Die Exkurs-Reihe geht weiter. Nach Maggie und Daryl geht es dieses Mal um Gabriel und Aaron. Man könnte auch sagen, „Willkommen zur heutigen Folge ‚Ross Marquand schaut verblüfft drein‘!“. Kurz: „Boar!“. Okay, sorry dafür…
Beim Einstieg in die Folge war ich vermutlich nicht der einzige, der an die ikonische „Look at the flowers…“-Szene denken musste. Der Einstieg ist nicht nur visuell interessant gehalten. Aaron und Gabriel beschmutzen die heimische Flora und deren Wecker bringt selbst Tote zum Aufstehen. Unsere Leute sind also ausnahmsweise mal wieder smart und gehen souverän zu zweit gegen zwei Dutzend Untote vor. Mal schauen, wann sich das wieder ändern wird… Ein bisschen ungewohnt finde ich ja auch die Anhäufung an Skeletten in dieser Folge, das war doch sonst nicht so viel, oder?
Ungewohnt ist auch die Paarung selbst. Aaron und Gabriel geben ein recht ungleiches Duo ab, auf das man zunächst gar nicht so kommen mag. Dennoch stimmt die Chemie zwischen den beiden durchaus und wir bekommen eine Mischung aus lockeren und ernsten Momenten geboten, die meiner Meinung nach deutlich ausgewogener und authentischer wirkt, als die Dynamik zwischen Carol und Daryl neulich. Vielleicht liegt das auch daran, dass beide verdammt gut erstaunt dreinblicken könnt, was etwa alle zwei Minuten unter Beweis gestellt wird.
Der Start ist noch recht langsam, bedient aber eine Sehnsucht von mir, die leider nur noch selten befriedigt wird: das einsame Durchstöbern und Erkunden in einer verlassenen Welt. Die beiden durchsuchen Autos, Häuser und was davon noch übrig ist. Denn nein, wirklich viele Vorräte oder Nützliches gibt es nicht mehr zu finden. Selbst Häuser sind verschwunden, da fragt man sich eigentlich nur noch, wieso es überall Walker zu geben scheint, obwohl alles bereits x-fach abgegrast worden ist?
Es folgt ein kleines Schlammbad für Gabriel sowie die Karte, was in Kombination mit einem Regenschauer so ziemlich alle planbaren Wanderungen zunichte machen. Die beiden landen ungewollt auf unbekanntem Terrain und in einer verlassen scheinenden Lagerhalle. Gerade wollte ich meckern, dass die souveräne Vorgehensweise der beiden keine 10 Minuten angehalten hat, da überrascht uns „The Walking Dead“ doch tatsächlich mal mit etwas Neuem: einem Wildschwein.
„That was quite a scream!“ (Gabriel)
Dazu gibt es noch eine edle Flasche Whiskey, die nach Vanille, Ahornsirup und Product Placement riecht. Vermutlich ist es auf den Alkoholgehalt zurückzuführen, dass Aaron seine Karten offen zeigt, während er gedenkt, den Whiskey zu setzen. Aber nein, Prioritäten! Spätestens bei den Tisch-Einstellungen wird dann auch dem letzten klar, dass es erfreuliche Abwechslung in den Kameraperspektiven zu sehen gibt. Ach, und in der zweiten Hälfte auch bezüglich des Tempos!
„Evil people aren’t the exception of the rule, they ARE the rule.“ (Gabriel)
Denn pünktlich aufs Wort (und nach einem humorvollen Schnarch-Aufschrecken) erscheint ein Fremder. Der ist eigentlich gar kein Fremder, kennen wir doch alle Robert Patrick als Schauspieler aus „Terminator 2“. Aber nicht nur durch das bekannte Hollywood-Gesicht wird es direkt spannender. Aaron dürfte gleich doppelt Kopfschmerzen haben, wurde er im Kater doch am Kopf gestoßen und an einen Stuhl gefesselt. Gabriel versucht die Situation zu entspannen, indem er das tut, was er zuvor noch gepredigt hatte – sich auf die Situation und den Gegenüber einstellen. Der will aber nicht so ganz mitspielen.
„The word of god still matters. It’s a light, in an otherwise very dark world. A reminder of the goodness, still within us. Things like love, mercy, forgiveness…“ – „Toilet paper.“ (Gabriel & Fremder)
Neben offenkundigem Atheismus pflegt unser Fremder auch eine Vorliebe für Russisch Roulette. Ich bin jetzt kein totaler Waffen-Spezialist, aber für mich sah das so aus, als hätte Gabriel sich beim ersten Schussversuch eigentlich direkt selbst erschießen müssen, lag die Kugel doch nach dem Drehen so, dass sie sich beim Spannen doch eigentlich direkt in den Lauf hätte legen müssen, oder nicht?
Nun gut, das war dann vielleicht ein Wunder, wer weiß… Verwundert war ich auch darüber, dass nicht einfach auf den Fremden geschossen wurde. Spätestens, als jener meinte, dass die Kugel jetzt hörbar im Lauf sei, muss Aaron doch eigentlich einfach nur noch auf den Fremden schießen, der ihm bereits freudig das Gesicht entgegen hält. Nein, da könnt ihr mir auch noch zu sehr predigen, dass in der Szene ja die Gutherzigkeit und Hoffnung demonstriert werden sollte, die Aaron hegt, aber es wird eben auch davon gesprochen, dass er Teil einer Familie ist, die sich gegenseitig schützt. Und da sollte in dieser Situation das Leben eines Fremden deutlich weniger zählen, als das eigene bzw. das der Gruppe. Stattdessen macht man kurz den Anschein, als würde man den Fremden rekrutieren. Doch just, als dieser sich als Mayce namentlich vorstellt, zeigt Gabriel, dass er die Regeln der neuen Welt verstanden hat. Dennoch fand ich die Inszenierung etwas seltsam, das hätte man einfacher lösen können.
Wer traurig war, dass wir nicht mehr von Robert Patrick zu sehen bekommen, erhält nochmal Hoffnung, als dessen Bruder in einem Versteck gefunden wird. Wie aus dem Gesicht geschnitten! Aber auch diese Hoffnung währt nur kurz, denn während ich mich noch frage, ob die an der Wand hängenden Schlüssel für die Handschellen nicht eigentlich in Reichweite von Mayce 2 hingen, bringt dieser sich auch schon um. Eine gelungene Skizzierung der Hoffnungslosigkeit in der Welt, in der jemand sich aus Schuldgefühlen selbst richtet, damit er wieder mit seiner erschossenen Familie vereint sein kann. Vielleicht hätte Gabriel da lieber einen Wecker werfen sollen…
Eine deutlich bessere Folge als vergangene Woche, das hat mir vom Wiederauftakt bisher am besten gefallen. Die Dynamik zwischen Gabriel und Aaron hat erstaunlich gut funktioniert, was vor allem am aufgelockerten Auftreten Gabriels liegt. Da war der Alkohol wohl eine ganz gute Idee. Auch war die Folge wichtig, um einige Perspektiven zu beleuchten und zu veranschaulichen, welche Motivationen hinter gewissen Handlungen stecken. So hat auch Aaron eingesehen, dass es Sinn macht, weiter zu kämpfen und Dinge – wie diese Erkundungsmission – durchzuziehen. Auch visuell hatte die Folge „One More“ einiges zu bieten, was nicht zuletzt in einem gelungenen Rahmen zur Anfangssequenz endet. Darauf lässt sich aufbauen!
Bilder: AMC
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