In der 3. Staffel der Superhelden-Satire trommelt Billy Butcher wieder seine „Jungs“ zusammen, denn es gibt eine Waffe, die selbst den mächtigen Homelander ausschalten könnte.
„The Boys“ zeichnet sich durch eine ungeschönte Darstellung von Personen mit Superkräften, sowie schonungsloser Gewalt und einer gehörigen Portion Medien- und Gesellschaftskritik aus. Auch Staffel 3 macht hier keine Ausnahme, dreht aber nochmal gehörig an der Gewaltschraube und präsentiert allerlei absurder Morde. Im Fokus steht das Thema Macht und dessen Missbrauch durch Supes. Gleich zu Beginn bekommt das Publikum einen Ausschnitt aus dem an einen Zack Snyder oder Michael Bay Film erinnernden Blockbuster „Dawn of the Seven“ zu sehen. Dieser veranschaulicht bereits ganz gut, wie die Superheld:innenschmiede Vought International die Außenwahrnehmung der Supes nicht nur mit ihrem eigenen Nachrichtensender beeinflusst, sondern auch mit fiktiven Stoffen, die die Popkultur dominieren. Im TV läuft zudem die Reality Show „American Hero“ in der das nächste Mitglied der Seven medienwirksam gecastet werden soll. Und: Kinder, darunter auch Mother’s Milk Tochter, richten sogar ihren Kindergeburtstag thematisch entsprechend aus und stürmen den neu eröffneten Vergnügungspark Voughtland. Dass die Supes in Wahrheit etwas anders ticken, daran erinnert uns gleich am Anfang auf schockierende Weise der schrumpfende Held Termite, der seinen Partner auf besonderes kreative Weise zum „Höhepunkt“ bringt. Unterdessen folgt man den einzelnen Charakteren. Hughie lebt mit Starlight zusammen und arbeitet nun für die Senatorin Victoria Neuman, die ebenfalls ein Supe ist. Billy versucht derweil dem Sohn seiner toten Frau ein gutes Vorbild zu sein. Schnell wird klar, dass die Boys inzwischen selbst Teil des von Supes beherrschten Systems geworden sind. So kontrollieren die Supes, die hier stellvertretend für die Superreichen und Eliten dieser Welt stehen, wichtige Positionen in der Welt, um ihre Macht zu stabilisieren.
„Aus großer Kraft folgt die Gewissheit, dass man zu einer 1A F*tze wird.“ – Billy Butcher
Abgesehen von der starken Eröffnung, braucht die neue Staffel allerdings etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen. Erst als der an Captain America angelehnte Held Soldier Boy (gespielt von „Supernatural“-Star Jensen Ackles) aufschlägt, nimmt das Tempo zu. Er ist der ehemalige Anführer der Superheldenformation aus dem zweiten Weltkrieg namens Payback und scheinbar die einzige Waffe gegen Homelander. Wie sein Marvel-Vorbild lag auch Soldier Boy lange Zeit auf Eis. Doch anders als der Avenger, der lediglich ein paar popkulturelle Phänomene verpasst zu haben schien, erlebt Soldier Boy einen echten Kulturschock und leidet an posttraumatischen Störungen. Sich küssende Männer auf der Straße oder ein TV-Spot mit Männern und ihren Babys in Tragen stoßen an Soldier Boys konservative Grenzen. Der Patriot mit den aus der Zeit gefallenen Ansichten ist auch verantwortlich für den Tod an Mother’s Milk Vater.
Besonders stimmig sind auch die Anfänge und Enden einer jeden Folge ausgefallen. So zum Beispiel, wenn die Episode mit einem fiktiven Film über The Deep beginnt und mit einer realen Fernsehsendung mit Homelanders „mutiger“ Ansprache endet. Die Rhetorik, die Homelander hier an den Tag legt erinnert an die Reden des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Wie Trump, überspielt auch Homelander seine fragwürdigen Aussagen mit dem Hinweis es handele sich nur um einen Spaß, anstatt sich ernsthaft dafür zu entschuldigen. Außerdem benennt er eine undefinierte Gruppe als Sündenböcke, sympathisiert mit Rechten, beziehungsweise distanziert sich keineswegs von ihnen. Obendrein beschuldigt er Leute ohne Beweise und kritisiert die Mainstreammedien, was auf Zustimmung beim Volk stößt. Er umgibt sich mit Statuen von griechischen Göttern und vergleicht sich mit Jesus und Mohammed. Außerdem scharrt er immer mehr Menschen um sich, denen er vertraut. Damit geht er den klassischen Weg eines Diktators. Er ist ein Narzisst, dem es ausschließlich darum geht, wie er wahrgenommen wird. Besonders schön zeigt sich dies in den Selbstgesprächen mit seinem Spiegelbild. Allgemein zählt Anthony Starrs Darbietung des mörderischen Psychopathen wieder zu den absoluten Highlights. Hegte man schon zuvor eine gewisse Abneigung gegenüber dem zwielichtigen Helden, hat sich diese zumindest bei mir in reinen Hass gewandelt. Um populärer zu werden, will Homelander Starlights Reichweite nutzen und so beschließt er, dass beide in der Öffentlichkeit als Liebespaar auftreten sollen (#Homelight).
