Seit Freitag stehen die ersten sechs Episoden der ersten Staffel der neuen Netflix Serie „The Get Down“ zum Streaming parat und beinahe hätte ich mir die Staffel bzw. die Serie überhaupt nicht angetan. Zum einen war ich von „Vinyl“ eher weniger begeistert – ist ja eine ähnliche Zeit und Thematik – und zum anderen bin ich meiner eigenen Einstellung/Wahrnehmung/Vorurteilen auf den Leim gegangen. Im Trailer und den Vorberichten wurden erwähnt bzw. konnte man lesen, dass ein gewisser J.Smith die Hauptrolle des Ezekiel „Zeke“ Figuero spielt. Im Trailer selbst sah man dann ja auch einen J. Smith, nämlich den Sprössling von Will Smith. Und jenen Jaden kann ich – ich weiß nicht wirklich warum – einfach nicht ausstehen. Seine Mimik führt bei mir regelmäßig zu Zornesausbrüchen. So toll ich meistens seinen Vater finde, Sohn Jaden steckt bei mir ganz tief in der Schublade „unsympathisch, untalentiert, den richtigen Namen tragend“. Das ist sicherlich unfair aber ich bin auch nur ein Mensch. Vielleicht sogar ein ganz böser.
Aber die Hauptrolle wird von einem Justice Smith gespielt, nicht von Jaden. Gottseidank. Aber das ist eher ein persönliches Problem, daher weiter mit meiner Frau.
Meine Frau ist nämlich toll. Sie allein bestand gestern Abend nämlich da drauf zumindest mal in die erste Folge reinzuschauen. Ich versuchte zwar mit „Sachargumenten“ dagegen zu argumentieren, aber wir sahen dann doch die erste Folge. Und gleich auch noch die zweite Episode hinterher. Ihr seht also, wer bei uns die Hosen an hat bzw. die besseren Argumente auf seiner Seite. Und das zurecht.
Handlung
Die Serie „The Get Down“ soll nichts geringeres als die Geburtsstunde des Hip Hop zum Inhalt und im Mittelpunkt stehen haben, das hat sie auch, aber die Serie entpuppt sich in den ersten beiden Folgen auch als großes „Clash of Cultures“. Wir hätten da auf der einen Seite den Funk und die Discowelle der 70iger und eben als Abwendung von diesem fröhlichen Hin-und-Her Gehopste die Entstehung des Hip Hop mit auch mal eher kritischen, alarmistischen und vor allem auch harten Tönen. Und eben einem ganz anderen Verständnis von Musik. Denn die Zeiten sind alles andere als cool und fröhlich.
Weite Stadtteile New Yorks gleichen eher einem Kriegsgebiet als einer Wohnsiedlung in der man seine Kinder aufwachsen sehen will. Die Besitzer der Wohnhäuser lassen ihre Häuser lieber von den örtlichen Gangs abfackeln und kassieren die Versicherungssumme als ihr Einkommen durch Mieteinnahmen zu bestreiten. Aber auch hier gibt es Bestrebungen innerhalb der Viertel selbst, von Menschen, die den Kampf gegen die blinde Politik New Yorks aufnehmen wollen – im Gepäck viele, viele Wählerstimmen. Und vor allem unterschiedliche Interessen. So eine Thematik kommt in einer Dramaserie natürlich immer gut.
Und wir haben den typischen Bruch innerhalb einer Familie, zwischen den Generationen, zwischen Vater und Tochter. Er ist der Pfarrer der örtlichen Gemeinde und seine Tochter singt auch schön die Gemeindemitglieder in Trance, träumt aber von einer großen Gesangskarriere und einem eher weltlicheren Lebensstil.
Schlussendlich hätten wir auch noch eine klassische „will they – won´t they?“ Situation zwischen eben jener Tochter, Mylene, und einem unserer Hauptdarsteller, dem nicht untalentierten Wortakrobaten Ezekiel.
Wie wir sehen, die Serie hat ein ordentliches gesellschaftliches und historisches Explosionspotenzial. Während mir die erste Folge aber noch so vor kam wie ein vor Kreativität und Energie überstrotzendes Erstlingswerk einer Band, die in jedem Song zeigen will, wofür die Band einmal stehen soll und wird, ist die zweite Folge deutlich ruhiger und konzentriert sich auf die Singleauskopplungen und ihre Stärken: der Musik und den familiären und freundschaftlichen Bündnissen unter den Figuren. Und das sollte sie auch weiterhin tun, denn das waren mit Abstand die besten Szenen.
Die 36 Kammern des Grandmaster Flash
Shaolin Fantastic, eigentlich ein gefeierter Sprayer in New York, Träger von immer sauberen roten Sneakern und Teilzeitdrogendealer hat eine große Leidenschaft: die Musik, wie sie gerade von Männern wie Grandmaster Flash erfunden und geprägt wird. Er bewundert die Fähigkeiten des Grandmasters, wie er aus zwei Vinylplatten einen ganz eigenen Musikstil schaffen kann, um damit den MC bei seinem Sprechgesang mit seinem Beat zu unterstützen und die Menge zum Kochen zu bringen. Das will Shaolin auch. Ihm fehlt nur ein MC. Und den findet er in Ezekiel. Ezekiel ist ein Waise, der bei seiner Tante und deren Lebensgefährten wohnt. Ezekiel ist anders als seine Klassenkameraden, er denkt und spricht eher in Sprachbildern und weiß auch die Sprache für sich zu nutzen. Also genau richtig für einen angehenden MC.
