Ja, die Programmierungstaktik der Sender muss man nicht verstehen – und ist vielleicht in ein paar Jahren auch schon kein Thema mehr, wenn man wirklich nur noch dann streamt, wenn man etwas bestimmtes schauen möchte (also von Live-Formaten einmal abgesehen natürlich). Aktueller Fall: Derweil auf RTL Crime im Pay-TV gerade Staffel 5 von „The Blacklist“ anläuft, startet (RTL) Nitro mit der Free-TV-Premiere von Staffel 4. Die normalen RTL-Zuschauer bekommen erst einmal gar nichts davon zu sehen und bleiben auf dem Stand von Staffel 3. Das ist in dem Fall besonders schade, weil Staffel 4 eine Menge zu bieten hat. Das hatte sich zum Ende von Staffel 3 bereits angedeutet. Hauptdarsteller James Spader hatte in einem Special ja schon angekündigt, dass sich in Staffel 4 einiges ändern wird.
Da sind wir also jetzt. Dieses Episodenhafte, dass Folge für Folge ein Fall der Blacklist geöffnet und gelöst wird, verschwindet im Laufe von Staffel 4 fast völlig. Zwar tragen die Episodentitel immer noch Namen von Kriminellen, die auf der Blacklist stehen, und es wird auch munter weiter durcheinander durchnummeriert, aber es steht nicht mehr im Mittelpunkt. Dieser Wechsel hatte ja schon der Serie „Person of Interest“ gut getan, als die übergeordnete Handlung in den Vordergrund rückte und somit für einen meines Erachtens tollen Endspurt der Serie sorgte.
In „The Blacklist“ dreht sich natürlich alles vor allem um die Beziehung von Red und Liz. Er versucht weiterhin, ein Geheimnis zu bewahren, sie möchte es die ganze Zeit herausfinden. Im Laufe der Staffel entwickeln sich jetzt einige Komponenten, die dieses Gefüge beeinflussen – was teils unerwartet und teilweise wirklich sehr spannend gemacht ist. Da ist Alexander Kirk, der vorgibt, Liz‘ Vater zu sein. Dann Mr. Kaplan, die Red (zum Wohle Liz‘) hintergeht und dann verstoßen wird und dadurch zu ihrem eigenen Rachefeldzug animiert wird. Dadurch ist Red so verwirrt, dass er einfach alles in Frage stellt – selbst seinen engsten Vertrauten Dembe. Reds Reich droht zusammenzubrechen, gestürzt von den eigenen Leuten. Er ist persönlich dem Tod näher als sonst irgendwann – der Moment ist übrigens großartig inszeniert. Klar, zwischendurch bleibt’s ein wenig unglaubwürdig. Schwer nachzuvollziehen, wo Mr. Kaplan die ganzen Kapazitäten her hat, und wie sie ein zweites Geflecht an Personen aufbauen konnte, parallel zu Reds Organisation.
Schön ist in diesem Zusammenhang aber, wie wir mehr über die Vergangenheit erfahren. In welchem Zusammenhang Mr. Kaplan zu Liz und Red steht, was Alexander Kirk wirklich damit zu tun hat, und wie es zu der Verbindung zwischen Dembe und Red gekommen ist. Ein bisschen schade ist, dass Tom Keen in der Staffel wenig Präsenz hat, da man ihn ja in das leider erfolglose Spin-Off „The Blacklist: Redemption“ geschoben hat.
Achso, es gibt ja auch noch die „Task Force“. Die hat mit ihren inneren Problemen mehr zu kämpfen als mit den Fällen der Blacklist. Hier spielt sich vieles auf politischer und sehr persönlicher Ebene ab. Das ist nettes Beiwerk, die alles recht rund macht, ohne an sich besondere Highlights zu setzen. Erst zum Schluss wird’s nochmal heikel, wenn Ressler auf Hitchin trifft und sich eine offensichtlich neue, verhängnisvolle Story entwickelt – gute Idee, finde ich, und offensichtlich eine der Stories für Staffel 5.
Noch etwas zum Cast: James Spader ist natürlich weiterhin über jeden Zweifel erhaben. Red ist einfach „seine“ Figur. Und es bleibt herrlich, wie er auch in heiklen Situationen immer wieder eine witzige Story parat hat oder wie er es genießt, seine Macht auszuspielen. Doch die Figur bekommt Kratzer: Getroffen durch die persönlichen Schicksale, wird Red zunehmend skrupelloser, aggressiver, rücksichtsloser. Wer ihm nicht hilft, wird ausgeschaltet; wer ihm geholfen hat, im Prinzip auch. So stellt man sich einen wahren Bösewicht vor, und es fällt einem zunehmend schwerer, die Sympathien für ihn aufrecht zu erhalten, die man bisher durchaus spürte. Susan Blommaert als Mr. Kaplan darf in dieser Staffel groß aufspielen, was überzeugend gelingt und durchaus Spaß macht. Auch Harry Lennix als Harold Cooper gefällt mir weiterhin ausgesprochen gut. Megan Boone als Elizabeth Keen fällt wie gewohnt leider etwas ab.
Mit Staffel 4 hat sich „The Blacklist“ sozusagen ein wenig neu erfunden. Was sich in Staffel 3 schon andeutete, wird jetzt in Staffel 4 voll ausgelebt und überzeugend umgesetzt. Und es entwickeln sich trotz des empfundenen Schlusspunktes der großen Handlung am Ende neue Linien für Staffel 5. Was ist nur in diesem verdammten Koffer? Scheint fast so, als müsste sich Liz nach der langen Suche nach ihrem Vater jetzt auf die Suche nach ihrer Mutter begeben.
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