Nach dem starken Auftakt von „The Old Man“ letzte Woche bei Disney+ war ich gespannt, ob die weiteren Folgen der Serie das hohe Niveau würden halten können. Immerhin hatte die Pilotfolge mit dem gemächlichen Start, der Verfolgung und dem Kampf jede Menge Abwechslung zu bieten, dazu Dramaturgie, Inszenierung und Erzählung auf höchstem Niveau. Nach zwei weiteren Folgen kann man sagen: „The Old Man“ bleibt ein Highlight des Serienjahres 2022!
Die Autoren Jonathan E. Steinberg und Robert Levine erzählen die Geschichte um Dan Chase weiter – erweitert um eine Erzählebene in der Vergangenheit, durch die wir etwas mehr Licht ins Dunkel der aktuellen Jetzt-Handlung bekommen. Dan Chase war vor mehr als 30 Jahren als Johnny Kohler für die CIA in Afghanistan unterwegs, bis er sich entschied, den Kampf gegen die Sowjetunion auch dann noch weiterzuführen, nachdem die USA sich offiziell zurückgezogen hatten. Sein Kontaktmann in Kabul blieb – Harold Harper, der mit Johnnys Kampf so gar nicht einverstanden war.
In der Jetzt-Zeit flüchtet Dan Chase weiter und besorgt sich erst einmal eine neue Unterkunft. Ich hatte das kleine Häuschen für eine Art Safehouse gehalten, dass er sich für solche Momente angelegt hatte. Aber offensichtlich zieht er dort nur zur Übergangsmiete ein, denn kurz nach dem Eintreffen taucht Vermieterin Zoe McDonald auf, die ein gewisses Problem mit Chase‘ Hunden hat. Da ist sie nicht die Einzige, wie wir wissen, aber für sie geht’s erstmal ohne Probleme weiter. Denn Chase überzeugt Zoe, dass er erstmal bleiben kann.
Gegenüber Zoe kann Chase seinen ganzen Charme ausspielen – ein Parademoment für Jeff Bridges, der Chase weiter großartig spielt. Aber: Auch Amy Brenneman als Zoe steht ihm in nichts nach. Höhepunkt ist definitiv das Dinner der beiden im Restaurant: Ein Moment auf höchstem Niveau aus darstellerischer Sicht, aber auch in Sachen Dialogentwicklung, Kameraführung und Inszenierung. Klasse, wie Jonathan E. Steinberg und Robert Levine Zoe erzählen lassen, wie ihre Beziehung scheitern konnte. Sie macht’s erst kurz, nimmt dann aber nochmal einen Anlauf und erzählt es aus einer ganz anderen Perspektive, fast so, als hätte sich ihr Mann einfach von ihr abwenden müssen, weil sie ihm nicht das erfüllen konnte, was er erwartete. Schon stark, wie Amy Brenneman da agiert. Und Regisseur Jon Watts lässt die Kamera ganz ruhig hinter Chase Rücken weiterfahren. Zoe wird während des Erzählens teilweise verdeckt, wir sehen nur Chase‘ Rücken und hören ihre Stimme. Am Ende ruht die Kamera wieder auf Zoes Gesicht.
Auch eine Etappe später wird’s in Sachen Inszenierung klasse – Zoe und Chase landen in einer Polizeikontrolle, und wir können die ganzen Zeit in Jeff Bridges Mimik erkennen, wie es um den jeweiligen Gemütszustand von Chase bestellt ist. Dass die Tötung der Polizisten und Zoes nur ein Gedankenspiel Chase‘ sein würde, ist zwar schnell klar, aber für den Moment ist man doch überrascht. Die Folge schließt mit einem Telefonat Harold Harpers mit einem Auftragskiller, den er von einem einsamen Parkplatz aus anruft. Auch hier wieder klasse: Die Kamera zeigt die ganze Zeit den leeren Parkplatz, auf dem nur ein Auto steht, und dort vermuten wie Harper, doch dann fährt die Kamera immer weiter runter, bis wir direkt an Harpers Wagen stehen, in unmittelbarer Nähe.
