Eigentlich möchte man nach der Disaster-Staffel von „Fear The Walking Dead“ so fern es nur geht vom Franchise bleiben, aber US-Sender amc hat kein Erbarmen mit uns uns schickt uns nahtlos wieder in die Postapokalypse. Aber Neu-Showrunnerin Angela Kang schafft es erneut einen zumindest annehmbaren Staffelauftakt zu inszenieren, der Lust auf mehr macht. Viel mehr kann man sich im aktuellen „TWD-Universum“ kaum wünschen.
Judith „Asskicker“ Grimes fasst nicht nur die Geschichte vom „tapferen Mann“ für ihren Bruder, sondern auch die Geschehnisse der vergangenen Staffel für uns Zuschauer zusammen. Erneut gab es einen kleinen Zeitsprung, der in etwa Zwischen-Staffel-Pausenlänge gehabt haben dürfte (von mehreren Monaten ist die Rede). Kapitelweise bekommen wir mit Titel-Trennern geordnete Abschnitte zu sehen, die von einer Konstanten zusammengehalten werden: einem abstürzenden UdSSR-Satelliten.
Zum Auftakt gibt es Walker mit Treibholz-Schmuck und Ezekiel auf einem verrostetem Schiffswrack – ist das „Waterworld“? Nein, das ist Oceanside, die Trainings-Location mit ordentlich aufgeschwemmten Wasserwalkern (sooo sehr schrumpelt die Haut, wenn ihr zu lange in der Badewanne bleibt, Kinder!). Das war schon ein recht eindrucksvoller Probelauf einer abgestimmten Angriffsformation, sowohl, was die kampfartige, als auch, was die filmische Inszenierung anbelangt. Mal schauen, wie profund das dann im Ernstfall umgesetzt werden wird, das Fähigkeitenprofil der Figuren wird ja gerne mal der Story-Notwendigkeit angepasst. Die Zombie-Action-Befürworter kamen jedenfalls schnell auf ihre Kosten. Dass die Schiffstür dann plötzlich derart nachgeben soll, dann aber sogar die komplette Schiffswand in einem säuberlichen Quadrat umfällt – naja. Schauen wir mal drüber hinweg. Wichtiger ist eh, dass eine vermeintliche Whisperer-Maske am Strand gefunden wird (von einem kleinen Jungen, der eigentlich laut „Ihh!“ schreien müsste, wenn er es findet, geschweige denn, dass er es anfasst und mitnimmt, aber gut, ich will mich jetzt nicht in die Erziehung nicht einmischen…).
Allgemein setzt es gerade zu Beginn ein sehr gutes Tempo. Die Folge fühlt sich stringent und zielführend an, sie hat einen Plan (was man zuletzt halt nicht wirklich gewohnt war). Zu den Geschehnissen aus der letzten Staffel gab es kleinere Entwicklungen, die sich teils bereits angedeutet hatten. Luke-Darsteller Dan Fogler hat ordentlich abgespeckt, wenn ich mich nicht täusche, das Intro wurde leicht angepasst und um den Brückenvorfall des „tapferen Mannes“ erweitert, Kelly erwirbt langsam aber sicher die Superkraft der Taubheit, Lydia hat einen Nunchuck-Kampfstab, Carol wirkt noch großmütterlicher mit den gebundenen Haaren, Eugene ist eine vorbildliche Erziehungskraft geworden, während die stark erblasste Rosita zur Kampfmaschine mutiert und Siddiq seltsame Alpha-Visionen bekommt. Mit den drei Vaterfiguren und der uptempo-Musik könnte das auch eine 1A-Sitcom aus den 90ern abgeben.
