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Review: „The Third Day“ – Staffel 1

29. November 2020, 18:27 Uhr
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Run fast for your mother, run fast for your father. Run for your children, for your sisters and brothers. Leave all your love and your longing behind you. Can’t carry it with you if you want to survive. The dog days are over. The dog days are done. Can’t you hear the horses.
Cause here they come.

Diese Zeilen aus dem Song „The dog days are over“ von Florence and the machine erschallen schon zu Beginn der neuen Serie „The third day“ und sollen wohl darauf hinweisen, worum es in den nächsten Folgen gehen wird: Verlassen und Verlassenwerden, um zerrissene Familien und entsprechend kaputte Charaktere. In der Hauptrolle darf Jude Law als Sam mal nicht nur gut aussehen, sondern einen dieser kaputten Typen verkörpern. Mitten in einer traumhaften und schon fast unwirklichen Naturkulisse wird Sam zufällig Zeuge, wie sich Epona, ein Mädchen im Alter seiner ältesten Tochter, erhängen will. Nachdem es ihm glücklicherweise gelungen ist, Epona zu retten, will er sie nach Hause in Sicherheit bringen – auf die Gezeiteninsel Osea, nicht ahnend, dass sich sein Leben damit für immer verändern wird. Inwiefern die doch etwas eigenartigen Bewohner der Insel, Sams Vergangenheit und die Geschichte der Insel zusammenhängen, wird im Verlauf der sechs Episoden aufgeklärt. Seit dem 26. November strahlt SKY „The third day“ mit deutschsprachiger Synchronisation aus.

Sam-selbst

Doch zuerst zu Sam. Dieser ist Vater von drei Kindern (zwei Mädchen, ein Junge), dem ersten Anschein nach glücklich verheiratet und besitzt zusammen mit seiner Frau ein Gartencenter in London. Hinter der Fassade hat er jedoch ziemlichen Stress und ernsthafte Probleme. Er faselt irgendetwas von Schmiergeldzahlungen, von verschwundenen £40.000, flucht in sein Handy und hat stets Sorgen bezüglich der Netzabdeckung, wo immer er sich befindet. Dass er dann auch noch nach der Rettung von Epona auf Osea festsitzt (sein Auto war so lange zugeparkt, dass er nicht mehr rechtzeitig vor Einsetzen der Flut die Dammstraße erreichen konnte und wieder bis Tagesanbruch auf die Ebbe warten muss), macht die Sache natürlich nicht leichter. Auch die Tatsache, dass sich einige der Einwohner, allen voran die Pub-Besitzerin Mrs. Martin, scheinbar an ihn erinnern können, obwohl er selbst niemals dort gewesen sein will, irritieren ihn doch sehr. Sam selbst macht öfter einen wirren Eindruck und scheint nicht ganz bei der Sache zu sein. Er wirkt gehetzt, wie von inneren Dämonen getrieben und läuft immer auf 180. Etliche auch gewalttätige und blutige Alpträume, die ihn heimsuchen, seit er einen Fuß auf Osea gesetzt hat, geben ihm weitere mysteriöse Rätsel auf. Der Fortgang der Serie bringt noch einiges, was Sam so an Leichen im Keller hat, ans Tageslicht.

MArtins

Das Ehepaar Martin (Emily Watson und Paddy Considine) betreibt den Pub auf der Insel und wirkt auf den ersten Blick etwas schrullig und seltsam. Mr. Martin zeigt sich zunächst als sehr freundlich und hilfsbereit (er erinnert mich irgendwie an Ned Flanders), ist allerdings immer ein bisschen zu freundlich und hat etwas Irres, Psychopathisches an sich. Allein sein oft aufgesetztes Grinsen mit vielen Zähnen sorgt dafür, dass man ihm so ziemlich alles zutrauen könnte. Seine Frau hingegen ist ein echter Griesgram mit Haaren auf den Zähnen. Sie beleidigt ihren Gatten stets auf mehr oder weniger kunstvolle Weise und spricht also eigentlich nur schlecht über ihn („Fuckhead“, „verdammtes A-Loch“, „hirnloser Scheißer“, etc.). Andererseits wirken beide wie ein unzertrennliches Paar. Sie entsprechen wohl dem Urbild einer Ehe und bleiben trotz aller Widrigkeiten zusammen – bis dass der Tod sie scheidet also. Die Martins sind eingebunden in alle Geschehnisse auf der kleinen Insel, spielen ihre eigene Rolle und begleiten Sam auf seiner Odyssee. Sie beherbergen außer Sam nur noch einen einzigen Gast in ihrem Fremdenzimmer: Die geheimnisvolle Jess.

