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Das vierte Messer

Review: The Night of S01E07 – Ordinary Death

17. November 2016, 08:25 Uhr
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Ein Auf und Ab der Gefühle: Er war es, er war es nicht. Die Beweise sprechen für ihn, gegen ihn. Hier kennt keiner die Wahrheit. Weiß überhaupt jemand etwas, das ihm ein anderer nicht vorgelogen hat?

„What we have here is the same scenario as Andrea Cornish.“ – Box

Box befindet sich an einem Tatort. Das Opfer: auf brutale Weise erstochen – wie Andrea Cornish. Das ist die Wende im ganzen Fall! Glauben wir zunächst. Aber nichts da. Der mehr als interessante Fakt, dass sich die beiden Morde extrem ähnlich sind, fällt unter den Tisch. In dieser Episode. Und damit im Gerichtsprozess.

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Wo Familie Khan von Beginn an am eigenen Leib spüren musste, was es bedeutet, wenn der eigene Sohn des Mordes beschuldigt wird und sein Bild Tag für Tag in den Medien auftaucht, bekommen sie mittlerweile die volle Dröhnung ab. Pakistanische Taxifahrer werden in ihren Taxis überfallen und zusammengeschlagen, muslimische Hasstiraden und Hakenkreuze finden sich auf den Häuserfassaden der Nachbarschaft, sie müssen aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten ihr Hab und Gut verkaufen. Zweifel von Freunden an der Erziehung des Frauenmörders, Zweifel an der eigenen Erziehung. Während Safar Khan den Gerichtssaal mitten in der Vernehmung verlassen muss, weil sie sich selbst fragt, ob sie ein Tier großgezogen hat, das zu solch abartigen Taten imstande ist, lässt Salim Khan sich von seinen Geschäftspartnern in einen schlechten Deal zwingen. Aber bei diesen Worten hätte vermutlich auch kaum jemand anders reagiert als die Zusammenarbeit aufzulösen.

„You’re thieves. I don’t do business with thieves.“ – Salim Khan
„You are the father of a killer.“ – ab diesem Zeitpunkt ehemaliger Kollege

Harte Worte. Der Prozess schreitet voran. Zeugen tätigen ihre Aussagen, Experten geben ihre Einschätzungen ab – mal ihre ehrlichen, mal die auswendig gelernten. Mal sieht es gut aus für Naz, mal gibt es auch für den befangenen Zuschauer keine Alternative mehr, als sich einzugestehen, dass der einst so unschuldig wirkende, schüchterne Student immer mehr aus dem Mann weicht, der im Gefängnis sitzt – oder hat er eigentlich nie in der Art existiert, wie wir ihn uns gemalt haben?

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So wie sich herausstellt, hat Naz in seiner Schullaufbahn nämlich nicht nur einen Mitschüler schwer verletzt, sondern zwei. Darauf waren weder wir noch Stone und Chandra vorbereitet. Ihr bleibt in der Vernehmung das Wort beinahe im Hals stecken. Dabei glaubt sie doch am meisten an ihn. Das zeigt sie Naz noch auf deutliche Art und Weise. Echt nicht euer Ernst.

Außerhalb des Prozesses folgt John Stone weiterhin den Spuren von Andreas Stiefvater Don Taylor. Der hat bereits so einige gut betuchte Frauen geschieden und das dicke Geld eingesackt. Und auch an der nächsten ist er wieder dran. Stone riskiert einiges, spricht mit Taylors Ex-Frauen, folgt ihm zu Verabredungen, macht Fitness in dem Sportstudio, in dem Taylor Personal Trainer ist. Schnell bekommt er zu spüren, dass mit diesem Mann nicht zu spaßen ist – inklusive schöner visueller Überleitung zwischen der Hantelsituation und dem Gefängnisgeländer. Und dann wäre da noch die Katze, die ihn fertig macht. Befreit von seinen Ekzemen, endlich wieder die geschlossenen Schuhe an den Füßen spürend, muss Stone akzeptieren, dass er Andreas aufgenommene und vor dem Tod bewahrte Katze aufgrund seiner Allergie nicht länger beherbergen kann. Das wäre dann doch ein schönes Geschenk für seinen pubertierenden Sohn. Sehr passend dazu: die Winkekatze in einem Schaufenster. Ciao Kitty. Loved it!

