Gestern kam die finale Folge der ersten Staffel von „The Big Door Prize“ raus. Das Apple Original konnte mit Chris O’Dowd aus „The IT Crowd“ in der Hauptrolle sowie einer mysteriösen Geschichte aufwarten. Im Spoiler-armen Review möchte ich euch erzählen, was gut und was schlecht an der Verfilmung der Romanvorlage von M.O. Walsh ist. Wer sich nochmal einen groben Eindruck zur Serie verschaffen möchte, kann hier den offiziellen Trailer anschauen.
Mysteriöse Maschine bringt Leben durcheinander
In der US-amerikanischen Kleinstadt Deerfield kennt man sich untereinander und alles geht geregelten Bahnen nach. Bis plötzlich aus dem nichts eine „Morpho“-Maschine in einem Eisenwarenladen auftaucht, die Karten ausspuckt, auf denen das persönliche Lebenspotenzial der Leute steht, die sie nutzen. Das führt natürlich zu gewaltiger Irritation und wird „Talk of Town“.
Hauptfigur Dusty hat eigentlich ein gutes Leben. Er wirkt fröhlich, zufrieden, hat eine tolle Familie sowie Spaß am Job und scheint in der Stadt beliebt zu sein. Zumindest an seinem Geburtstag. Dann zeigt die Serie ganz gut, was passiert, sobald die Gedanken hinzukommen und man alles hinterfragt. Ist das das Beste, was das Leben mir zu bieten hat? Habe ich den richtigen Weg eingeschlagen? Mit diesen Fragen spielt „The Big Door Prize“ auf zwischenzeitig sehr gutem Niveau.
„I think I have everything I ever wanted.“ – „Maybe you didn‘t want enough.“ (Dusty & Giorgio)
Nur wenig Comedy
Was leider nahezu komplett unterdurchschnittlich präsentiert wird, ist Humor. Die Serie wird auf und von Apple TV+ prominent als Comedy beworben, vermutlich auch, weil der Großteil der Leute Chris O’Dowd in diesem Genre verortet. Dabei ist der Auftakt noch mit viel lockerem Alltagshumor und einem wunderbar dynamischen Edit versehen, der wirklich Spaß bereitet. Dabei helfen absurde Elemente wie der gigantische Pasta-Berg auf dem Dach des Restaurants, in dem ein Gondel-Tisch existiert. Auch Inhaber Giorgio ist herrlich überzeichnet und trägt einige Schmunzler bei.
Doch dann wandelt sich die Inszenierung. Humor spielt lediglich in beiläufigen Dialog-Sätzen eine Rolle, lockert nur noch vereinzelt auf. „The Big Door Prize“ richtet sich – analog zur Kleinstadt-Gesellschaft – beinahe komplett auf die mysteriösen Potenzial-Karten aus. Es bleibt menschlich-authentisch, aber gerade durch das Verlorengehen des zentralen Comedy-Aspektes wirkt es eher wie ein Mystery-Drama, bei dem die vereinzelten Absurditäten letztlich eher als Logikfehler betrachtet werden.
Denn leider gibt es immer wieder kleine Fehlerchen neben eher plump gehandhabten Entwicklungen. Oder zumindest Elemente, die man hinterfragen kann. Da werden z.B. Dollarscheine abgerissen, um dann doch mit Münzen zu zahlen. Dass alle Leute nicht nur kein Problem damit zu haben scheinen, ihre Sozialversicherungsnummer in ein mysteriöses Gerät einzugeben, sondern diese auch noch auswendig können, ist zumindest mal fragwürdig. Und wer da nachts noch alles wach und prominent am beleuchteten Fenster steht… Naja. Das waren jetzt alles Beispiele, die sich binnen weniger Minuten ereignen.
Die Serie hat Potenzial
Das wirkt alles so, als hätte die Serie sich als Comedy gesehen, aber dann eine Potenzial-Karte mit der Aufschrift „Mystery-Drama“ erhalten. Plötzlich meint sie, sich verändern zu müssen. Dabei bietet „The Big Door Prize“ eigentlich auch vieles Gutes.
