Nie hat die Einteilung einer Serie in die Kategorie „Comedy“ besser gepasst, als bei „The Marvelous Mrs. Maisel“. Nicht etwa, weil sie die lustigste Serie aller Zeiten wäre, sondern, weil es um Comedy geht. Nach der von Kira bereits besprochenen sehr verheißungsvollen Pilotfolge im April hat Amazon Prime Video zum Monatswechsel endlich die weiteren Episoden der ersten Staffel bereitgestellt. „Endlich“, weil ich von der ersten Folge so begeistert war, dass ich unbedingt mehr sehen wollte. Und soviel vorweg: Ich wurde nicht enttäuscht!
Darum geht es
Die Zusammenfassung ist eigentlich so simpel wie unspekatkulär, siehe die von IMDb:
„A housewife in the 1950s decides to become a stand-up comic.“
Aber wie der Trailer bereits zu veraunschaulichen vermag, steckt da eine deutlich ausgefeiltere Mischung hinter. Miriam „Midge“ Maisel (Rachel Brosnahan) ist eine Vorzeige-Ehefrau und Mutter der 50er Jahre. Sie steht morgens etwas früher auf, damit ihr Ehemann sie morgens stets geschminkt zu sehen bekommt, geht zum wöchentlichen Fitness-Programm, damit sich ihre täglich gemessenen Körperumfänge nicht verändern und weiß ihre wohlhabenden Eltern Stolz zu machen, indem… nunja – sie eine gute Frau und Mutter ist. Nach der überraschenden Trennung von ihrem Mann Joel (Michael Zegen) gerät sie aus Versehen in ein neues Hobby, das eigentlich sein unerfüllter Traum war: Stand-up. Aus einem alkoholbedingten Rant entwickelt sich so etwas wie eine Passion mit Perspektive, die nicht nur Midges Art und Leben verändert, sondern auch das ihrer Familie und Freunde.
Humor
Natürlich müssen wir über den Humor der Serie reden. Der ist da, wohlportioniert, smart und durchdacht.
Man braucht keine Angst davor zu haben, nur endlose Stand-up-Auftritte zu sehen zu bekommen. Natürlich gibt es diese Momente, sie werden aber bedacht eingeworfen und drohen nie in ihrer Länge oder Redundanz zu langweilen. Auch, weil der Schnitt der Serie stets originell und abwechslungsreich bleibt, ohne aus dem eigenen Stilregister zu fallen. Die Humoristik reicht dabei von leichtem Slapstick bis zu hochkultureller Gesellschaftssatire. Mal bewusst und direkt, mal unbewusst und subtil. Ich musste jedenfalls des Häufigeren schmunzeln und auch einige Male laut auflachen, was bei mir schon was heißt. Dabei ist „Mrs. Maisel“ keineswegs als Sitcom oder dergleichen, sondern als modernes „Dramedy“-Format anzusehen. Und das, obwohl das Setting ja so gar nicht modern ist.
Schön inszeniert
Die Handlung spielt im Jahr 1958, was uns u.a. durch schöne Kleidung, alte Autos und die Präsenz von Fahrstuhlführern deutlich gemacht wird. Allgemein wird der Zeitgeist auf sehr schöne Weise eingefangen. Dabei fühlt sich das Setting – so schön und adequat es eigentlich adaptiert wurde – oftmals gar nicht so alt an. Durch die recht zeitlose Story und moderne Storyführung bleibt die Erzählung frisch und man vergisst teilweise, dass man eigentlich 60 Jahre in der Zukunft lebt. Und dann wird man beim Anblick eines Uralt-Fernsehers, traumhaften Plattenläden oder heutzutage (leider nur größtenteils) undenkbar untoleranten Bemerkungen gegenüber Minderheiten und Frauen wieder in die Vergangenheit versetzt.
Visuell ist „Mrs. Maisel“ unaufgeregt schön umgesetzt. Es gibt keine wilden Schnitt-Experimente und Kamerafahrten zu sehen, eher traditionelles aber pointiertes und in sehr hoher Qualität umgesetztes Fernsehen. Eine wechselwirkende Einstellung habe ich gegenüber der offenkundig choreografierten Sequenzen von belebten Szenerien. Auf der einen Seite gefällt mir die Grazie und Eleganz mit der einige Statistengruppen perfekt getimed durch das Bild wirbeln, auf der anderen Seite wirkt es eben manchmal wie eine Aufführung, die verkünstelt versucht, ein perfektes Abbild von Zeit und Bewegung zu zeigen. Das fällt vor allem auf, weil der Rest der Serie so ungemein authentisch wirkt.
