Am 9. Oktober fand die 2. Staffel der Superhelden-Persiflage „The Boys“ ihr Ende. Nach meiner Review zum Staffelauftakt, wird es Zeit, sich dem Rest zu widmen. Also nehmt einen letzten, kräftigen Schluck Fresca und taucht ein in die korrupte Welt von Vought International, ihren Supes und Gegnern.
„Na schön, es ist angerichtet, ihr Fotzen.“ – Billy
Nachdem die Öffentlichkeit erfahren hat, dass die Supes ihre Kräfte durch ein chemisches Mittel des Pharmakonzerns Vought erhalten haben, soll das Mittel umsatzträchtig an die Leute gebracht werden – so der große, übergeordnete Plan. Unter der Oberfläche dieser relativ simplen Handlung, gelingt es den Machern aber auch dysfunktionale Familienbeziehungen und kritische Meinungen zur Medienlandschaft und unserem Sozialleben zu thematisieren. Jede Figur scheint seine eigene tragische Geschichte zu haben. Da ist beispielsweise Homelander, der nie die Liebe einer echten Familie erfahren durfte und nun zusammen mit Stormfront und seinem Sohn sein eigenes Familienidyll zu kreieren versucht. Allerdings berücksichtigt er dabei nicht, dass sein Sohn ein eigenständiges Individuum ist. Diese Tatsache wird ihm dann auch in der letzten Folge zum Verhängnis. Schauspieler Antony Starr schafft es wieder problemlos zwischen ekelerregendem Psychopathen und dauergrinsendem Symbol der Hoffnung zu wechseln. Wie bereits vermutet, bestätigt sich auch die Annahme, dass sich hinter Stormfront eine miese Rassistin verbirgt. Als sie am Set des neusten VCU-Films „Dawn of the Seven“ ihren Kollegen A-Train darauf hinweist, dass heutzutage jeder reingelassen wird, ist das ein Schlag in die Magengrube. Gespielt wird die Nazibraut übrigens von der jüdischen Schauspielerin Aya Cash, die in einem Interview bekundete, wie schwer ihr gerade diese Szene fiel. Mir gefällt, wie es ihr gelingt einerseits eine medienwirksame Feministin und andererseits eine subtile Rassistin zu spielen. Wer die Serie im original schaut, hört wie sie in ihren letzten Atemzügen auf Deutsch von Apfelbäumen zu erzählen beginnt.
Welche Auswirkungen ihre Präsenz in sozialen Medien hat, wird in der Eröffnungssequenz der 7. Folge verdeutlicht. Darin folgt der Zuschauer der zunehmenden Radikalisierung ihres Fans Tommy, der schließlich einen pakistanischen Verkäufer erschießt. Es sind solche Momente, die eine willkommene Abwechslung zum Einheitsbrei an sonst laufenden Superhelden-Serien bietet. Und es ist nicht das letzte mal, dass die Superhelden-Thematik zur Veranschaulichung von Missständen dient. Ein Werbevideo mit Homelander für Schulen zeigt, wie sich Lehrer und Schüler im Falle eines Superschurkenangriffs verhalten sollen. Der Schuldirektor und Homelander raten dazu sich zu bewaffnen bis die Helden eintreffen. Abgesehen von den Superhelden und -schurken entspricht das absurde Video realen Vorgehensweisen bei einem Amoklauf in Amerika. Bei all den bitteren Szenarien, wird die Story aber auch weiterhin mit bösem Humor aufgelockert. Neben einem angriffslustigen Riesenpenis, gelingt es beispielsweise Starlight und Queen Meave den schier unbezwingbaren Black Noir mittels eines Schokoriegels zu besiegen. Wir lernen: Auch Superhelden können Lebensmittelallergien haben.
Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann vielleicht dass sich die Kunstblutfontänen etwas erschöpft haben. Wobei selbst der hartgesottenste Zuschauer beim Erdrücken des Schädels eines Unschuldigen während des Geschlechtsakts zwischen Homelander und Stormfront gezuckt haben dürfte. Etwas blass bleiben auch Figuren wie das ehemalige „Seven“-Mitglied Lamplighter oder Deeps Retter Eagle the Archer, der ihn in die dubiose und offensichtlich an Scientology angelehnte Church of the Collective einführt. Umso wichtiger sind da die intimen Momente, wie sie unter anderem während des Roadtrips mit Hughie, Starlight und Mother’s Milk vorkommen oder im ehrlichen Gespräch zwischen Billy und seinem Vater. Erst dadurch entfaltet das große Finale seine eindrückliche Wucht.
