Ich muss gleich zu Beginn ein Geständnis ablegen. Das mag unklug sein für den Lesegenuss (whaat? wen?) aber es muss raus. Ich hadere schon seit einigen Tagen mit diesem Review. Die ersten beiden Folgen der neuen Fantasyserie „The Shannara Chronicles“ bei Amazon Prime habe ich recht zeitnah nach der Freigabe gesehen, aber ich weiß immer noch nicht genau, was ich davon halten soll. In meinem Kopf schwirren die verschiedensten Ansätze und Verweise auf bestehende Serien- und Filmproduktionen, Buchvorlagen, als das ich diese in geordneten Bahnen und dazu auch noch verständlich niederschreiben könnte. Ich habe mich jetzt aber doch für einen Versuch entschieden, in der Hoffnung, dass sich unterhalb des Reviews im Kommentarbereich eine Diskussion entfacht, mich würde Eure Meinung nämlich brennend interessieren. Vor allem die Meinung von solchen Serienguckern, die die Bücher gelesen haben. Ich habe das nämlich nicht. Und das könnte mein Problem sein.
Parallelen
Mein Fantasybackground besteht nämlich aus den „Herr der Ringe“ Büchern, „Der Hobbit“ und dem „Silmarillion“. Wer von Euch wiederum den Background des Shannara-Zyklus kennt, dem wird es nicht verwundern, dass ich mich eigentlich recht schnell im Setting der Serie zurecht gefunden habe. Wäre „The Shannara Chronicles“ eine Umsetzung des ersten Buches des Roman Zyklus, ich hätte wohl überhaupt keine Anpassungsprobleme gehabt, da der Autor Terry Brooks im ersten Buch seine Geschichte wohl noch viel näher am Original aufgebaut hat.
Aber auch der zweite Roman, „Die Elfensteine von Shannara“, auf dem die erste Staffel basiert, sonnt sich noch ausgiebig im Glanz des Tolkien´schen Originals. Wir haben auch hier zentrale Protagonisten, die eine wichtige Aufgabe zu bestehen haben, von deren Gelingen das Überleben der hiesigen Welt abhängt. War es bei Tolkien noch ein Ring und ein Berg voller Feuer, so ist es hier der Samenkorn eines magischen Baumes und ein Blutfeuer, in das dieser geworfen werden soll.
Auch bei den handelnden Personen sind die Parallelen deutlich und stechen nur so ins Auge. Bei Tolkien haben wir die bekannte Dreiergruppe im Mittelpunkt des direkten Geschehens rund um den Ring, bei „Shannara“ werden wir ebenfalls drei Hauptfiguren bei ihrer Suche begleiten. Und auch bei den beiden großen magischen Protagonisten wird nur rudimentär der Originalstoff verändert. Der böse Gegenspieler ist ebenfalls ein gefallener – hier – Druide, der sich der dunklen Macht verschworen hat. Nur heißt er nicht Sauron sondern Dagdar Mor. Das wiederum hört sich für mich sehr nach Mordor an. Der Gandalf in den Chronicles ist der letzte noch bekannte (weiße) Druide und hört auf den Namen Allanon. Seine Aufgabe besteht u.a in der Suche, Zusammenstellung und Führung des Trios und auf ihn ruhen neben den drei Protagonisten die Hoffnung der Menschheit, da er noch als letzter Druide über magische Fähigkeiten verfügt. Das konnte Aragorn zwar nicht von sich behaupten, aber für mich übernimmt Allanon seine Rolle in den Chronicles. Also Gandalf und Aragorn in einer Person. Das spart Castingkosten.
Die Gefahr, die der Welt droht, ist sogar 1=1 gleich. Orks, Dämonen und andere Fabelwesen. Die mucken nämlich wieder auf und werden stärker und stärker. Und dieser Gefahr stellen sich ein Elf, ein Halbelf und ein Mensch. Zwischen der Welt und den Dämonen stehen nur noch ein kränkelnder Baum, der die Dämonen bislang in Schach hielt und eben jene Dreiergruppe.