Und so kommt es, dass Grandmaster Flash Shaolin und Ezekiel unter seine Fittiche nimmt um ihnen das 1×1 des Hip Hop beizubringen. Aber der Unterricht beginnt wie in einem alten Kung Fu Film nicht mit dem Plattenauflegen sondern mit der Magie eines Buntstiftes und steigern uns in der zweiten Episode zur Erkenntnis, dass die Zeit beherrscht werden will, wenn man ein guter DJ sein will. Denn ein DJ muss immer in die Zukunft denken und darf auf keinen Fall seinen „Get Down“ verpassen. Der „Get Down“ ist nämlich so etwas wie der Grundbeat, den der DJ seinem MC mit auf den Weg gibt, gemixt eben mit tollen Samples und Songstücken, die aber wiederum immer wieder zurück auf den „Get Down“ geführt werden muss. Damit der MC weiß, wie er wann seine Rhymes anzusetzen hat. Keine einfache Aufgabe für Shaolin Fantastic, der aber am Ende der zweiten Folge seinen ganz eigenen „Get Down“ findet und damit die Magie dieser Musik zum Leben erweckt.
Mit Shaolin Fantastic verbinde ich allerdings auch so etwas wie den Schwachpunkt der Serie. Denn die Serie nimmt sich und die Handlung in meinen Augen in manchen Szenen nicht wirklich ernst – was vollkommen ok ist, sie sollte es nur nicht übertreiben – meist bei Auftritten eben von Shaolin. Wenn Shaolin die Szenerie betritt tänzelt er eher ins Bild als dass er läuft oder geht. Sehr comichaft, sehr an alte Kung Fu Filme erinnernd. Aber noch okay.
Ist „The Get Down“ ein Musical?
In manchen Beiträgen zur Serie habe ich gelesen, dass – dies meint man meist kritisch – die Serie zu sehr Musical sei als Drama. Dem kann ich nicht zustimmen.
Wie sprach einst Heinz Rühmann:
„Also, wat is en Musical? Da stelle mehr uns janz dumm. Und da sage mer so: En Musical, dat is ene janz besondere un musikalische Möglichkejt, die Handlung zu jestalte, eben durch singen, net durch Dialoge. Wat ne Handlung is, dat krieje mer später.“
Natürlich spielt Musik eine große, große Rolle in der Serie und man hat eigentlich immer das Gefühl, dass die Serie ihrem eigenen Beat folgt, zumindest hatte ich das Gefühl, auch wenn gerade keine Musik lief, dass die Musik oder der Beat auch weiterhin durch die Szenerie waberte.
Aber die bisherigen Gesangseinlagen in den beiden Folgen sind auch wirklich Gesangseinlagen, keine eigentliche Fortführung der Handlung oder Verdeutlichung der Gefühlswelt des Protagonisten. Ich könnte mir aber gut vorstellen, wenn man die Serie im englischen Original schaut, dass einem dieser Musicalgedanke schon kommen kann. Denn manche Dialoge – ich denke da beispielsweise an das erste Aufeinandertreffen zwischen Zeke und Fantastic – waren schon sehr komisch betont im Deutschen und hörten sich eher nach einem Rhyme innerhalb eines Battleraps an. Da hätte die deutsche Synchronisation gefühlt passender umgesetzt werden sollen.
Fazit
Die ersten beiden Folgen von „The Get Down“ sind prall gefüllt wie die Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Eigentlich dürfte für fast jedem Serienfan etwas dabei sein. Wenn man den musikalischen Hintergrund der Serie mag.
Dieser prallgefüllte Präsentkorb, den Baz Luhrmann da geschnürrt hat, könnte sich aber auch als Problem herausstellen, wenn man beabsichtigt, jedem Schauplatz der Serie – Ezekiel/Shaolin vs. Mylene/Ezekiel vs. Mylene/Daddy vs. Shaolin/Kriminalität vs. sozioökonomische Umstrukturierung der Bronx – ihre Minuten und eigenständige Handlung zu belassen und zwischen den unterschiedlichen Schauplätzen hin und her zu schalten.
Für mich hatte die Serie bisher ihre stärksten Momente wenn es um die Musik ging oder um Mylenes Träume einer Karriere als Sängerin. Wenn man die Bilder und die Szenerie für sich selbst sprechen ließ. Wenn man sich dem Gefühl der Serie hingeben konnte. Und ja, einige CGI Animationen waren schon ein bisschen grenzwertig. Aber das lenkt nicht wirklich ab, wie ich finde.
Die Liebelei zwischen Mylene und Ezekiel scheint mir dahingehend eher als reines Hindernis in die Serie eingebaut zu sein, welches beide an ihrer eigentlichen Bestimmung zweifeln lassen soll als dass wir hier wirklich eine Love Story erwarten dürfen. Was ich ein wenig schade finde. Ich bin und bleibe eben ein Romantiker.
Allerdings fand ich auch nicht, dass die Chemie zwischen beiden Darstellern wirklich zu 100% stimmt, ich habe da kein Feuer, keine Spannung zwischen beiden gesehen.
Feuer und Flamme bin ich aber weiterhin für die restlichen vier Folgen der ersten Hälfte der ersten Staffel. Der Rest der ersten Staffel kommt ja erst in 2017. Auch mal ein interessanter Move.
Noch ein Wort zu Jaden Smith: er störte (bisher) nicht. Das werde ich positiv in seinem Aufgabenheft vermerken.
Bilder: Netflix
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