„I’m at the copy place. Living la vida loca of a high-priced attorney.“ – Stone

Stones Einsamkeit wirkt sich aber nicht auf seine Ermittlungsfähigkeiten aus. So steht er skurriler Weise in einem Copyshop, die Fotos des Tatortes und Mordopfers schön ausgebreitet, als ihm eine Kleinigkeit auffällt, auf die er sich keinen Reim machen kann. Und kurzerhand muss er Detective Box ein zweites Mal zum gerichtlichen Prozess vorladen. Der ist zwar mittlerweile nach 33 Jahren Amtszeit in Rente gegangen (hatte er nicht grad noch einen neuen Fall bekommen?), muss sich aber dennoch dafür rechtfertigen, einen Gegenstand vom Tatort entfernt zu haben. Ein Eingeständnis, dass er nicht an Naz‘ Schuld glaubt? Box überkommen Zweifel, den Fall nicht gut genug untersucht zu haben.

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Die Verhandlung ist spannend. Wir wechseln in unserer Meinung zu Naz mit der Vorlage der Indizien. Naz hat in der Vergangenheit ein lukratives Geschäft mit dem Verkauf von Drogen an Kommilitonen gemacht. Spricht nicht unbedingt für ihn. Die Hintertür von Andrea Cornishs Wohnung lässt sich seit Jahren nicht mehr richtig schließen. Spricht dafür, dass ein potenzieller Mörder in das Haus eindringen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Und dann wäre da noch die Tatsache, dass das Messer, das angeblich die Tatwaffe darstellt, aus einem Vierer-Set stammt. Die vermeintliche Tatwaffe im Gerichtssaal und zwei Messer in Andreas Wohnung führen zu dem Schluss, dass das letzte Messer entweder verloren gegangen, weggeschmissen, verschenkt wurde – oder aber, dass sich die wahrhaftige Tatwaffe mit dem wahrhaftigen Mörder vom Tatort entfernt hat.

Ob wir überhaupt erfahren werden, wer der wirkliche Mörder in diesem Fall ist, ist fast zu bezweifeln.

„Ordinary Death“ ist nicht nur die Bezeichnung des Kästchens, das Box in seinem Polizei-Pensionskassen-Formular ankreuzt, sondern die Antwort, die wir vermutlich alle wählen würden, wenn wir über unser eigenes Abtreten nachdenken. Schön an dieser Episode ist, wie wir die mehr oder weniger eindeutige Beweislage wieder einmal mit Rückblicken auf die Tatnacht gepaart vor Augen geführt bekommen. Dem sympathischen, ältlichen und berühmten Pathologen Dr. Katz verfallen wir recht schnell, scheint er doch einer der wenigen zu sein, der seine Arbeit gut macht und der seine geprüften Erkenntnisse zum Fall glaub- und standhaft rüberbringen kann. Nur Blendung?

Doch ist Naz es eigentlich noch wert, gerettet zu werden? Nach den ersten Episoden hätten wir laut „ja!“ gerufen, ihn verteidigt, ihm den Mord nicht zugetraut. Und nun sind wir an dem Punkt angekommen, der uns unsere Einschätzung noch einmal überdenken lässt. Denn nun können wir nicht mehr richtig unterscheiden zwischen den Dingen, die Naz getan hat, denen, die er aktuell tut und denen, die er angeblich in der Mordnacht begangen hat. Und sein Pokerface trägt nicht grad dazu bei, dass man seine Sympathie für ihn aufrecht erhalten kann.

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Was haben wir also nun? Einen gewissen Duane Reade, der Naz in der Tatnacht bereits böse angeguckt hat (Motiv!), Don Tayor, der an das Geld von Andreas Mutter bzw. schließlich Andrea selbst wollte (Motiv!), diverse Möglichkeiten, ohne große Bemühungen nachts in das Cornish-Haus einzudringen (Entlastung für Naz!), ein fehlendes Messer (eigentlich nichts, aber es fühlt sich wie ein Vorteil für Naz an!) und einen freilaufenden Mörder, der ähnlich vorgeht, wie Andrea Cornishs Mörder (ebenfalls Entlastung für Naz!). Und dann haben wir da noch den Angeklagten, der sich durch seine Taten gerade selbst ins Aus schießt.

In einer Welt voller Rassismus, Korruption und Vorurteilen – können wir da unserer eigenen Urteilskraft überhaupt noch trauen?

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Donnerstag, 17. November 2016, 08:25 Uhr
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