Endlich ist sie da, die Serien-Adaption zum Videospiel „The Last of Us“. In der Nacht zu gestern lief die Pilotfolge in den USA auf HBO an, hierzulande kann man die Episode bereits über Sky bzw. WOW anschauen. Ich habe genau das getan und kann euch schon mal sagen, dass der Ersteindruck die Hoffnungen erfüllen kann, dass wir es hier mit dem ersten großen Serien-Highlight des Jahres 2023 zu tun haben dürften. Zumindest für jemanden, der die Spielevorlage noch immer nicht gespielt hat (jaja, ich weiß… „Shame!“).
Die Trailer sahen bereits vielversprechend aus und vor allem Pedro Pascal hat sich in der jüngeren Vergangenheit ordentliche TV-Sporen verdient, so dass man sich ihn neben Bella Ramsey in den Hauptrollen gut vorstellen konnte (auch wenn sich nach diesem Konzept-Trailer etliche Leute Nikolaj Coster-Waldau als Joel gewünscht hatten). Beide machen einen guten Job, auch wenn sich das Duo erst noch richtig finden muss, aber der Reihe nach.
Pilzbefall
Beim Prolog werden wir durch Josh Brener als Talkshow-Host überrascht. Etwas seltsame Wahl, aber vielleicht soll das in der Szene nur unterstreichen, wie wenig ernst Wissenschaftler:innen mitunter genommen werden. Einer referiert über die Möglichkeit eines Pilzes, der sich Menschen zu Marionetten macht und uns den Untergang bringen könnte, da es quasi eine Lösung gegen ihn gäbe. Entgegen ähnlicher Produktionen, in denen es um Zombie-Apokalypsen geht, bekommen wir direkt eine Erklärung geliefert – auch mal erfrischend anders!
Wieso ich Zombies erwähne? Nun, grundsätzlich verhalten die von Pilzsporen befallenen und gesteuerten Menschen sich ähnlich zu den wandelnden Untoten. Ja, Überraschung, das gezeichnete Szenario tritt wirklich ein… Jedenfalls sind die einstigen menschlichen Wesen nicht mehr da, nur noch der Körper „lebt“ und ist auf der Suche nach weiteren Wirten. Tatsächlich gibt es ja immer wieder wissenschaftliche Artikel darüber, dass Zombies wirklich existieren könnten und es sogar im kleinen Rahmen bei z.B. Insekten tun. Eigentlich immer mit dabei: Pilze. Man könnte also sagen, „The Last of Us“ ist so etwas wie eine wissenschaftliche korrektere Zombie-Apokalypse.
Wo wir bereits Nikolaj Coster-Waldau und Bella Ramsey hatten: Das Intro erinnert mich zu Teilen auch irgendwie an „Game of Thrones“…
Familiäre Chemie
Der eigentliche Auftakt zur richtigen Handlung hat mir sehr gut gefallen. 2003 ist die Welt noch im Lot – Mobiltelefone, die was aushalten, die aufkommende Indie-Rock-Welle und niemand ahnt was von der nächsten Pandemie. Hach, unbeschwerte Zeiten!
Die Einführung von Joel als liebevollen Vater einer Tochter ist meiner Meinung nach sehr gelungen. Das liegt aber auch an Nico Parker, die eine wunderbare Sarah spielt. Dass der Fokus zunächst vor allem auf ihr liegt, ist smart gemacht, bekommen wir so nicht nur zu sehen, was Joel verliert, sondern können als Publikum auch bereits erstaunlich schnell eine emotionale Bindung aufbauen und so ihren späteren Tod mitfühlen. Hinzu kommt, dass die Chemie zwischen den beiden blendend ist und das gegenseitige Aufziehen zu Auflockerung führt.
„How old are you again?“ – „36.“ – „Gonna have to wear a diaper soon.“ – „Who says I don‘t do already?!“ (Sarah & Joel)
In dieser Phase schafft man es sehr gut, die Spannung nach und nach zu intensivieren. Erste Nachrichtendurchsagen und Polizeiautos werden rar gesät, dann bekommen wir die ältere Nachbarsdame unscharf im Hintergrund krampfen zu sehen und auch der Hund spürt, dass da was faul ist. So richtig intensiviert sich dann alles in der Nacht, wo wir gemeinsam mit Sarah erfahren, dass die Welt schlagartig eine andere geworden ist. Hier hat mir vor allem der Einsatz von Geräuschen und das langsame Tempo gefallen, mit dem man in die dichte Atmosphäre gezogen wird.
Das folgende Chaos wurde gut inszeniert. Vor allem die Mitfahrt im Auto fühlt sich wirklich wie eine interaktive Sequenz in einem Videospiel an. Und Joel wird als jemand gezeigt, der direkt in den Survival Mode übergeht und schnelle, drastische Entscheidungen trifft – 1A-Charakterzeichnung für so einen Auftkat.