Und mit einem Wow-Effekt geht es dann gleich in Folge 3 weiter – wir hören nämlich nochmal das gleiche Telefongespräch, nur von Seiten des Killers. Das ist die Auftaktszene – ein freundlicher Mann, der zuerst mit seiner Oma telefoniert, dann einer Frau mit Krücken in den Bus hilft – um dann am Telefon das Geschäftliche zu regeln. Das mochte ich wirklich sehr.
Auch stark, wenn Zoe erkennt, dass Chase etwas vor ihr verbirgt und sie sich in Gefahr befinden könnte. Chase gibt ihr das Telefon mit seiner Tochter Emily Chase am anderen Ende, die Zoe in aller Ruhe erklärt, was für ein Mensch ihr Vater wirklich ist. Wir sehen die ganze Zeit nur Zoes Gesicht, hören Emilys Stimme – um dann nach einem Schnitt zum ersten Mal Emily zu sehen. Wieder auf einem Parkplatz, wieder ein Telefongespräch, wieder eine Überraschung – es ist FBI-Ermittlerin Angela Adams! Starke Enthüllung; viel Zeit zum darüber Nachdenken bleibt aber nicht, denn Zoe hat trotzdem genug von Chase und will ihn verlassen. Bis sie – und wir – einen kurzen Knall hören und die Hund wild werden. Hier gibt’s einen exzellenten Moment von Regisseur Greg Yaitanes, der Zoe im Auto zeigt, derweil wir im Hintergrund Zoes Haus sehen. Erst sehen wir ganz unscharf nur Chase durchs Haus laufen, auf einmal taucht da aber ein zweiter Mann auf. Erkennen können wir ihn nicht, bis uns Zoe mitnimmt, zu ihrem Haus und wir mit ihr durchs Fenster blicken.
Einen ähnlichen Effekt baut Greg Yaitanes in eine Rückblende nach Afghanistan ein, wenn Faraz Hamzad mit seiner Frau spricht. Wir sehen erst nur die beiden in einer Totalen, sie sitzt am Tisch, er schenkt ihr Tee ein. Dann macht er einen Schritt zurück und direkt dahinter steht Johnny/Dan an der Wand gelehnt – toll inszeniert.
Am Ende von Folge 3 haben Jonathan E. Steinberg und Robert Levine dann eine Menge Spannungsbögen und Handlungsebenen aufgebaut, bei denen man extrem gespannt ist, wie’s weitergeht. Mich interessiert dabei vpr allem die Figur der Angela Adams: Harper weiß nicht, dass sie Chase‘ Tochter ist. Chase weiß nicht, dass sie beim FBI arbeitet. Sie wusste offensichtlich nicht, wie Chase und ihre Mutter in die USA gekommen sind und welche gemeinsame Vergangenheit sie ihn Afghanistan hatten. Natürlich muss auch der Cliffhanger aufgelöst werden – was hat Chase mit Zoe gemacht, und was werden wir sehen, wenn er den Kofferraum des Volvo öffnet? Ich glaube ja, dass darin einer der beiden Hunde liegen wird, nicht Zoe. Warten wir es ab, nächste Woche ist ja bereits Halbzeit der ersten Staffel.
Bilder: FX
Eine Serie die jetzt schon heraussticht!
Daher möchte ich mich deinem Fazit im letzten Absatz auch unumwunden anschließen. Freue mich jetzt schon auf Sonntag. Da wird weitergeschaut.
Es kann keiner der beiden Hunde im Kofferraum liege, da beide auf dem Rücksitz sind.
OK, das hatte ich so nicht erkannt – Danke für den Hinweis!
Weshalb glaubst du, Chase wüsste nicht, dass seine Tochter beim FBI arbeitet? Kennt er nicht ihren Chef und damit ergibt sich ihr Arbeitgeber?
Irgendwie wurde nie über ihre Arbeit gesprochen, und er kennt zwar ihren Chef, aber dieser weiß ja selbst nicht, dass sie Chase‘ Tochter ist. Vielleicht habe ich auch nur nicht richtig aufgepasst – ich schaue nochmal rein. :-)
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