Gestern war bei mir einer dieser Abende, an denen man irgendwie das Gefühl hat, das man den Abend mit etwas ganz Neuem verbringen sollte. Da ich aber wirklich keine Lust zum bügeln oder staubsaugen hatte, habe ich kurzerhand Netflix angemacht und das System begrüßte mich mit diversen Vorschlägen, was ich denn schauen könnte.
Irgendwann sah ich ein Thumbnail, bei dem mich der Schauspieler aus „Hung“ angrinste. Dann fiel mir sogar auf, dass ich über „The Expanse“ in meinem letzten DDWM berichtet hatte und schon war die Entscheidung gefallen, in den Piloten zu „The Expanse“ zumindest mal reinzuschauen. So schlimm kann es ja nicht werden.
Daraus wurden dann fünf Folgen. Und heute Abend dürften die restlichen Folgen der zehnteiligen ersten Staffel über den Bildschirm flimmern. Bin ich begeistert? Nein! Wurde ich sehr gut unterhalten? Ja, durchaus. Bin ich überhaupt prädestiniert, hier eine Meinung über eine SciFi Serie abzusondern? Nicht unbedingt. „Battlestar Galactica“ musste ich nach der ersten Staffel abbrechen, ich fand das ganze Setting einfach zu doof. Auch wenn ich in letzter Zeit immer wieder denke, dass ich da noch mal reinschauen sollte. Ansonsten bin ich ja eher im Drama und Crime Bereich zuhause.
Und genau das haben wir hier.
Eine Drama-Crime-SciFi-Soap-Guilty-Pleasure Serie bester Couleur. Und Politik haben wir auch noch.
Setting
Die Serie basiert auf der sehr erfolgreichen „The Expanse“ – Buchreihe und die erste Staffel auf dem Roman „Leviathan erwacht“. Hinter der Buchreihe verbergen sich Daniel Abraham und Ty Franck, die sich wiederum hinter dem Pseudonym James S. A. Corey verbergen.
„The Expanse“ spielt im 23. Jahrhundert. Die Menschheit hat weite Teile des uns bekannten Sonnensystems besiedelt, darunter den Mond und den Mars. Zudem existieren im Weltall verstreute Kolonien und Raumstationen. Auf der überbevölkerten Erde regieren die Vereinten Nationen, die auch den Mond und mehrere Stationen im Weltall kontrolliert. Politisch bestehen jedoch erhebliche Spannungen. Überall.
So hat der Mars vor längerer Zeit seine Unabhängigkeit von der Erde erstritten und verfügt über ein außerordentlich militärisches Potential, vor allem verfügen sie über die modernere Raumflotte. Die Erde bringt wiederum allein aufgrund seiner (menschlichen) Masse ein ähnlich großes Gegengewicht ein, so dass eine Pattsituation zwischen beiden „Systemen“ herrscht. Man spricht in der Serie von „kalten Krieg“.
Sowohl die Erde als auch der Mars sind allerdings dringend auf die Ressourcen aus dem Asteroidengürtel angewiesen. Abgebaut werden diese Ressourcen von sogenannten Beltern, die unter schwierigen Bedingungen ihre schwere Arbeit nachgehen müssen und von beiden Systemen ausgebeutet werden. Aufstände gab es immer wieder, doch wurden sie meist gewaltsam niedergeschlagen.
Aus dieser hochexplosiven Melange hat sich eine militante Widerstandsgruppe namens Outer Planets Alliance gebildet, die gegen die Erde und den Mars agiert. Die Eskalation des seit Jahren schwelenden Konflikts zwischen diesen drei Kräften scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Und genau hier steigen wir mit der Serie ein.
Handlungsebenen
Interessanterweise ist nicht nur das Buch, wie ich gelesen habe, sondern auch die Serie auf drei (noch) separate Erzählstränge und Handlungen aufgeteilt. In den Büchern werden jene Teile offenbar von der jeweiligen Hauptperson aus der Perspektive des Erzählers erzählt, in der Serie haben wir einfach drei unabhängige Handlungsebenen, zwischen denen die einzelnen Szenen in den Episoden springen. Unsere Hauptcharaktere wandeln zwar unabhängig voneinander durch die Staffel, ihre Geschichten werden aber bereits im Laufe der fünf Folgen immer weiter miteinander verbunden und dürften sich irgendwann einmal treffen, teilweise lösen sie bereits jetzt Ereignisse beim anderen aus.