„Yesterday, I was public enemy number one. Now… Well now I‘m the guy who picks vegetables and takes out the trash. I‘m okay with that. For now at least.“ (Negan)
Interessant finde ich neben der Tatsache, dass die Gruppen-Erzählungen der verschiedenen Standorte gekonnt durch den Satelliten-Absturz als zeitlichen Gleichzugs-Anker inszeniert werden auch die teils meta-bezogenen philosophischen Ansätze, den einige Figuren von sich geben. Vor allem Aaron zeigt sich reflektierend:
„Are we the good guys?“ – „Why would you ask that?“ – „I think about that a lot. We‘re the villains of someone else‘s story. So dangerous, they threaten to wipe us out? Makes you wonder sometimes.“ (Aaron & Michonne)
Aber auch Daryl und Carol haben philosophische Gedankengänge. Vor allem, als es darum ging, ob denn nicht irgendwann mal was anderes passiert, als dass man immer nur eine neue böse Gruppe findet, die man umbringen muss, um zu überleben, spricht ganz gut die Gefahr der Repetitivität der Serie an. Und die Position, die die des Flüchtens willende Carol einnimmt, die dann doch zum Bleiben überredet wird, gleicht der von uns Zuschauern. Na okay, wenn er sagt, es wird besser, dann will ich ihm mal glauben. Das hört sich sehr nach Einsicht an, was ja der erste Schritt ist, ihr wisst schon. Der Buddy-Talk zwischen den beiden mit den Freundschaftsbändchen hat mir jedenfalls sehr gefallen und war eine meiner absoluten Lieblingsszenen der Folge.
„I got an idea: why don‘t we eat and NOT talk?“ (Daryl)
Neben der Maske wurde auch ein Häutigungscamp mit einer Ganz-Häutung gefunden, die auf noch perfidere Machenschaften der Whisperer hinweist. Doch statt eines Aufeinandertreffens mit ihnen trifft der eingangs zu sehende Satellit auf die Erde – in unmittelbarer Nachbarschaft. Waldbrände sind ja durchaus ein aktuelles und akutes Thema, das hier indirekt und auf unkonventionelle Art und Weise aufgreift. Man könnte soweit gehen und daraus Schlüsse ziehen, Regierungen müssten Grenz-übergreifend direkte Maßnahmen ergreifen, um größere Unheile abzuwehren, aber ich fürchte, dann schweife ich in einen endlosen Exkurs ab. Bleiben wir vorerst lieber bei der Serie.
Die „sehr lange Nacht“ ist vor allem sehr schnell vorüber, war die Dunkelheit doch hauptsächlich für ordentlich Trailer-würdige Action nutze. Mit Blut Feuer zu löschen ist interessant aber dann vermutlich doch die falsche Lösung für die Klimakrise. Für die eigentliche wegweisende Handlung am Ende der Episode benötigte es dann doch etwas Tageslicht. Und Zeit.
„I just need 20 minutes.“ – „You got zero!“ (Eugene & Michonne)
Eugene erquengelt sich ein paar Minuten, um betont wichtige Technologie bergen zu können. Nach Andeutungen der Produzenten könnte das tatsächlich noch Staffel-definierend werden. Mindestens in die gleiche Kategorie dürfte dann aber der Abschluss mit dem kleinen Ausreißer-Duo Carol und Daryl werden. Denn die haben sich sehr prominent postiert und wurden von Alpha gesichtet. Auf ihrem eigenen Gebiet. Ob sie mit sich reden lassen wird, weil ein größerer Flächenbrand verhindert werden konnte? Wohl kaum.
Na also, geht doch. Ich weiß nicht, ob es an der in Relation gesehen grottenschlechten „Performance“ von der Schwesterserie „Fear The Walking Dead“ lag, aber es war erfrischend konkrete Serienkost, was uns das Original zum Auftakt der Jubiläums-Staffel zu bieten wusste. Natürlich war das kein perfektes Fernsehen, erneut gab es ein paar kleinere Inszenierungs-Schwächen und einige Momente waren etwas zu überzeichnet, aber da gab es bereits deutlich Schlimmeres zu sehen. Die 50 Minuten Spielzeit vergingen gefühlt sehr schnell, es gab wenige wirkliche Hänge-Phasen und allgemein fühlte ich mich gut unterhalten. Auch wurde eine gute Basis für die weiteren Episoden geschaffen. Durch den kleinen Zeitsprung ergaben sich interessante Konstellationen und man hat das Gefühl, dass da gleich an mehreren Fronten etwas im Busch ist. Nicht zuletzt, weil Aaron gar nicht mal die Whisperer meinte, als er von den vermeintlich „Bösen“ sprach. Ich bin jedenfalls recht erfreut von dem Auftakt und gespannt auf das, was noch folgen wird.
Bilder: amc
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