„Wenn ihr diese Helden umbringt, produziert Vought einfach 1.000 weitere.“ „Dann machen wir die Fotzen auch kalt.“ – Hughie und Billy
Die abschließende Rettungsaktion, in der Beccas Sohn aus den Fängen von Homelander und Stromfront befreit werden soll, zählt zum Besten, was die zweite Staffel zu bieten hat. Billy erkennt, dass er alles für Becca tun würde und ihr Sohn Ryan muss auf schmerzhafte Weise erkennen, dass er übermenschliche Fähigkeiten besitzt mit denen er zwar Stormfront ausschalten kann, aber traurigerweise auch die wichtigste Person in seinem Leben tötet. Gerade als alles vorüber zu sein scheint, zeigt die Kongressabgeordnete Victoria Neuman wozu sie wirklich fähig ist und legt damit den Grundstein für die Zukunft. Die gute Nachricht für alle Fans: Eine weitere Staffel wurde bereits in Auftrag gegeben und soviel ist schon sicher, wir werden Billy nicht in einem Sweater beim Ausüben einer ehrenamtlichen Tätigkeit rumlaufen sehen. Und jetzt alle zusammen: „Nazi Stormfront, Hitler’s star run her over with a car …“.
Fazit
Neben platzenden Schädeln, einem tödlichen Penis, Supes-Sex und einem ungewöhnlichen Akt der Selbstliebe, bieten auch die abschließenden Episoden emotionale Augenblicke und relevante Themen, die clever in das Gesamtkonstrukt eingebunden werden. Prädikat: sehenswert!
„The Boys“, Staffel 2 ist auf Amazon Prime Video verfügbar.
Bilder: Amazon Prime Video
Nicht nachvollziehbar sind für mich einige Charakterentwicklungen wie beispielsweise bei the Deep: Noch in der Folge davor schien die Gehirnwäsche ja vollends funktioniert zu haben, nur damit er in der aktuellen ein komplettes Wieder-Wiedererwachen hat? Oder Butcher und das Brecheisen: Ja, er ist emotional hin- und hergerissen. Aber dass zwischen seinem Versprechen Rebecca gegenüber und „den kleinen Scheißer verpasse ich eine“ nur Augenblicke liegen, ergibt nicht wirklich Sinn.
Insgesamt aber eine erhebliche Steigerung zur ersten Staffel. Viele schöne Einblicke in die Leben einzelner Figuren. Kimikos Geschichte und die Interaktionen mit ihrem Bruder waren großartig inszeniert. Auch Homelanders struggle in gefühlt jeder Episode und die dazugehörigen WTF-Momente wie die Liebesszene mit Doubleganger waren höchst ansehnlich und amüsant. Die Rolle scheint Anthony Starr auch auf den Leib geschnitten zu sein, dessen tatsächliches Talent man in Banshee noch nicht wirklich hatte erkennen können.
Staffel 3 wird eine Herausforderung, auch gerade weil man schon zu viel an Hintergründe erfahren hat, so dass extreme Abweichungen von nun an wenig glaubwürdig erscheinen dürften. Aber schon mal gut, dass die Macher sich nicht voll an die Comicvorlage halten und dadurch einige Optionen offen halten.
Stimme Dir komplett zu – außer bei der erheblichen Steigerung zu Staffel 1. Hatte jetzt Staffel 1 erst direkt zu Start von Staffel 2 gesehen, und muss sagen, dass beide Staffeln gleich gut funktionieren. Beide hatten auch nicht wirklich einen Hänger – macht Spaß, alles gemütlich durchzuschauen. :-)
Also vielleicht bin ich auch einfach nur froh, dass sie die erste Fortsetzung nicht versemmelt haben 😅
Wenn dann in Staffel 3 Tom Mason dabei ist, wird doch alles gut. ;-)
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