Chrisjen Avasarala
Wir hätten da auf der Erde mit Chrisjen Avasarala eine hochrangige Vertreterin der Vereinten Nationen, die darum bemüht ist, durch Diplomatie und Analysen, die Gefahr eines großen Krieges zwischen der Erde und dem Mars möglichst zu minimieren. Sie scheint eine geachtete Persönlichkeit auf der Erde zu sein, mit der man aber nicht spielen sollte, da sie gewillt ist, immer als Siegerin vom Platze zu gehen.
Auch vor Folter macht sie nicht Halt, um festgesetzte Terroristen (also Mitglieder der Outer Planets Alliance) zu nützlichen Aussagen zu bewegen. Aber auch Freunde werden „ausgenutzt“, wenn auch auf sehr diplomatische Weise. So kann sie über eine vorsichtig angedeutete Aussage dem Botschafter des Mars auf der Erde gegenüber feststellen, dass der Mars nicht hinter dem Anschlag auf ein Versorgungsschiff steckt auch wenn dies die aktuell herrschende Meinung ist. Denn dieser meldet sich über verschlüsselte – aber natürlich entschlüsselte – Kommunikationswege bei seiner Behörde auf dem Mars und die daraus resultierenden Aktionen zeigen eindeutig, dass der Mars nicht hinter diesem Attentat steht.
Aber wer dann? Avasarala erkennt die große Gefahr, weiß aber noch nicht, wie sie damit umgehen soll.
James „Jim“ Holden
Die auf der Erde herrschende Meinung basiert auf einem kurzen aber eindeutigen Videoclip von Jim Holden, dem 2. Offizier des Versorgungsschiffes (Eisfrachter) Canterbury, der einem Hinterhalt aufgesessen war, was zur Zerstörung der Canterbury und der Vernichtung der gesamten Besatzung führte. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Holden und ein kleiner Teil seiner Besatzung auf einer vermeintlichen Rettungsaktion auf einem anderen Versorgungsschiff, welches Notsignale gesendet hatte. Aber sich dann als Hinterhalt herausstellte.
Holden und seine Besatzungsmitglieder werden nach einiger Zeit im All herumtreibend von einem Kriegsschiff der Marsianer, der Donnager, aufgenommen und von diesen verhört. Kurz bevor sie gefangen genommen wurden, konnte Holden das vermeintliche Aufklärungsvideo in die Galaxie verschicken, sozusagen als Lebensversicherung, da – falls die Marsianer nicht hinter dem Attentat steckten – sehr gewillt sein dürften, Holden und Co nichts anzutun. Denn ihr Interesse sollte darin liegen, dass Holden seine Aussage widerruft, um politische Konsequenzen zu vermeiden. Denn auch die Marsianer sind kaum an einem Krieg mit der Erde interessiert.
Während Holden und Co auf der Donnager befragt werden, wird dieses wiederum von einem unbekannten Raumkreuzer angegriffen. Dieser Angriff wird mit einer derartigen Heftigkeit vorgenommen, der Kapitän des marsianischen Kriegsschiffes muss sogar verwundert deren technische Überlegenheit anerkennen, dass sich die marsianische Besatzung entscheidet, das Schiff zu zerstören, um nicht in die Hände der Gegner zu fallen. Kurz vorher können aber Holden und Co mitsamt einem marsianischen Offizier entkommen. Und nicht nur das.
Holden konnte das geheimnisvolle Schiff identifizieren, sie waren es, die sie in den Hinterhalt gelockt und die Canterbury zerstört hatten. Nur wer sind „Die“? Und warum taten sie dies?
Detective Josephus „Joe“ Miller
Die Antwort wird wohl in einem großen und noch geheimen Plan der Outer Planets Alliance zu finden sein, wo wir nun abschließend bei Detective Joe Miller angelangt wären. Miller ist ein Angestellter einer Security Firma, die für die Sicherheit auf der Raumstation Ceres verantwortlich ist. Miller selbst ist ein ehemaliger Belter, die Firma ist terrestrisch, die Bevölkerung von Ceres ist multikulturell. Millers Markenzeichen ist der für das 23. Jahrhundert ungewöhnliche Hut sowie seine grds. sarkastische, negative aber im Grunde gleichgültige Lebenseinstellung.