Den Rest der Handlung wird sich jeder selber ausmalen können. Glaube ich.
Unterschiede
Man möchte Tolkien nun wirklich keine masochistischen Züge vorwerfen, denn auch in „Herr der Ringe“ sind starke Frauen vertreten, aber in den Chronicles werden sie zwei der drei Hauptfiguren stellen und somit mittendrin sein im Geschehen statt nur außen vor. Und mit verantwortlich dafür sein, den Fortbestand der Menschheit und der anderen, friedliebenden Bewohner der Erde zu sichern. Dieser Unterschied könnte es sein, der dafür sorgt, dass die Serie für mich interessant bleibt. Denn was man schon jetzt sehen konnte, ist, dass die beiden Damen rein schauspielerisch gleich von Anfang an die Hosen anhaben.
Vor allem Ivana Baquero als Eretria aus dem Volk der Zigeuner kommt schon sehr Jennifer Lawrence mäßig daher. Dann hätten wir noch eine passable Amberle Elessedil, Tochter des Elfenkönigs, verkörpert von Poppy Drayton und natürlich Austin Butler als schusseliger und naiver Will Ohmsford. Fertig hätten wir das Heldenbesteck.
Da wo zwei junge und gutaussehende Damen sind, ist die eine Idee nicht weit. Diese Fantasy mäßig angehauchte Ménage-à-trois zwischen den Hauptfiguren wird wohl oder übel einen großen Happen vom Handlungskuchen abbekommen. Klar, zu einer heutzutage funktionierenden Serienumsetzung gehört ein Liebesdreieck zwischen den handelnden Personen. Meint man wohl bei MTV. Tolkien hatte das nicht gebraucht. Die Chronicles wohl schon.
Das Setting ist unserer Welt ähnlich aber in einer fernen Zukunft. Die Welt, wie wir sie kennen, wurde während der Großen Kriege zerstört. Teile der Welt wurden unbewohnbar, die Menschheit entwickelte sich weiter: Zwerge, Trolle, Elfen. Und natürlich Dämonen und Orks und Fabelwesen. Dann gab es da noch einen Krieg gegen Dagdar Mor, den die Menschen mit den Elfen gewannen.
Seitdem ruht der See und der Baum Ellcrys sorgt für Schutz zwischen den Welten. Das wir uns immer noch auf der Erde befinden, wird meines Erachtens sehr schön mit dem überall herumstehenden und liegenden Ruinen und Wracks allerlei Typs verdeutlicht. Über diese Zeit ist aber schon mindestens genauso viel Moos und Gras gewachsen wie über jene technischen Hinterlassenschaften. Dachte bei diesen Szenen noch jemand an die „Planet der Affen“ Filme?
Und nun?
Wie beschrieben, ist es nicht wirklich schwer sich in diesem Universum zurechtzufinden. Man kennt es irgendwoher. Hat die Geschichte so ähnlich schon mal gehört. Das, was man sich nicht zusammenreimen kann, wird einem zudem von den Protagonisten erklärt. Also stellvertretend uns, wenn es den ungläubig schauenden Figuren in dieser Geschichte wieder und wieder erzählt wird. Ich habe mir die beiden ersten Folgen jetzt zweimal angesehen und bemerkte erst beim zweiten Mal wie erklärend viele Dialoge waren. Das wird, denke ich, in den weiteren Folgen bestimmt weniger werden. Muss.
