der betonten Hektik kann man die gestrafft inszenierten Folgen gut hintereinander weg schauen. Vielleicht liegt es an der „schweren zweiten Staffel“ sowie der Tatsache, dass der Frische-Effekt nicht mehr gegeben ist, aber mir hat die erste Staffel einen Deut besser gefallen. Die war origineller in der Darstellung, charakterstärker, lustiger und ausgeflippter. Das hat mich nicht immer gänzlich zufriedenstellen können, auch nicht am etwas holprigen Ende. Staffel Zwei hat vielleicht auch zu wenig Küchen-Action zu bieten, die Figuren zu weit verteilt und sich mit dem (für den Großteil der Figuren) drastisch wirkenden Wechsel von „dreckigem Sandwich-Laden“ zum Michelin-Stern anstrebenden Etablissement vielleicht etwas zu viel vorgenommen. Das dürfte in einer möglichen dritten Staffel wieder besser werden, wenn wir zu sehen bekommen können, wie sich das neu ausgerichtete „The Bear“ langfristig schlägt und die Figuren mit der Entwicklung klarkommen werden.
3. Staffel von „The Bear“?
Noch wurde von FX nicht offiziell bekanntgegeben, ob es mit „The Bear“ weitergehen wird. Inhaltlich gibt das Ende allen Anlass dazu und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Kritiken oder Produktionskosten einer Fortsetzung im Wege stehen dürften. Vermutlich erhalten wir in den nächsten Tagen bis Wochen Gewissheit über eine mögliche dritte Staffel. Ich hätte aber auch nichts dagegen, wenn man in dieser dann auch die Geschichte abrundet und ein passendes Ende findet.
Bilder: FX / Chuck Hodes / Disney+
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