„The Blacklist“ ohne Liz Keen – kann das funktionieren? Nicht wenigen Fans der Serie war es ganz recht, dass die Hauptfigur am Ende von Staffel 8 ausgeschieden ist. Trotzdem machte gerade die Chemie zwischen Liz und Raymond Reddington sowie zwischen Liz und der Task Force vor allem in Staffel 8 den besonderen Charme der Serie aus – ich habe es im Review zu Staffel 8 ausführlich erläutert. Nach Betrachtung der 22 Folgen aus Staffel 9 kann man sagen – jawohl, „The Blacklist“ funktioniert auch ohne Liz sehr gut. Showrunner John Eisendrath hat das nach dem Abschied von Serienerfinder Jon Bokenkamp clever hinbekommen.
Reddington im Exil, die Task Force aufgelöst – nach dem Tod von Liz wurde einmal der Reset-Knopf gedrückt und „The Blacklist“ neu gestartet. So fühlt es sich zumindest in den ersten Folgen an, auf denen noch der Schatten von Liz‘ Tod liegt. Immerhin, Dembe geht voran, hat die Seiten gewechselt und ist jetzt FBI-Agent. Dieser wird bei einem Einsatz verletzt, was die Ex-Task Force-Mitarbeiter auf den Plan ruft. Dreh- und Angelpunkt ist dabei Harold Cooper, der alles zu organisieren versucht und sich auf die Suche nach Red begibt. Der will von allem nichts mehr wissen, hat offenbar sogar mit Dembe gebrochen, und auch die Ex-FBI-Agenten Ressler und Aram haben längst andere Lebensinhalte gefunden. Der eine ist als Mechaniker in einer Autowerkstatt gelandet, der andere versucht, mit einem IT-Start-Up durchzustarten.
Als Cooper ‚die Band‘ wieder zusammenholen will, sträuben sich entsprechend alle in gewisser Weise. Aber klar, die Serie muss weitergehen, und so kommen doch irgendwie alle wieder zusammen. Mir gefällt dabei im Laufe der Staffel vor allem die Entwicklung der Charaktere. Sie müssen sich aufrappeln, neu motivieren, und wir bekommen von einigen Charakteren neue Seiten präsentiert, die wir trotz 8 Staffeln noch nicht kannten. Ich mochte dabei vor allem die Bottleneck-Episoden, in denen es einmal um Ressler und seine Zeit nach Liz‘ Tod geht, und dann um Aram, der mit der neuen Verantwortung als kommissarischer Leiter der Task Force so seine Probleme hat.
Auch Reds Entwicklung finde ich klasse. Er kehrt widerwillig zurück, und vor allem der Disput zwischen ihm und Dembe macht eine gewisse Spannung aus. Was ist zwischen den beiden vorgefallen, was konnte die beiden so entzweien? Schritt für Schritt wird dieses Geheimnis aufgedeckt. Ganz schön auch, wie John Eisendrath zeigt, wie sich Red neu motivieren kann. Klar, das Ziel ist immer noch, herauszufinden, wer für Liz‘ Tod verantwortlich ist, aber er nutzt die Task Force in den neuen Folgen nicht nur, um unliebsame Gegner aus dem Weg zu räumen, sondern auch, um sein eigenes Imperium zu erweitern und sich Zug um Zug neue Bereiche anzueignen. Nettes Detail am Rande ist die optische Veränderung von Red, der mit einer Glatze startet und am Ende ein für seine Verhältnisse volles Haar trägt.
Natürlich eröffnet John Eisendrath noch ein paar Nebenschauplätze: Harold Cooper gerät dabei in Bedrängnis, greift selbst zu illegalen Tricks, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Am Ende wird nochmal recht deutlich erklärt, dass Cooper zwar unverschuldet in diese Lage gekommen ist, er sich aber gleicher Methoden bedient, die Red sonst nutzt. Schön auch, dass Senatorin Cynthia Panabaker auf Reds Hilfe angewiesen ist – alle verstricken sich immer tiefer in die Geschichte.
Natürlich hat die Staffel auch ein paar Schwächen. Das Schwesternduo Weecha und Mierce Xiu bleibt recht blass, da hätte man andere Wege finden können, neue Gefährten für Red zu finden. Auch der Freund von Cooper macht seine Sache relativ schlecht. Und – klar, wir sind immer noch bei „The Blacklist“ – es gibt auch wieder diverse Fälle, die es zu lösen gilt, und da sind auch wieder einige schwächere dabei. Das macht aber fast nichts, weil die restliche Story wie gesagt recht einfallsreich konstruiert ist, und weil die Staffel auch ein recht überraschendes Ende bereit hält. Wobei ich es schade finde, dass ausgerechnet Marvin Gerard so tief in die Lösung verstrickt ist. Ihn werden wir wohl nicht wiedersehen, ebenso wie Aram und Park, die recht sang- und klanglos verabschiedet worden sind. Heißt aber natürlich auch: eine 10. Staffel wird es geben, wir hatten es schon berichtet. Die hat vermutlich wie auch Staffel 9 dann relativ wenig mit dem ursprünglichen großen Geheimnis zu tun, wer Raymond Reddington jetzt wirklich ist. Aber das Setting ist zum Ende von Staffel 9 klug gesetzt: Alle Kandidaten der Blacklist werden früher oder später erfahren, wer sie verraten hat. Und sie werden Jagd auf ihn machen. Red kann sich also auf was gefasst machen.
Ich muss sagen, dass mich diese Staffel wirklich überrascht hat. Gefühlt hatte sich die Serie mit dem Ende von Staffel 8 in eine Sackgasse manövriert, aus der sie sich aber nicht nur befreit hat, sondern überzeugend weiterentwickelt hat. Da kann man John Eisendrath nur gratulieren, und entspannt in Richtung Staffel 10 blicken.
Bilder: NBC
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