Ja, ich habe es getan und „The Crew“ weiter geschaut. Gut, das waren jetzt auch lediglich zehn jeweils maximal halbstündige Episoden, aber nach dem eher durchwachsenen Auftakt dürften einige Leute abgeschaltet haben. Und um es direkt vorwegzunehmen: Viele meiner Eindrücke aus der Pilotfolge haben sich bestätigt und fortgesetzt. Aber eben auch der leichte Aufwärtstrend, der in der zweiten Hälfte der ersten Folge zu sehen war. Sprich: Wer recht anspruchslose Zerstreuung für zwischendurch ohne wirklich krassen Rennsport-Bezug sucht, wird bei der neuen Netflixserie fündig!
Kevin James, Kevin James, Kevin James…
DAS Verkaufsargument überhaupt von „The Crew“ lautet natürlich Kevin James (wer hätte das bei der Zwischenüberschrift gedacht…). Der vor allem als „King of Queens“ bekannte Comedy-Schauspieler schafft es auch in „The Crew“ ein liebevolles und authentisches Dickerchen zu verkörpern, das viel zu gerne viel zu schlechtes Essen mag und lieber eine lustige Zeit hat als nervige Bürodinge zu erledigen. Aber, im Gegensatz zu KoQ und der versuchten KoQ-Kopie „Kevin Can Wait“ ist er diesmal nicht etwa der ulkige Ehemann, alles spielt auf der Arbeit, wo er dann doch sehr kompetent und durchgreifend agiert. Oder im „Pit Stop“, einem Restaurant nahe der Arbeit. Tatsächlich bekommt man nie andere Örtlichkeiten zu sehen. Und selbst die Momente an der Rennstrecke sind offenkundig Greenscreen-Aufnahmen. Ach ja, es geht übrigens um Autorennen, das mag beim Anblick der Serie vielleicht nicht direkt rüber kommen, da es zwar immer irgendwie thematisch da ist, aber nie richtig konkret wird.
Wenig Rennsport…
Kevin ist Teamleiter des NASCAR-Rennstalls „Bobby Spencer Racing“ und muss es mit Inhaber-Tochter Catherine aufnehmen, die alles radikal modernisieren möchte. Damit ist mehr oder weniger alles gesagt, was mit Autorennen wirklich zu tun hat. Wenn man es positiv dreht, ist „The Crew“ somit auch etwas für Leute, die dem Rennsport nicht wirklich etwas abgewinnen können. Wer Benzin im Blut hat, muss sich an vereinzelten Zwischensequenzen erfreuen, die echte NASCAR-Szenen zeigen, denn in der Serienstaffel selbst bekommt man nicht ein Mal ein sich wirklich bewegendes Rennauto zu sehen. Dass man da keine Crashs nachgebildet hat, ist nicht verwunderlich ob des dafür notwendigen Budgets, aber etwas mehr gefühlte Nähe hätte ich mir dann schon gewünscht. Aber hey, mit Cole Custer und Ryan Blaney waren immerhin zwei echte NASCAR-Rennfahrer kurz zu Gast (habe ich mir ergoogelt…) – natürlich im „Pit Stop“ Diner.
Für die Pilotfolge hatte ich bemängelt, dass selbst in der Werkstatt alles wie geleckt aussieht. Das bleibt größtenteils auch so, aber immerhin ist dann doch mal eine Schublade des Werkzeug-Schranks offen, Gummischlieren am Boden oder so sucht man dennoch vergeblich (selbst in den Außenszenen, wenn ich das recht in Erinnerung habe, was nun wirklich Blödsinn ist). Aber man muss der Produktion zugute halten, dass die Hintergrundbelebung in den Räumlichkeiten gut funktioniert. Zwar bleibt der wirklich aktive Cast leider doch stark konzentriert auf eine Hand voll Leute, aber fast immer sieht man andere im Hintergrund arbeiten. Das lässt den Eindruck erwecken, dass der Ort wirklich lebt, nicht etwa wie in einigen Staffeln „Suits“, wo die Kanzlei zwischendrin wie ausgestorben wirkte.