Jener Miller erhält von seiner Chefin einen geheimen Spezialauftrag, er soll die Tochter eines reichen Geschäftsmannes finden, die seit einigen Tagen vermisst wird. Und Miller wühlt sich durch Ceres Unterwelt und findet ihre Spur. Diese Spur führt auf die Scopuli, jenes Schiff, welches menschenleer als Lockmittel diente und auf das Holden und Co reingefallen waren.
Und nun zu diplomatischen und gefährlichen Misstönen und gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen der Erde und dem Mars geführt haben. Zudem explodiert so langsam aber sicher die Stimmung auf Ceres und es kommt zu Demonstrationen und gewaltsamen Auseinandersetzungen, meist gegen anwesende Marsianer, bei denen auch Millers Partner schwer verletzt wird. Aber zurück zum Köder.
Denn mit der Scopuli beginnt auch die Serie. Wir sehen nämlich – nach fünf Folgen weiß man das – eben jene Tochter, die sich aus einer Zelle auf der Scopuli befreien kann aber dann doch überwältigt wird. Von Unbekannten. Aus einem uns bekannten Raumschiff.
Wie hängt nun Juliette, die Tochter aus reichem Hause, mit all dem zusammen? Ist sie Opfer oder Mitwisser? Denn durch die Ermittlungen durch Miller kommen Streitigkeiten zwischen Vater und Tochter zu Tage, die die Outer Planets Alliance und die Ausbeutung der Belter zum Inhalt haben. Ist Juliette eine Aktivistin der Alliance oder nur von deren grundlegenden und heeren Zielen überzeugt?
Und lebt sie überhaupt noch?
Meinung
Die nun seit Anfang November bei Netflix abrufbare SciFi Serie hat mich mehr als überrascht. Das Worldbuilding und die noch getrennte Erzählweise funktioniert bei mir 1a. „The Expanse“ ist von Anfang an recht unterhaltsam und beinhaltet spannende Actionszenen mit allerlei SciFi Lasergeballer (ok, eher so konventionelle Leuchtspurgeschosse) und Weltraumszenen explodierender Raumschiffe. Und das auf einem für eine Serie (diesen Satz wird man in Zukunft immer weniger oft schreiben müssen) sehr hohem grafischen CGI Niveau. Aber auch die Geschichte an sich weiß zu unterhalten.
Unsere Helden sind permanent gefordert, wirkliche Langeweile im Sinne von langatmigen Szenen konnte ich bisher daher kaum feststellen. Auch wenn wir jetzt nicht von einem Setting ins nächste Setting hoppen, haben unsere Figuren schon eine Menge zu tun. Man nimmt sich pro Handlungsebene in meinen Augen aber ausreichend Zeit. Natürlich kommt man nicht umhin, das Setting dieser Geschichte mit der Erde, dem Mars, den gebeutelten Beltlern und der dritten Kraft im hiesigen Sonnensystem, der Outer Planets Alliance, sehr schnell mit nur allzu gut bekannten Parallelen in unserer Zeit in Beziehung zu setzen (USA, Russland, Afrika, internationaler Terrorismus, Rassismus, Nationalismus), aber das ganze macht die Geschichte dieser Science Fiction nur umso realistischer.
Auch die inhaltliche Perspektive nach der ersten Hälfte der ersten Staffel lässt einem frohlockend in die Zukunft blicken. Die Story birgt noch so viel Potenzial, wenn mal dann die Jungs und Mädels von der Outer Planets Alliance richtig ins Geschehen eingreifen. Nur mit der Abkürzung OPA hat sich die Rebellengruppen in meinen Augen keinen Gefallen getan. Und wer weiß, vielleicht haben wir hier sogar einen ganz anderen Gegner als die Alliance, gegen die man sich später sogar untereinander verbünden muss. Die Welt, die in „The Expanse“ erzählt wird, endet zwar an den Grenzen unseres Sonnensystems – aber wer weiß, was sich um uns herum alles abspielt.
