Eine Serie bei HBO von David E. Kelley mit Nicole Kidman, Hugh Grant und Donald Sutherland in den Hauptrollen? Klingt nach Einschaltpflicht, der ich natürlich auch an den letzten Montagen nachgekommen bin. Sky hatte sich dank des HBO-Deals die Rechte gesichert und die Mini-Serie mit sechs Folgen an den letzten drei Montagen in Doppelfolgen ausgestrahlt – aktuell noch verfügbar über Sky Ticket.
Und wer auf hochwertig erzählten und inszenierten Serien-Stoff steht, wird mit „The Undoing“ definitiv nicht enttäuscht. Natürlich entsteht die erste Strahlkraft der Serie eben durch den prominenten Cast, und gerade zu Beginn glänzen Nicole Kidman und Hugh Grant mit ihrem schauspielerischen Können. Sie wandeln wie selbstverständlich durch die erste Folge, agieren sowohl einzeln als auch im Miteinander absolut sehenswert. Dabei bringt jeder seine Eigenarten mit ein – das Augenzwinkernde von Hugh Grant, das Angespannte von Nicole Kidman – das hat schon was. Und wenig später im Laufe der Serie Donald Sutherland, der als alter Familienpatriarch gerade im Mittelteil der Mini-Serie groß aufspielen darf – und kann. Es ist aber nicht nur dieses Trio, das die Serie trägt. Es ist mehr: Susanne Bier ist da zum Beispiel zu nennen. Die Dänin kennen wir von ihrer Regiearbeit bei „The Night Manager“, und auch hier leistet sie Großartiges. Sie versteht es, die brillanten Seiten der Hauptdarsteller einzufangen und in den Mittelpunkt zu stellen. Sie traut sich ganz dicht heran an die Figuren, lässt Schockmomente und hochemotionale Situationen ein paar Momente länger stehen, so dass wir als Zuschauer quasi hineingezogen werden in diese Momente und sie mit durchleben. Hinzu kommt die wirklich großartige Cinematography-Arbeit des in Dänemark lebenden Anthony Dod Mantle, ein Pionier des digitalen Filmens und ausgezeichnet für seine Arbeit an „Slumdog Millionaire“.
Bei „The Undoing“ schafft er eine ganz eigene Atmosphäre – zwischen den Sequenzen, in denen es vor allem um die Charaktere und Figuren geht, und die sehr klar und sauber inszeniert sind, schafft er Zwischenmomente mit Szenen aus New York, die mit sehr viel Unschärfe, dunklen Verfremdungen oder kurz reingeschnittenen Frames daherkommen. Vor allem in der ersten Folge gelingt Anthony Dod Mantle und Susanne Bier ein optisches Meisterwerk. Die Serie beginnt richtig hell, und lichtdurchflutet, mit einem gemütlichen Gang durch den schneebedeckten Central Park, bei strahlendem Sonnenschein. Und ganz langsam legt sich dann im Laufe der Folge ein dunkler Schleier über die Bilder. Alles wird düsterer, befremdlicher, dramatischer – das ist ganz stark gemacht. Auch in den nächsten Folgen halten die beiden ihr Konzept durch, und im Zusammenspiel mit der Darstellung des Cast macht es richtig Spaß, zuzuschauen.
Und dann kommt natürlich noch die Story an sich hinzu, die Serien-Altmeister David E. Kelley („Big Little Lies“, „Boston Legal“, „Goliath“) hier entwickelt. Natürlich ist es ein Kriminalfall, natürlich dreht es sich um Recht und Ordnung, und die Mittel und Wege, die Anwälte, Richter und Polizisten anwenden, um ihre jeweiligen Interessen durchzubringen. Die Folgen 5 und 6 dürften dann ein Fest für David E. Kelley gewesen sein – er erzählt das Finale der Story fast nur vor Gericht. Hier spielt er seine ganze Leidenschaft und Erfahrung bei Gerichtsprozessen aus: Die toughe Anwältin, die extrem geschickt durch die Verhandlungen manövriert und es schafft, berechtigte Zweifel zu säen; die Staatsanwältin, die schon wie die sichere Siegerin aussieht und dann immer mehr an Boden verliert – und dann der geniale Schachzug der von Nicole Kidman gespielten Grace Fraser, die ebenfalls bestimmte Regeln vor Gericht im eigenen Sinne nutzt und damit das Spiel für sich entscheidet. Gerade in dieser entscheidenden Phase überzeugt dann auch noch einmal das Duo Bier/Mantle mit starken Bildern und vor allem extremen Close-Ups auf die Gesichter insbesondere von Nicole Kidman und Hugh Grant. Das ist dann auch extrem stark gespielt von beiden, bis zum großen Finale hin.
War es nun Jonathan Fraser oder war es nicht? Darum dreht sich natürlich alles. Kann man es ihm zutrauen oder nicht? Die Aussage seiner Frau vor Gericht spiegelt genau diese Zerrissenheit wider, die man auch als Zuschauer selbst spürt: Von ‚er war’s auf keinen Fall‘ bis ‚er hat es wirklich getan‘. Die finale Auflösung an sich fand ich dann leider nicht so richtig gelungen, das ging dann einerseits zu schnell, war andererseits auch zu wenig überzeugend aus meiner Sicht. Ich hätte da von David E. Kelley etwas Geniales erwartet, zum Beispiel, dass Grace Frazer mit ihrer Aussage ihren Mann zu Fall bringt, in Wirklichkeit sie allerdings die Täterin ist und sich damit aus der Affäre zieht. Aber da ist es dann wie praktisch immer bei David E. Kelley, und das ist schon fast verräterisch: Letztlich bekommt der wahre Täter seine gerechte Strafe und wird überführt. Sei’s drum, trotzdem eine starke Mini-Serie und nochmal ein Serien-Highlight im ausgehenden Jahr 2020.
Bilder: HBO
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