Authentizität und tolles Schauspiel
Hier gilt mein Lob vor allem dem Casting bzw. der ungemein guten darstellerischen Leistung des Casts. Und das gilt im Grunde genommen vollumfassend. Rachel Brosnahan überzieht zwar gelegentlich ihre Mimik und wirkt in ihren Dialogen teils zu drängend und übertreibend, insgesamt bekommen wir aber eine ungemein starke Performance zu sehen, die schnell vergessen lässt, dass Brosnahan z.B. als Rachel Posner in „House of Cards“ gespielt hat. Die kleinen Mängel dürften an Showrunnerin Amy Sherman-Palladino liegen, die auch für „Gilmore Girls“ verantwortlich war – daher auch die recht durchgescripteten und schnellen Dialoge, die jedoch größtenteils die schmale Linie zwischen realistischer Schlagfertigkeit und utopisch schnell bedachten Äußerungen zu wahren wissen.
Natürlich muss DIE Hauptfigur in einer derart personenzentrierten Serie funktionieren, aber der richtig starke Trumpf liegt in den Nebenfiguren, die allesamt lebendig und gehaltvoll wirken (außer, sie sollen eben flache Stereotypen darstellen). Dabei haben mir die Eltern Midges am meisten imponiert, die als wohlhabende Elite der Zeit mit eher unterschichtigen Neuausrichtung ihrer Tochter zurecht kommen müssen. Vor allem Tony Shalhoub, den die meisten noch aus „Monk“ kennen dürften, überzeugt in seiner Rolle als verschroben-überordentlicher Mathematikprofessor und Vater Abe Weissman. Aber auch Figuren wie die nach und nach auftauende und toughe Susie, der zwischen humorvoller Gatte und ungeduldige Hitzkopf Joel oder die gefolgsame und doch alles beobachtende Hausdame Zelda wissen ihr Salz mit in die Suppe zu streuen.
Insgesamt war das verdammt gute Unterhaltung, die die Mischung aus Comedy und Drama auf selten gelungene Art und Weise zu präsentieren wusste. Dabei werden die Hochs und Tiefs der Geschichte realistisch erzählt und man weiß sich nie in einem Status Quo zu langweilen, da stets Veränderungen bevorstehen, die neue Dynamiken mitbringen. Natürlich ist die Staffel nicht perfekt – alleine schon, weil acht Episoden VIEL zu wenig sind – aber für ein neues Format ist das schon bewundernswert nah dran. Immerhin vergebe ich hier das gleiche Rating wie bei der 3. Staffel Mr. Robot, obwohl die beiden Formate verschiedener kaum sein könnten (und ich echt sparsam mit derart hohen Wertungen bin, wie ihr wisst).
Ich empfehle jedenfalls jedem, „The Marvelous Mrs. Maisel“ anzuschauen, der persönliche Geschichten mit Retro-Charme, intelligentem Humor und gutem Schauspiel zu schätzen weiß, auch wenn es keine großen Explosionen, Twists und Sensationen zu sehen gibt. Die braucht es nämlich gar nicht, wenn die Geschichte einfach nur gut und vor allem gut inszeniert ist.
Die zweite Staffel wurde zum Glück direkt nach dem erfolgreichsten Piloten der bisherigen Amazon Prime Video-Zeit (Durchschnitts-Bewertung von 4,9) geordert, so dass wir hoffentlich nicht allzu lange auf neues Material warten müssen.
UPDATE: Amazon Prime hat die komplette Pilotfolge auch bei YouTube zum Stream hochgeladen.
Bilder: Amazon Prime Video
Eine wunderbare Serie. Danke für den Review. Danach musste ich sie ausprobieren und bin begeistert.
Sehr liebevoll umgesetzt! Und noch ein wichtiger Fakt (vielleicht habe ich ihn überlesen). Die Macher von den Gilmore Girls stehen dahinter und das merkt man sehr… Die Dialoge und eine Frau, die selbständig durchs Leben geht… Das können sie einfach.
Es ist eine wundervolle Welt, in die man gerne reist. Wirklich eine bezaubernde und lustige Serie. Vor allem zur Weihnachtszeit!
Also vielen Dank für den Serientipp! Und an alle, die es nicht gesehen haben… Schaut rein!
Schön, dass du so begeistert bist wie ich. Aber ja, das hast du überlesen, auch wenn ich es etwas anders ausgelegt habe… ;)
„Die kleinen Mängel dürften an Showrunnerin Amy Sherman-Palladino liegen, die auch für ‚Gilmore Girls‘ verantwortlich war – daher auch die recht durchgescripteten und schnellen Dialoge, die jedoch größtenteils die schmale Linie zwischen realistischer Schlagfertigkeit und utopisch schnell bedachten Äußerungen zu wahren wissen.“
Meine selektive Wahrnehmung funktioniert doch fantastisch. Ich lese eben nur das, was ich lesen möchte… :D
Und interessant – die Mängel finde ich gerade gut. Aber als langjähriger Gilmore Girls Fan geht das wohl auch nicht anders. Da bin ich voreingenommen! ;)
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