Was sofort ins Auge fällt, da die erste Szene erst einmal ein Flug durch diese Welt ist, ist, wie rot und gelb und grün und braun und scharlach und schwarz und ocker und peach und rubinrot und olive und lila und beige und veilchen und gold und kakao und malve und creme, karmesin und silber und rosa und azur und lemon und rostbraun und grau und purpur und weiß und pink und orange und blau diese Welt ist. Bunter ist nicht mal Josephs Kleid, um denjenigen einen Hinweis zu geben, die die Farben „erkannt“ haben, aber nicht wissen, wohin sie die Farben stecken müssen. Wahnsinn. Die Welt kommt direkt aus dem Malkasten von Bob Ross kleinerem Bruder, der mit den lebendigen Farben. Da ist wirklich alles knallig bunt. In Verbindung mit den schnellen Schnitten und Szenenhoppings ist das fast schon Anfall auslösend.
Was mir dahingehend gut gefallen hat, war, als die Farben nicht mehr ganz so aufdringlich eingesetzt wurden. Nämlich immer dann, wenn wir kurz ins Reich des Dagdar Mor gelangten oder dieser in Aktion trat. Diese mystische Darstellung dieser Welt mit seinen Protagonisten empfand ich als gelungen und passend. Da sind bestimmt einige Produktionsdollar drauf gegangen. Weniger gelungen fand ich das erste „Duell“ der beiden Druiden. Das war teilweise schon etwas slapstickartig. Und dann noch Manu Bennett als Allanon, muskelbepackt aber wie immer kantig in seiner Darstellung, man kann sich vorstellen, was ich meine. Ich mag Bennett, würde ihn aber nie für einen Golden Globe oder gar Oscar als besten Schauspieler nominieren. Er hat Muskeln. That´s it.
Wen ich auch nicht für einen Filmpreis nominieren würde, wären die Kostüme. Das hatte teilweise etwas von einem Cosplay Event. Das geht auch authentischer, echter, passender.
Abschließend noch ein Wort zur Gewalt. Dass die Verantwortlichen nicht vor drastischen Szenen zurückschrecken werden, haben sie in den ersten beiden Folgen bereits bewiesen. Nichts für zartbesaitete Seelen. Diese Brutalität sollten die Autoren der Serie aber nicht übertreiben. Gewalt sollte nie die Lösung sein – auch nicht wenn es darum geht, eine Serie interessant zu machen.
Dadurch, dass man das alles irgendwie schon mal gesehen hat – ich schließe mal den Kreis zu „Herr der Ringe“ – kommen mir die beiden Folgen als „billiger“ Abklatsch einer größeren, besseren Geschichte vor. So fühlt es sich bisher bei mir an. Das mag an der kunterbunten Darstellung der Welt liegen, an den wunderhübschen und noch wenig kantigen Hauptdarstellern. Auch die musikalische Untermalung zwar zwischendurch, nennen wir es mal, gewöhnungsbedürftig. Ich habe die Welt einfach noch nicht als eigenständiges Universum wahrgenommen. Mir fällt es wirklich schwer, mich von den Vergleichen mit Tolkiens Welt zu trennen. Woran liegst?
Wahrscheinlich liegt es einfach nur an mir.
Fotos: MTV/amazon
Ich glaube das liegt nicht nur an dir, ich habe schon ähnliche Reviews dazu gelesen:
http://www.theatlantic.com/entertainment/archive/2016/01/shannara-chronicles-mtv-review-star-wars-fantasy-tropes-mythology/422649/
Mit dem Cast von John Rhys-Davies („Gimli“) befeuert man entsprechende „Herr der Ringe“ natürlich noch.
Ich kaufe ein „Vergleiche“
Star Wars, natürlich. Danke für den Link Tipp, interessante weitere Aspekte, die der Artikel aufführt, von einem, der die Bücher kennt.
Wer traut sich die nächsten zwei Folgen anzukucken? Freiwillige vor! Ich kann sagen es wird gleichzeitig besser und schlechter.
Geschaut wird ja. Gebloggt aber erst am Ende der Staffel. Sind ja nur zehn Folgen.
Vielleicht schreibe ich am WE ein kurzes Zwischenfazit zur Hälfte der Staffel.
Mal sehen. Dein Verdikt ist ja ziemlich eindeutig ?
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