Nach dem dramatischen Endspurt im Finale der zweiten Staffel von The Blacklist konnte man gespannt sein, wie man die Serie unter den neuen Voraussetzungen weiterführen wollte. Eine Art Neuausrichtung sollte es ja sowieso geben. Nach der Doppelfolge zum Auftakt kann ich’s bereits vorwegnehmen: Die Umsetzung ist gelungen.
Was bisher geschah
Zur Erinnerung: Am Ende der zweiten Staffel wurden Reddington, Keen und die Spezialeinheit in eine Falle gelockt. Keen erschoss daraufhin den Generalbundesanwalt Connolly und trat die Flucht an. Schnell wurde ihr angedichtet, sie sei eine russische Agentin. Ihre bisherigen Kollegen der Spezialeinheit wurden zu ihren Gegnern, die fortan die Aufgabe haben würden, Keen aufzuspüren und zu verhaften. Und Reddington am besten gleich mit – beide wurden als Terroristen auf die Fahnungsliste gesetzt. Damit endete die zweite Staffel – was natürlich einen ziemlichen Cliffhanger bedeutete, da die bisherige Struktur der Serie vollkommen aufgebrochen wurde. Wie könnte man die Serie unter den Voraussetzungen fortsetzen?
Dass sie eine Auffrischung brauchen würde, war nach den beiden Staffeln im Prinzip klar. Das ewig gleiche Muster hatte sich abgenutzt: Reddington nennt eine Nummer von seiner Blacklist, Keen & Co. jagen den Verbrecher und streichen somit einen Gesuchten von der Liste. Auch die parallele Handlung mit Elizabeths Mann Tom befand sich meiner Meinung nach in einer Art Sackgasse. Der Bösewicht Berlin, der Red bedrohte, war auch von der Bildfläche veschwunden, so dass der Zeitpunkt eigentlich ideal für einen Neustart war.
Der Neustart: Staffelauftakt
Keen und Red befinden sich weiterhin auf der Flucht. Es gibt keinen Zeitsprung in der Handlung, sondern sie schließt direkt an die Szene mit der Ermordung von Connolly an. Red lässt seine Beziehungen spielen, so dass sie zunächst zwar nicht den Sperrgürtel in Washingtons Innenstadt durchbrechen können, aber innerhalb der Zone Unterschlupf finden. James Spader als Red läuft gleich zur Hochform auf: Es macht ungeheuren Spaß, ihm beim Spielen zuzuschauen. Red gibt sich trotz der Lage vollkommen entspannt, ist zu Scherzen und zum Geschichtenerzählen aufgelegt und wirkt nur nervös, sobald Keen bedroht zu sein scheint. Auch das Umschalten vom entspannten, fast schon sympathischen Kriminellen, der schon alles erlebt hat, zum knallharten, kompromisslosen Verbrecher, der vor nichts zurückzuschrecken scheint, gelingt James Spader auf großartige Art und Weise. Leider verblasst Megan Boone neben Spader: Keen als Figur wirkt recht konturlos. Von der offensichtlichen Angst in der verzweifelten Lage ist bei Boones Spiel nicht viel abzulesen. Sie spielt solide, aber nicht überzeugend. Das wird besonders in Momenten deutlich, wo beide auf engem Raum zusammen spielen.
Beispiel: Red und Keen sitzen in einem Café fest, werden vom FBI belagert. Red entschuldigt sich höflich bei den Cafébesuchern, versichert jovial, dass ihnen nichts passieren wird. Er läuft durchs Café, schenkt Kaffee aus und hat immer ein Lächeln für alle übrig. Doch dann geht’s in die Verhandlungen mit dem FBI. Red schnappt sich eine Waffe und eine Geisel und wirkt so überzeugend, als sei er zu allem bereit. Keen steht nur staunend daneben. Vielleicht ist das Gefälle zwischen den beiden auch absichtlich angelegt, um den Gegensatz zu zeigen zwischen dem erfahrenen Verbrecher, der schon ewig auf der Flucht ist, und der jungen Agentin, die plötzlich als Teroristin gilt. Immerhin hatte Boone auch schon wesentlich stärkere Momente in der Serie.
Auch dramturgisch sind einige geschickte Züge zu beobachten. Das betrifft vor allem die Figur Donald Ressler. Seine Zerissenheit zwischen der Pflichterfüllung auf der einen Seite und der Verbindung zu seiner Ex-Kollegin auf der anderen Seite wird gut dargestellt. Mal steht er mit aller Entschlossenheit kurz davor, eine diplomatische Krise in Kauf zu nehmen, um Keen zu schnappen, dann wieder setzt er sein Leben aufs Spiel, um ihr Leben zu retten. Es geht hin und her bei ihm – und es ist von Diego Klattenhoff gut gespielt.
Natürlich ist jede Folge auch wieder mit einer Nummer und einem Namen betitelt. Zunächst geht es um die Nummer 38, den Troll Farmer. Eigentlich ein Verbündeter von Red, der ihm jedoch mitteilt, dass er Red nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Kurz danach verrät Red den Troll Farmer an das FBI. In der zweiten Folge geht es um die Nummer 80, Marvin Gerard. Hier ist es umgekehrt: Es handelt sich eigentlich um einen Gefängnisinsassen, den Red allerdings als neuen Verbündeten zu sich bringen lässt. Auch das ist schön inszeniert.
Und dann am Ende noch der großartige Schachzug, mit der letzten Szene Tom Keen wieder ins Spiel zu bringen. Liz‘ Ex-Mann scheint ein neuer Verbündeter zu werden – jetzt allerdings für Liz‘ Ex-Partner Ressler. Auch hier wird die Personalsituation noch einmal komplett durcheinander gewirbelt – nice.
Insgesamt ist das alles schön gemacht: Gut gespielt, solide geschrieben, geschickt inszeniert. Die Doppelfolge ist durchweg spannend, und man fragt sich an mehreren Stellen, wie die beiden Hauptprotagonisten wohl aus der nächsten Falle wieder flüchten können. Macht Lust auf mehr und entschädigt für viele Defizite der zweiten Staffel.
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