Ein Flugzeugabsturz abwenden, ein Banküberfall vereiteln, einen Übergriff in einer dunklen Gasse verhindern oder ein Kätzchen vom Baum retten – Taten, die man typischerweise mit Superhelden verbindet. In der gnadenlosen Action-Comedy „The Boys“ bekommt man davon nichts zu sehen, stattdessen blickt die Comic-Adaption in die dunkelsten Abgründe des Superhelden-Geschäfts voller Gewalt, Sex und Korruption. Im Mittelpunkt steht der junge Hughie, der sich nach dem Tod seiner Freundin durch einen Superheldeneinsatz, einer Gruppe von Widerstandskämpfern anschließt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Machtmissbrauch im Kreise der Helden aufzudecken. Dabei scheut der bunte Haufen nicht vor radikalen Mitteln zurück.
Die irrsinnige Idee stammt von „Preacher“-Autor Garth Ennis, der gemeinsam mit Zeichner Darick Robertson Mitte der 2000er eine Welt kreierte, in der Superhelden entgegen den gängigen Konventionen handelten und ihre Kraft missbrauchten. „Supernatural“-Schöpfer Eric Kripke, Comedy-Star Seth Rogen und sein Partner Evan Goldberg haben sich daran gemacht, die 72 Comic-Hefte für Amazon zu adaptieren und ihnen ist ein wahres Kunststück gelungen. Aufgrund seiner expliziten Gewaltdarstellung galt der Stoff lange Zeit als unverfilmbar. Die Macher schaffen es aber, die Story fürs TV umzusetzen ohne sie auf die Gewalt zu reduzieren. Im Gegenteil, sie binden brisante Themen, wie sexuelle Übergriffe und Fake News clever in das Konstrukt ein. In erster Linie ist es aber den perfekt gecasteten Schauspielern zu verdanken, dass einem die Welt voller Metawesen glaubwürdig erscheint.
„Nein, der Punkt ist der, dass wir scheiße sind. Zumindest jeder für sich. Es ist doch so: Wir brauchen einander. Keiner von uns bekommt allein irgendwas gebacken.“ – Butcher
Da ist zunächst einmal der von Jungdarsteller Jack Quaid gespielte Hughie, der in der Comic-Vorlage eigentlich dem britischen Komiker Simon Pegg nachempfunden wurde. Da Pegg inzwischen zu alt für die Rolle des Hughie ist, castete man ihn kurzerhand als seinen Vater. Quaid kauft man sowohl den unbedarften Teenager ab, als auch den von Zorn getriebenen Rächer, der sich ausgerechnet während seines Rachefeldzugs in Starlight, die Newcomerin im Superhelden-Business, verliebt.
Die von Erin Moriarty porträtierte Annie alias Starlight entwickelt sich in der ersten Staffel vom unbedarften Landei zu einer waschechten Heldin mit Persönlichkeit. Kaum wird sie in die Riege der größten Helden der Welt, der sogenannten Seven, aufgenommen, wird sie Opfer eines sexuellen Übergriffs durch den mit Kiemen versehenen Helden The Deep. Die bestürzende Tat macht sie zunächst sprachlos, doch schon nach kurzer Zeit gewinnt sie wieder an Selbstvertrauen und wird damit zum Vorbild einer jungen Generation von Mädchen. Ein weiterer fesselnder Charakter ist der undurchschaubare Billy Butcher, der von Karl Urban als knallharter Macho angelegt ist. Seine Motive für seinen Kampf gegen die Supes, wie die medial gefeierten Helden genannt werden, entfaltet sich erst nach und nach. Die harte Fassade mag ein reiner Abwehrmechanismus sein, macht aber verdammt viel Laune.
Auch der Rest der Truppe ist treffend besetzt. Unter den Seven sticht besonders der Anführer Homelander heraus, der nach Außen den aalglatten Pfadfinder gibt und in Wahrheit ein emotionsloser Übeltäter ist. All das versteckt er hinter einem ätzenden Dauergrinsen.
Die Seven sind sichtlich an die gottgleichen Helden aus dem DC-Universum angelehnt. A-Train flitzt als blauer Blitz durchs Bild, Queen Maeve erinnert an eine abgehalfterte Version der Amazone Wonder Woman. The Deep ist eine schmierige Abklatsch von Aquaman und der wortkarge Black Noir erinnert am ehesten an den Mitternachtsdetektiven Batman. Die Kostüme könnte man so oder ähnlich in einem Film von „Justice League“-Regisseur Zack Snyder finden. Die Bilder, die die Wände des Großkonzerns Vought schmücken, sind teilweise direkte Anlehnungen an die Filmposter von „Man of Steel“, „Wonder Woman“ und „Justice League“. Visuell kann die Serie sogar weitestgehend mit den Hollywood-Blockbustern mithalten.
Das erwähnte Unternehmen namens Vought ist quasi die treibende Kraft hinter den Seven. Findige Marketing-Leute entwickeln hier Kampagnen und Images inklusive Merchandise-Deals für die vermeintlichen Helden. So werden die Übermenschen von der Bevölkerung als Superstars gefeiert und als politische Waffen instrumentalisiert. Wenn einer der Helden mal wieder über die Stränge schlägt, dann ist schnell ein Vertuschungs-Team vor Ort, um das Bild wieder zurechtzurücken. Und das passiert quasi andauernd und dabei wird nicht selten ein Körper zum Zerbersten gebracht. Die dargestellte Gewalt ist zwar überzeichnet, dreht einem trotzdem den Magen um. Die Supes sind nicht die einzigen gewaltbereiten Figuren, auch die Jungs und vor allem das Weibchen sind nicht zimperlich. Ein Supes-Baby mit Laserblick als Schusswaffe ist nur eines von vielen skurrilen Tötungsmitteln.
Das Staffelfinale punktet mit einigen schockierenden Enthüllungen rund um Compound V und Homelanders Vergangenheit. Compound V ist ein Wirkstoff, der die Story vorantreibt und eng mit Vought verbunden ist. Damit ist der Weg für weitere absurde Geschichten jedenfalls geebnet. Man kann sich also jetzt schon auf die zweite Staffel im nächsten Jahr freuen. Ich bin jedenfalls gespannt auf weitere Abenteuer aus dem VCU (Vought Cinematic Universe), das hoffentlich noch weitere durchgeknallte Helden für uns bereithält.
Fazit
Schonungslose Abrechnung mit soziopathischen Superhelden, die durch einen großartig aufspielenden Cast und … ach, die Serie ist einfach $@&*# cool!
„The Boys“ ist auf Amazon Prime Video verfügbar.
Bilder: Amazon Prime Video
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