Chris O’Dowd ist immer charmant anzuschauen. Insgesamt wirkt es zwar so, als würde sein Schauspiel-Potenzial noch zurückgehalten werden, aber in vielen Momenten ist er für authentischen Charme und Witz zu haben. Vermutlich ist es der Akzent und das allgemeine Gehabe, aber ein bisschen erinnert er mich in dieser Rolle an die Apple-Schwesterserie „Trying“. Auch finde ich das animierte Intro gelungen. Es besitzt eine angenehme Länge und ist je Folge individualisiert, so dass man durch die gezeigte Silhouette weiß, um wen und wessen Potenzial es sich diese Folge handelt. Dass man dabei aber nicht komplett jede Episode aus anderen Blickwinkeln erzählt, finde ich gelungen, da man so schafft, den Cast zu erweitern und beleuchten, ohne die zentralen Figuren aus den Augen zu verlieren.
„We’ve been asking where the Morpho came from and what’s inside it and how does it work, but what we should be asking is what‘s inside of us and how do we work?!“ (Dusty)
Und letztlich ist da halt auch der Mystery-Aspekt, der funktioniert. Man möchte wissen, was es mit der Maschine oder blauen Punkten auf sich hat. Oder auch im Kleinen rätselt man mit, welche Person wohl welche Karte erhalten hat, wer die Wahrheit darüber sagt, wer lügt. Da steckt schon viel Potenzial in dieser vermeintlich kleinen Gegebenheit drin. Aus dem Begehren nach Antworten heraus bleibt man dann gerne dran und schaut weiter, was sich auch durch die kurze Laufzeit und allgemein nicht allzu fordernde Beschaffenheit der Erzählung gut zum Bingen anbietet.
„The Big Door Prize“ ist nicht ganz, was ich erwartet hatte. Dafür ist sie viel zu unlustig und es stellt sich auch keine Magie á la „Dispatches From Elsewhere“ ein, wie ich es nach Anblick des Trailers erwartet hatte. Stattdessen gibt es relativ simpel gestricktes und doch erstaunlich gut funktionierendes, leichtes Mystery-Drama. Das wirft aber nicht einfach nur die Frage nach einer ominös erschienenen Maschine auf, sondern vor allem zentrale Fragen des Lebens. Auch das Publikum fängt unweigerlich damit an, sich zu fragen, wo man im Leben steht. Ist man wirklich zufrieden? Was möchte oder könnte ich sein? Gerade in der heutigen Zeit, in der es wirklich viele Anlässe für Sorgen und Ängste gibt, trifft die Serie damit einen wunden Punkt. Glücklichsein ist eines der wichtigsten Güter überhaupt, unsere kapitalistische Leistungsgesellschaft hat da aber ziemlich viele Hürden in den Weg gelegt. Und letztlich gilt beinahe wie in der Serie selbst oftmals, welche Karten einem das zugeteilt hat.
Dabei schafft die Serie es aber, das Thema nicht zu schwermütig-verkopft und überinterpretiert zu transportieren. Es bleibt steht leicht und relativ oberflächlich. Das ist auf der einen Seite gut, weil es zugänglich bleibt, auf der anderen Seite schlecht, da die Serie irgendwie alle abzuholen wollen scheint, so aber eher zu einem guten Mittelmaß findet. „The Big Door Prize“ ist der Inbegriff von „nett“, mit einigem angedeuteten Potenzial aber letztlich noch zu wenig, was daraus gemacht wird. Kann man problemlos schauen und ist auch keine Zeitverschwendung, aber leider auch nicht der erhoffte Serientipp. Dafür hätte man die Staffel auch deutlich pointierter erzählen können. Grundsätzlich hat die Erzählung nämlich eher Miniserien-Charakter.
„The Big Door Prize“ Staffel 2?
Es wird weitergehen. Bereits Anfang April hatte Apple die Serie um eine zweite Staffel verlängert. Das bietet sich inhaltlich auch an, wurde die Staffel doch mit einem Cliffhanger beendet. Ich bin wie viele Charaktere sauer auf Hana, dass sie so viel über eine andere, schwarze Karten ausspuckende Maschine weiß, aber nichts gesagt hat…
„Are you ready for the next stage?“
Bilder: Apple TV+
Ja, ich war auch gespannt, was die Serie im Finale macht, war dann allerdings auch enttäuscht. Die Konflikte, die durch die Maschine erzeugt werden, kamen erst zum Ende hin auf und wurden dann leider nicht weiter entwickelt, da wäre noch viel Potenzial gewesen, das man nicht erst in einer 2. Staffel verwursten müsste. Auch das Thema Beziehungen war mir zu stark thematisiert, da wurde in der Serie leider einiges liegengelassen. 3.5 Kronen hätte ich auch vergeben.
Absolute Zustimmung, gute Punkte!
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