20 Jahre später
Mittlerweile ist Joel von Austin nach Boston gelangt, etwas angegraut, macht Drecksjobs und, handelt mit Drogen und plant einen Ausbruch aus der Quarantänezone, um Freund Tommy zu suchen. Die wurde gekonnt durch die Ankunft eines Jungen eingeführt, wobei noch nicht ganz klar ist, ob dieser noch eine Rolle spielen wird (UPDATE: Ich scheine nicht gut genug aufgepasst zu haben, vermutlich nicht mehr…). Binnen weniger Minuten wird uns aber aufgezeigt, wie sehr sich alles geändert hat und worauf es ankommt. Infektions-Poster erinnern an alte Coronavirus-Zeiten (die zum Glück nicht ganz so drastisch ausfielen…), es gibt lauter amputierte Leute und Essensrationskarten sind die neue Währung.
„I need the bag back.“ (Joel)
Und dann wäre da noch diese „Darkness vs. Light“-Geschichte. Ein Militärregime und eine Rebellion, die sich dagegenstellt. Alles schon gesehen – ob nun in „Star Wars“ oder den realen Weltnachrichten. Entsprechend kann man sich der Dynamiken bewusst sein und leider auch, dass solche Konstellationen alles andere als fiktiv sind.
Erst in der zweiten Hälfte der Folge bekommen wir Ellie zu sehen, die seit mehreren Tagen in Gewahrsam ist. Wie sich herausstellet, ist sie von großer Bedeutung – wieso konkret, wurde noch nicht gesagt, aber sie scheint eine gewisse Immunität zu besitzen, wurde sie doch bereits vor drei Wochen gebissen und wie wir von dem Infektionsplakat wissen, dürfte es maximal 24 Stunden dauern, bis sie zum Pilzombie wird.
„One. Two. Three. Four. Five. Six. Seven. Eight. Fuck. You.“ (Ellie)
Ellies Einführung als taffer Charakter hat mir ebenso gefallen. Schnell wird klar, welche Parallelen sie zur verstorbenen Sarah aufweist. Die etwa im gleichen Alter seiende Ellie ist ähnlich schlagfertig und clever, weshalb sie Joel nicht nur an seine Tochter erinnert, sondern gar ihren Platz als eine Art Ersatztochter einnehmen könnte. Dabei hätte ihre erste Begegnung kaum ungünstiger ausfallen können, haben sie sich doch gegenseitig direkt mal bedroht.
„The hell am I doing!“
„I‘m not going with them!“
(Joel & Ellie gleichzeitig)
Die Szene in dem Flur empfand ich allgemein als sehr stimmig. Die Spannung war da, wenn auch nicht überzeichnet, die Konstellation mit alle den Leichen hat für Orientierungsnot gesorgt und die Dialoge waren on-point. Vor allem das „Besprecht es, aber denkt dran, dass ich gerade ausblute“ sowie der „Wirklich, SO schnell?!“-Moment haben mir sehr gefallen.
Insgesamt hat man es gut geschafft, die Motivationen der Figuren derart auszurichten, dass es einleuchtend erscheint, wie die Konstellation an Personen zusammengekommen ist. Vielleicht lief das etwas schnell ab, aber so ist es mir lieber, als die Folge nochmal um 15 Minuten zu strecken. Wobei man auch festhalten darf, dass die 77 Minuten sich sehr kurzweilig angefühlt haben und ich gerne direkt eine zweite Folge gesehen hätte.
Und am Ende setzt es mit „Never Let Me Down Again“ von Depeche Mode sogar noch eine Moral der Geschichte: 80er-Jahre-Musik ist immer ein schlechtes Zeichen!
Das war richtig gut! Und das sogar ohne den Videospiel-Vergleich, der einige nostalgische Momente bereitgehalten haben dürfte. Jetzt habe ich noch mehr Bock, das Spiel zu spielen und zu schauen, wie vieles identisch vom Aufbau und was anders ist. So ein Vergleich kann natürlich auch negative Konsequenzen mit sich ziehen. Aber wie es im großen bisherigen Tenor scheint, hat „The Last of Us“ es geschafft, den schwierigen Spagat zu meistern und viele Leute glücklich zu machen.
Als (noch) reiner Betrachter der Serie an sich empfand ich die Inszenierung jedenfalls sehr gelungen. Man hat sowohl die Welt an sich mit seinen Besonderheiten sowie bösen Figuren gezeichnet, als auch die Charaktere gelungen eingeführt. Es ist klar, wieso wer was machen möchte und wie zu wem steht. Die Cinematography hält einige schöne Aufnahmen bereit, auch wenn ich mir da außerhalb der Quarantänezone noch einiges mehr erhoffe. Das Pacing war jedenfalls nahe an perfekt und allgemein gibt es nur sehr wenig an dieser Folge auszusetzen. Ich freue mich auf den Rest der Staffel! Vermutlich wird es danach ein abschließendes Staffelreview hier im Blog geben.
Weil ich durch die fehlende Spiele-Erfahrung (Fungus-Asche auf mein Haupt!) keine adäquate Einschätzung bzgl. der Vorlage abliefern kann, möchte ich abschließend noch ein Video von Raketenbohne Simon anhängen, der recht glücklich über die Adaption zu sein scheint:
Bilder: HBO
Kleine korrektur, der kleine Junge (oder Mädchen) der 2023 auf Boston zuläuft, erhält kurz nach dem positiven Ergebnis die Todesspritze und landen wenige Momente später tot im Truck und wird von Joel ins Feuer geworfen.
Mist, das scheint mir entgangen zu sein – danke für die Berichtigung!
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