Was bei aller Freude etwas abfällt, sind die Dialoge und die Schauspieler, die nicht alle zu 100% überzeugen können. Manchmal driftet es schon ins soapige. Aber wer eine große Space Opera erzählen will – George Lucas wird es am besten wissen – der darf auch vor eher soapigen Einflüssen nicht zurückschrecken. Zudem sind die handelnden Personen schon recht stereotyp gezeichnet, vor allem die Crew um Holden, die schon arg an „Firefly“ erinnert. Was mir allerdings sehr gut gefällt, ist die Tatsache, dass die drei Protagonisten der ersten Hälfte und sehr wahrscheinlich auch der ganzen Serie, Chrisjen Avasarala, James „Jim“ Holden und Detective Josephus „Joe“ Miller vollkommen unterschiedlich in ihrer Charakterisierung sind. Avasarala ist die Analytikerin und Diplomatin, Holden der optimistische aber eher auf sein Bauchgefühl hörende Held und Miller der Mann mit dem realistischen Blick auf eine trübe Welt, sarkastisch und auch mal Grenzen überschreitend – für die gute Sache (hardboiled character).
Für hartgesottene SciFi Fans dürfte „The Expanse“ dann wiederum zu wenig SciFi beinhalten. Die technische Weiterentwicklung ist zwar schon zu erkennen, aber wer jetzt sein Heil eher bei Star Trek sucht und ohne Überschallgeschwindigkeit und dem teleportieren von Gegenständen und Menschen nicht leben kann, der wird hier eher weniger Spaß haben. So könnte man erwarten, dass Holden und Co durch einen Strahl ins Innere der Donnager gezogen werden, hier ist es aber ein althergebrachter mechanischer Kran. Auch das Problem der Schwerkraft und die Auswirkungen auf den menschlichen Körper sind noch nicht beseitigt. Zudem ist man immer noch abhängig von zu knappen Ressourcen und vor allem von Wasser. Probleme, die man als Trekkie und Co eher nicht kennt und in einer SciFi Serie auch nicht vermuten würde. Dafür haben sie coole Smartphones.
Für mich überzeugt vor allem das politische Setting in ferner Zukunft, da es sich dabei mehr auf das Drama und die Spannung konzentriert, denn auf die Tatsache, dass es sich hier auch um eine SciFi Serie handelt.
Die Serie bietet also tolle Spannung, abwechslungsreiche Settings und Locations, einen beachtenswerten Produktionsaufwand und ein grundsolides und dabei überraschend sympathisches Ensemble, eingebettet in ein nachvollziehbares Erzähluniversum. Möglicherweise gebe ich nach der ersten Staffel von „The Expanse“ dem großen geistigen Vorgänger „Battlestar Galactica“ nun wirklich noch mal eine Chance. Die Feiertage stehen ja schon wieder kurz vor der Tür.
Bilder: Netflix
Bin gerade erst bei der fünften Folge, aber bisher finde ich die Serie richtig klasse. Dabei habe ich die Bücher gelesen und war ziemlich skeptisch, einmal weil ich SyFy Serien meistens nicht viel abgewinnen kann und weil ich die (ersten drei) Bücher als sehr verworren in Erinnerung habe. Aber was hier auf die Beine gestellt wurde ist wirklich super, Hut ab!
Mir gefallen dabei gerade die untypischen Sci-Fi Elemente, Wasser und Sauerstoff fallen im Weltall nicht vom Himmel und auch im 23 Jahrhundert gibt es eine Schere zwischen Arm und Reich, Rassismus und säbelrasselnde Militärmächte. Auf so eine Idee wie „Schwerkraftfolter“ muss man erstmal kommen, aber es leuchtet natürlich sofort ein. Ich bin jetzt schon auf die nächste Staffel gespannt.
.. prima auch mal eine Meinung von einem Buchleser zu erfahren. Und ich gehe davon aus, dass dir die zweite Hälfte ebenfalls zusagen wird. Wie gesagt, ich hatte es schon lange nicht mehr, dass ich eine Staffel an zwei Abenden durchgeschaut habe.
Und das als jemand, der sich im SciFi nicht unbedingt zuhause fühlt.
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