„Popularität bedeutet Macht. Die Moral ist scheißegal.“ – Homelander“
Dann ist da noch The Deep, der ein Faible für Oktopusse hat und von Homelander sogar gezwungen wird einen zu verspeisen, um seine Loyalität zu demonstrieren. Seine seltsame Vorliebe für achtarmige Kraken ist eine weiterer Beleg dafür, dass die Supes ziemlich durchgeknallt sind und nicht in der Lage sind echte Beziehungen einzugehen. Was uns direkt zur „Herogasm“ betitelten Folge führt. Diese kommt mit ein paar wirklich abgefahrene Sexpraktiken daher und beschert uns ein Wiedersehen mit dem kleinen Termite. Am Ende sprengt Soldier Boy im wahrsten Sinne des Wortes die Party und es kommt zum Kampf zwischen ihm und Homelander. Soldier Boys Sohn, wie die Zuschauer:innen später erfahren. Dies erklärt nun auch, weshalb Homelander der mächtigste Supe ist. Er wurde nämlich nicht wie seine Mitstreiter:innen durch Compound V erst zum Helden, sondern bereits durch Geburt. Stan Edgar, der Chef von Vought, will unterdessen ein neues Superserum mit temporärer Wirkung an die Regierung verkaufen. Als Billy Butcher das Wundermittel in die Finger bekommt und dadurch Superkräfte erhält, verschwimmen plötzlich auch die Unterschiede zwischen ihm und Homelander drastisch. Denn beide setzen sich mit Hilfe ihrer Kräfte über das Gesetz hinweg. Während Billy und auch Hughie die neu erworbenen Fähigkeiten auskosten, wünscht sich Kimiko nichts lieber als normal zu sein. Denn sie sieht sich selbst als Monster. Als sie ihre Kräfte endlich loswird, mündet dies in einer wunderbaren Musicalszene. Ihr Handlungsbogen endet aber damit, dass sie ihre Kräfte wieder erlangt und dies auch annimmt. Neuzugänge wie die Affenliebhaberin Crimson Countess, die als „The Boys“ Antwort auf Scarlet Witch verstanden werden darf und der Filmproduzent namens The Legend, der etwas an Stan Lee erinnert, runden das Ensemble ab.
Die scharfsinnige Kritik an den Ungerechtigkeiten dieser Welt werden auch diesmal wieder gekonnt in den Gesamtkontext eingewoben. So zum Beispiel das Thema kulturelle Aneignung, um Produkte zu verkaufen. Um an seinem Image zu arbeiten, bedient sich A-Train seiner afrikanischen Wurzeln, samt neuem Outfit und versucht letztlich nur ein Getränk damit zu bewerben. Der nichtssagende Werbeclip erinnert dabei an einen echten Pepsi-Spot. Mit dem rassistischen „Helden“ Blue Hawke wird ganz nebenbei das Thema Cancel Culture aufgegriffen. Echte Stärke zeigt A-Train allerdings, als er sich ernsthaft bei Hughie für den Tod seiner Freundin entschuldigt, nachdem sein Bruder bei einer Auseinandersetzung mit Blue Hawke verletzt wird.
Auch das Thema toxische Männlichkeit kommt nicht zu kurz. So erkennt Hughie, dass er kein Bad-Ass sein muss um seine Freundin Starlight zu unterstützen. Soldier Boy hingegen konnte seine väterlichen Probleme nie richtig aufarbeiten. Er wollte nur seinem Vater imponieren, der er ihn nie akzeptiert hat. Dieses Verhalten legt er auch bei seinem Sohn an den Tag und so kommt es am Schluss zum unausweichlichen Kampf zwischen ihm und Homelander im Vought Tower. Der Endkampf fällt allerdings etwas mau aus und wartet lediglich mit ein paar Fausthieben auf. Da hat man in der Serie schon deutlich beeindruckendere Kämpfe gesehen. Am Schluss zeigt Homelander seinem Sohn Ryan, dass man selbst die Regeln aufstellen kann, wenn man nur mächtig genug ist und tötet einfach einen Demonstranten, der seinen Sohn angeht. Und auch hier steckt wieder eine Anspielung auf Donald Trump, der in einem Interview behauptete, dass er in New York jemanden auf der Straße erschießen könnte und trotzdem keine Wähler:innen verlieren würde. Wenn am Ende darüber berichtet wird, dass Victoria Neuman zur Vizepräsidentin ernannt wird, dann dürfte klar sein, was uns in der nächsten Staffel erwartet. Die Supes steigen in die Politik ein. Ich bin gespannt, was Homelander davon hält.
„Ich freu mich einfach wieder die ganzen Boys unter einem Dach zu haben.“ – Billy Butcher
Fazit
Die neue Staffel legt in Puncto Gewalt und Sex nochmal eine ordentliche Schippe drauf. Allerdings überzeugt sie vorrangig aufgrund der feinsinnigen Gesellschaftskritik, die insbesondere Amerika den Spiegel vorhält.
Bilder: Amazon Prime Video
Für mich eine perfekte Staffel, mit Ausnahme des 10 minütigen Selbstgesprächs von Homelander. Passte imho überhaupt nicht rein.
Und nun wieder warten :-(
Ich fand interessant, wie gut die Serie es inmitten des ganzen Blutes und der eigentlichen Story geschafft hat, das Familien-Thema derart prominent an gleich etlichen Stellen zu bespielen. Insgesamt fehlte mir da ein bisschen klassische Boys-Action, aber da war schon viel Gutes bei und das Ende lässt auf eine weitere gute Staffel hoffen!
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