Mehr Drama als Comedy?
Genug zum inhaltlichen Aufhänger – „The Crew“ soll ja eine Comedy sein, ist die denn auch witzig? Jein. Wer „King of Queens“ liebte und „Kevin Can Wait“ mochte, dürfte den Humor in „The Crew“ zumindest nicht komplett bescheiden finden. Aber wer Haudrauf-Comedy sucht, ist hier fehl am Platz. Außerdem sind etliche Gags einfach im Setup zu vorhersehbar. Aber es gibt sie dann doch, die kleinen überraschenden Momente, die für Schmunzler sorgen und teilweise sogar (wenn auch mit angezogener Handbremse) etwas anzuecken wagen. Größtenteils ist Gary Anthony Williams in seiner Rolle als Mechaniker Chuck dafür zuständig, aber auch James weiß hin und wieder einen rauszuhauen. Da liegt dann niemand lachend am Boden, aber es ist zwischendrin deutlich besser als zum Auftakt. Aber immer, wenn man gerade denkt, dass es ja doch bergauf gehen könnte, kommt wieder etwas Plumpes daher, was einen erinnern lässt, dass „The Crew“ dann doch eher mittelmäßige Unterhaltung ist.
Löblich ist der Versuch, eine fortlaufende Geschichte zu erzählen. War „King of Queens“ (sorry für die vielen Vergleiche, aber „The Crew“ ist eben auch eine Kevin-James-zentrierte Serie) noch größtenteils eine Series-Serie, also eine, deren Geschichten meist nach einer (Doppel-)Folge in sich abgeschlossen waren, hatte „Kevin Can Wait“ bereits etwas mehr Serial-Charakter, also Entwicklungen, die sich über längere Bereiche fortgesetzt haben. „The Crew“ geht nochmal einen Schritt weiter und geht so komplett in den Dramedy-Bereich, stets auf die bisherigen Folgen und Entwicklungen aufbauend. Das funktioniert eigentlich auch ganz gut, wobei auch hier alles recht vorhersehbar bis plump aufgebaut wird.
Neu-Inhaberin Catherine wird beinahe utopisch naiv direkt in den Chefsessel befördert und ist als Figur einfach komplett überzeichnet. Ihr Bild als Ekel-Chefin, die niemand mag, wird wenig subtil von Folge zu Folge intensiviert. Dass alles auf eine denkbare Charakterentwicklung irgendwann später aufbaut, ist auch am Ende der Staffel bereits in Teilen zu sehen. Ne, das hätte man authentischer gestalten können, finde ich. Und auch die Beziehung zwischen Kevin und Beth entwickelt sich wenig überraschend, auch wenn das Staffelfinale zumindest ein bisschen was wagt, das gebe ich zu. Wo alles spätestens in ein, zwei weiteren Staffeln enden wird, dürfte aber auch den Jakes unter den Zuschauern recht schnell klar werden.
Insgesamt hat die Staffel dann doch im Vergleich zur ersten Folge etwas zulegen können, es bleibt aber bei „gut gewollt und nicht ganz so gut umgesetzt“. Ich möchte jetzt niemandem davon abraten, „The Crew“ anzuschauen, immerhin hält sie charmante Figuren, einige unterhaltsame Momente und viel gewohnte Kevin-James-Darbietung parat, aber das Niveau schwankt eben gewaltig und man muss über etliche kleinere und größere Inszenierungs-Schwächen hinwegsehen können. Dann ist „The Crew“ aber durchaus kurzweilig und weiß einige Stunden Langeweile auf charmante Art und Weise zu bekämpfen. Um einen Top10-Platz im Serienrennen zu ergattern, muss aber schon ein gehöriger Teil der Konkurrenz ausfallen.
Bilder: Netflix / Eric Liebowitz
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