JEss

Jess (Katherine Waterston) bewohnte bereits genau jenes Zimmer im Pub, das die Martins Sam zur Gratis-Übernachtung zugeteilt hatten. Entsprechend seltsam verläuft die erste Begegnung der beiden, als Sam Jess schlafend in „seinem“ Bett vorfindet. Jess wirft ihn zwar zuerst aus „ihrem“ Zimmer, aber, wie sollte es anders sein, verstehen sich beide gut und – geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid – versuchen künftig als vereinte Leidensgenossen die Insel Osea wieder zu verlassen. Dies ist nur über den Damm (engl. „causeway“) möglich, der täglich nur zwei kleine Zeitfenster öffnet um die malerische, s-förmige Straße, die Festland und Insel verknüpft, zu überqueren. Jess als Wissenschaftlerin hat ihrerseits Interesse am bald stattfindenden „Esus and the sea“ – Festival, welches wohl auf historischen Überlieferungen beruht. Esus (auch Hesus, Aesus), wie uns Wikipedia erklärt, war ein keltischer Gott des Handels und der Wege, der von den Galliern verehrt wurde. Jess selbst war auch schon öfter auf der Insel und hat Verständnis für das teils recht seltsame Benehmen der Inselbewohner, die am liebsten unter sich bleiben wollen und Fremde nicht gerne sehen. Einer dieser jenen, den ich auch etwas vorstellen möchte, ist Larry.

Larry

Larry (John Dagleish) scheint definitiv kein Freund von Sam zu sein, jemals zu werden und auch niemals werden zu wollen. Ganz im Gegenteil, er scheint Sam irgendwie schon auf dem Kieker zu haben, als er diesen zum ersten Mal auf Osea entdeckt. Larry wirkt schon ein wenig wie der typische britische Bösewicht aus dem Bilderbuch: hochaufgeschossen, eher schmächtig, mit wirrem, dunklem Haar und einem „bösen, durchdringenden“ Blick.

Sams-Familiy

Nach drei Folgen gibt es eine Zäsur und drei neue Charaktere, Helen (Naomie Harris) und ihre beiden Töchter Ellie und die Rotzgöre Talulah, genannt Lu, kommen auf die Insel, um den 14. Geburtstag von Ellie zu feiern. Rotzgöre deshalb, weil diese altklug stets passende Kommentare raushaut, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, ein Beispiel dafür:

„Anyway, you’re Dad’s favourite, and, by the way. He ran off because he’s a psycho. Just like you.“ Lu zu Ellie

Unbedingt freundlich werden die drei zumindest nicht auf der Insel empfangen: das Ferienhaus, das die beziehen wollen, ist auf einmal nicht mehr frei, ihnen wird jegliche Herberge verwehrt und auch im Pub werden sie zunächst nicht bedient – ob es an der dunklen Hautfarbe der Familie liegt, kann dabei nur gemutmaßt werden. Mama Helen spielt derweil auch nicht mit offenen Karten und belügt ihre Kinder, wenn es darum geht, was sie wirklich hofft, auf Osea zu finden. Abermals bietet Familie Martin mit ihrem netten, gemütlichen Pub wieder den Schauplatz.

Anfangs wird der Zuschauer sicherlich bewusst auf die falsche Fährte geführt, was einen anderen Verlauf der Handlung erwarten lassen würde. Ich selbst dachte eingangs kurz, als ich von den verschollenen 40.000 £ erfuhr, dass vielleicht Sam auf der Flucht vor irgendwelchen Gangstern wäre und sich gerade auf Osea verstecken möchte. Wer findet denn da schon hin? Aber nein, Gangsterbosse und Verfolgungsjagden werden hier nicht geboten. Wir Zuschauer erhalten aber ein buntes Potpourri aus vielen Einzelzutaten präsentiert, als da wären: Aberglaube, Tragik, Mythologie, Sektenkult, tolle Naturaufnahmen, eine kurze Liebesgeschichte, drogeninduzierte Halluzinationen, üble Alpträume, etliche (Ver-)Wirrungen und Wendungen und ein ziemlich offenes Ende.

Die Hintergrundhandlungen entspringen dabei nicht nur der Fantasie der Drehbuchautoren, sondern haben ihre Wurzeln in der bewiesenen Realität und Historie. So auch der erwähnte Gott Esus, den man tatsächlich vor Urzeiten verehrte. Nach den Berner Lukan-Scholien war Esus vor allem der Gott der Händler, dem in den Augen der Römer „unmenschliche Altäre“ geweiht waren und dem zu Ehren Menschen an Bäumen erhängt wurden, „bis das Fleisch sich von den Knochen löse“. Auch auf Osea wurde über die Jahrhunderte hinweg sehr viel Blut vergossen. Larrys Tochter Kail führt Ellie in einen geheimen Raum tief unten in einem verfallenen Gebäude und zeigt ihr dort Wandbilder, die entsprechend grausige Szenen aus längst vergangenen Tagen zeigen. Dabei erzählt sie von unterschiedlichen grausamen Ereignissen. Beispielsweise wurden im Jahr 535 mehrere Kinder umgebracht und es kam im Jahr 991 zu einem Massaker in Osea, sogar der Name Jack the Ripper fällt in diesem Zusammenhang. Das alles könnte durchaus als „zu viel des Guten“ betrachtet werden. Von diesen Momenten gibt es leider einige, doch zum Glück schafft die Serie es, sich wieder zu fangen und in unterhaltsames Fahrwasser zurückzufinden.

