Die bitterböse Satire geht in die nächste Runde: Der angeschlagene Billy Butcher (Karl Urban) und seine Boys versuchen, den jungen Ryan (Carmeron Corvetti) aus den Fängen von Homelander (Antony Starr) zu befreien.
Medien- und Gesellschaftskritik sowie krasse Gewalteinlagen gibt es in „The Boys“ zuhauf. Gerade von Letzterem gibt es auch diesmal wieder mehr als genug. Homelander macht sich daran, eine Welt zu erschaffen, in der die Supes tun und lassen können, was sie wollen. Zu diesem Zweck engagiert er Sage (Susan Heyward), die klügste Frau der Welt. In Staffel 3 hatte er während einer Rede einen Besucher ermordet und dafür von der Menge tosenden Applaus erhalten. Die von Vought gesteuerten Medien greifen die Tat auf und stempeln das Opfer nun als Antifa-Mitglied und Pädophilen ab. Auch die neue Staffel schafft es, politische Themen in die Welt der Supes zu transferieren und zeigt ein gespaltenes Amerika. Allerdings verliert sich die Serie diesmal in zu vielen Nebensträngen und scheint den Fokus auf den Kampf der Boys gegen die Supes etwas zu verlieren. So werden lieber die politischen Intrigen um Victoria Neumann (Claudia Doumit) ausgebaut, Frenchies (Tomer Kapon) neue Liebelei mit Colin (Elliot Knight) eingeflochten und Kimikos (Karen Fukuhara) Rachefeldzug gegen die Verbrecher, die sie als Kind entführt haben, schnell abgehandelt. Auch Billy Butcher wird fast zur Randfigur degradiert. Der ehemalige Anführer der Truppe ist seit der Einnahme von Compound V dem Tode geweiht und leidet unter Halluzinationen, die sich nun in Gestalt des mysteriösen CIA-Agenten Jonathan Kessler (Jeffrey Dean Morgan) manifestieren. Kessler sitzt wie ein Dämon auf Billys Schulter und befiehlt ihm, Homelander zu töten.
Wenn es ein übergeordnetes Thema in dieser Staffel gibt, dann ist es Selbstbestimmung und Macht. Dies zeigt sich in gleich mehreren Charakterentwicklungen, insbesondere im Umgang von Homelander mit seinen Kolleg:innen, aber auch in der Manipulation von Ryan. So muss der Junge lernen, dass manche Rettungsaktionen inszeniert sind. Bei seiner ersten vermeintlichen Heldentat tötet er versehentlich einen Stuntman. Immerhin hat Ryan berechtigte Zweifel an der Tat, während Homelander Menschen eher als Spielzeug betrachtet. Der Psychopath, einmal mehr hervorragend verkörpert von Antony Starr, schlägt diesmal über die Stränge. Als er den Raum aufsucht, in dem er als Kind gefangen gehalten wurde, nimmt er es nacheinander mit den damaligen Wissenschaftler:innen auf, die ihn als Versuchskaninchen missbraucht haben. Die hier gezeigten Bilder sind absolut verstörend.
„Gewalt ist Macht!“ – The Deep
Hughie (Jack Quaid) hingegen hat mit seinem kranken Vater und einer äußerst unangenehmen Situation mit Tek-Knight zu kämpfen. Die Szene in Teks Folterkammer ist an Ekel kaum zu überbieten. Das Trauma, das er dabei erlebt, wird jedoch kaum thematisiert und bleibt nur als komisches Erlebnis in Erinnerung. Der Tod seines Vaters, das Wiedersehen mit seiner Mutter und seine Beziehung zu Starlight (Erin Moriarty) werden nur kurz angerissen. Zu den wenigen Sympathieträgern dieser Staffel wird A-Train (Jessie Usher). Er erweist sich als stiller Unterstützer der Boys, da er einerseits die Machtspielchen innerhalb der Seven satt hat und andererseits in der Verfilmung “Training A-Train” mit Will Farrell in der Rolle des weißen Retters nicht mitwirken will.
Sehr amüsant ist der Besuch einer Messe für Verschwörungstheorien namens “TruthCon”. Hier treffen sich sämtliche Schwurbler:innen des Landes, um ihre Wahrheiten zu verbreiten. Darunter auch Firecracker (Valorie Curry), die ihre Position geschickt nutzt, um ihr Publikum zu manipulieren und zu kontrollieren. Einmal mehr entlarvt die Serie, dass diejenigen, die sich von den Theorien angesprochen fühlen, einen Sinn in ihrem Leben suchen und eigentlich nur einen Schuldigen finden wollen, gegen den sie sich wenden können. Später enthüllt Firecracker der Öffentlichkeit, dass Starlight eine Abtreibung hatte. Auch hier wird ein brisantes Thema nur kurz angeschnitten und nicht weiter verfolgt. Spaß hatte ich aber mit dem Seitenhieb auf die aktuelle Superheld:innen-Film- und Serienlandschaft. Auf der hauseigenen Messe V52 Fan Expo, eine klare Anspielung auf Disneys D23 Fan Expo, stellen die verantwortlichen Studiobosse die Phasen 7 bis 19 vor. Weniger erfreulich ist hingegen die Szene, in der Splinter (Rob Benedict) nackt über die Boys herfällt. So verstörend der Kampf auch sein mag, kann er doch als Masse verstanden werden, die eliminiert wird, sobald der Kopf der Truppe ausgeschaltet ist. Im Hintergrund schmiedet derweil Seven-Neuling Sage, oder wie Vought sie nennt, Sister Sage, ihre eigenen Pläne. Sie ermutigt The Deep, sich von Ashley Barett (Colbie Minifie) nichts sagen zu lassen, und Ryan, sich nicht zum Homeboy degradieren zu lassen. Am Ende sieht es so aus, als würde Homelander in der Politik ganz nach oben kommen, aber Soldier Boy könnte ihm wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Trotz kleinerer Mängel bleibt es spannend, ob die Serienmacher:innen in der fünften und letzten Staffel alle Handlungsstränge zusammengeführt bekommen.
Fazit
Der Wahnsinn geht weiter: Auch in der vierten Staffel ist die Serie an blutigen Szenen und Perversionen kaum zu überbieten. Leider verliert die Serie etwas den Fokus und so bleiben am Schluss nur noch wenige eklige Szenen in Erinnerung. Nichtsdestotrotz bietet auch Staffel 4 wieder jede Menge Gesellschafts- und Medienkritik.
Bilder: Amazon Prime Video
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