Fest

Ursprünglich war „The third day“ bereits in zwei große Teile und einen Einzelteil aufgeteilt: Teil 1, betitelt mit „Sommer“, umfasst die Episoden eins bis drei, Teil 2, betitelt mit „Winter“ entsprechend Episode vier bis sechs. Auch meine Meinung kann man durchaus in zwei Teile spalten: Der „Sommer“ war mir anfangs wirklich zu wirr, in zu viele Richtungen weisend und zu unklar, wohin die Reise gehen soll. Irgendwie war es schwierig, den roten Faden zu finden. Der „Winter“ hat mich aber wieder abgeholt und damit die Serie auch in die richtige Bahn gelenkt. Hier klärt sich vieles auf, was zu Beginn der Serie noch total wirr und abstrus wirkte. Die Einführung von Helen, die, ein klares Ziel vor Augen, auf Osea eintrifft und sofort beginnt, Einfluss auf die Geschehnisse zu nehmen, war ein kluger Schachzug. Den mittleren Teil, „Autumn“ oder Herbst, konnte man als Live-Stream bereits bei Erstausstrahlung am 3. Oktober begutachten. Dieser würde also Folge vier von insgesamt sieben darstellen. Hier der Link zur entsprechenden YouTube Aufzeichnung (mit Altersbeschränkung)

Es sei jedoch gesagt: wem die ersten drei Teile zu psychedelisch waren, sollte sich diesen Teil sparen. Er dient zwar als Verbindung und vertieft das Verständnis, ist aber sehr sperrig. Nachdem die Atmosphäre des Dabei-Seins entstehen sollte, wirkt es so, als ob mit einer Handykamera gefilmt wurde – auf der nicht einmal die Regentropfen von der Linse weggewischt wurden. Ich habe zumindest immer wieder minutenlang nach vorne gespult, weil mir das alles echt zu anstrengend war.
Dennoch sollte man nach den ersten drei Folgen unbedingt weiter schauen, da die zweite Hälfte der Serie deutlich spannender und vor allem die Handlung stringenter wird.

Alles in allem lässt sich sagen, dass Atmosphäre und Soundtrack prima zur Serie passen, die Darsteller ihre Sache gut machen und es auf Osea viel zu entdecken gibt, wenn man sich auf all das oben Geschilderte einlässt. Natürlich darf man keine Wunder erwarten, weder Effektfeuerwerke noch unvergessliche Szenen, von denen man in zig Jahren noch sprechen wird. Nein, all das gibt es nicht in „The third day“. Will man aber ein bisschen Abstand vom tristen, grauen November-Alltag hier in Deutschland und ist zufällig auch noch Jude Law Fan – dann kann man nur wenig falsch machen, wenn man hier einschaltet!

P.S. für Freunde von Trivia:
Nicht fehlen dürfen an dieser Stelle einige Fakten zum heimlichen Hauptdarsteller der Serie: der Insel Osea selbst! Osea gibt es nämlich auch wirklich. Es handelt sich dabei um eine bewohnte Gezeiteninsel, genau im Mündungstrichter des Blackwater River in Essex in Großbritannien. Früher wurde Osea Island auch Osyth Island oder kurz Osey genannt. Das „Osea Island“ ist etwa 1.5 km² groß und mit dem Nordufer des Blackwater River durch einen Damm verbunden, der bei Hochwasser überflutet wird. Die Insel selbst ist im Privatbesitz des Musikproduzenten Nigel Frieda, der schon mit den Rolling Stones zusammengearbeitet und u.a. auch die Sugababes gegründet hat. Ingos England-Blog hat hier noch weitere interessante Infos über Osea zusammengetragen.

Entsprechend wurde die hier gezeigte und der Realität entsprechende Abgeschiedenheit der Insel für diverse Zwecke genutzt, für die im Übermaß vorhandene Diskretion und Ruhe vorteilhaft war. So eröffnete ein Geschäftsmann namens Frederick Charrington bereits Anfang des 19. Jahrhunderts eine Alkoholentzugsklinik für Gutverdiener – genauso, wie es die Martins in der Serie erzählt haben. Auch über 100 Jahre später wurde sich auf der Insel um Drogenabhängige und psychisch angeschlagene Menschen gekümmert. Die zugehörige Klinik, die auf der Insel im Herrenhaus „Manor House“ untergebracht war, schloss 2010 ihre Pforten. Ihr wohl berühmtester Gast war die leider viel zu früh verstorbene Sängerin Amy Whinehouse.

Bilder: SKY

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Sonntag, 29. November 2020, 18:27 Uhr
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