Abschiede sind schwer, „The Walking Dead“ zelebriert das große Ende einer zwischenzeitlich großen Serie dann aber im ganz großen Stile – mit gleich drei Staffel-Dritteln! Okay, zwei Drittel wären auch sehr enttäuschend und unpassend… Wie dem auch sei: Das zweite Drittel der elften und letzten Staffel hat diese Woche ihren Abschluss gefunden (zumindest schon einmal auf der Streaming-Plattform AMC+), weshalb sich das Kuriosum ergibt, erneut ein Midseason-Final-Review zu erstellen. Kurios vor allem auch, weil sich viele Parallelen zur achten Folge der Staffel ergeben haben. Kurzum: Schöne Bilder, einige spannende Momente, ein paar unnötige und am Ende noch schnell ganz viel Teasern für das, was da bald kommen mag…
Dass man die Folge vielleicht nicht direkt bei Sonnenschein im Park schauen sollte (da hilft das wenig einladende Wetter aktuell eh fleißig mit…), wird direkt zum Auftakt klar. „The Walking Dead“ macht mal wieder Gebrauch vom mittlerweile etablierten Vorschau-Trick. Im nächtlichen Hilltop bekommen wir einen leicht genervten Lance und vor allem eine Leiche mit Pfeilköcher zu sehen. Und einen Heuschrecken-Schwarm zu hören!
„I’m not a baby anymore, mom.“ (Hershel)
19 Stunden und ein als „Act of God“ angepriesenes Mysterium zuvor begeben sich Maggie und Hersel auf einen Ausflug – inklusive mit Pfeilen bewaffneter Begleitung. Selten gab es direkteres Foreshadowing zu sehen, aber hier wird auch mit der Erfahrung und Erwartung von uns Zuschauern gespielt, die bei derart prominenter Platzierung auf einen Twist hoffen könnten.
Es geht zu Negan und den anderen, die in einem alten Whisperer-Versteck ausharren. Die ganze Situation wirkt etwas eigenartig, dient aber zumindest dem Zweck, dass Maggie offen aussprechen kann, dass sie so etwas wie Vertrauen zu Negan aufbaut. Ein wichtiger Moment, wenn auch zu einer seltsamen Zeit.
„You have big balls, Maggie Rhee!“ (Negan)
Eine nett anzuschauende Münzwurf-Animation samt anschließender Soldatenverteilung später wird klar, was Lance vorhat: Maggie stürzen. Aus dem Leben. Die Drecksarbeit soll Leah vollbringen, die ein persönliches Motiv mitbringt. Und eine Ladung schicker schwarzer Outfits für ihre (oder Lances?) Soldaten, die zu diesem Zeitpunkt noch so zahlreich erscheinen, um später kaum mehr eine wirkliche Rolle zu spielen. Vielleicht habe ich sie bei den dunklen Lichtverhältnissen aber auch einfach nicht sehen können, so ein paar Reflektoren wären nicht schlecht…
Das immer lauter werdende Zirpen des aufkommenden Heuschrecken-Schwarms war ein interessantes Instrument. Neben der Tatsache, dass wir damit parallel stattfindende Entwicklungen in einen zeitlichen wie geographischen Rahmen gefasst bekommen haben, hat die immer intensiver werdende Geräuschkulisse vor allem Interesse ob des Folgenden und Spannung erzeugen können. Werden die Heuschrecken der „Act of God“ sein und noch direkt in die Handlung eingreifen?
Daryl, Gabriel und Aaron befinden sich derweil auf Reinigungsmission. Die Anspannung erreicht ihren Höhepunkt bei einer Situation in interessanter Location, die einem Schrottplatz gleicht. Dabei hat mir die ungewöhnlich nahe Einstellung auf Daryl gut gefallen, die den misstrauischen Zweifeln Raum geboten hat. Die Spannung entlädt sich in vielen Schüssen, die Hollywood-Klischee-mäßig – bis auf einen Alibi-Schuss auf den schlechten Arm Aarons – nur die Bösen treffen. Und Überraschung: Der eine Soldat, der kurz zuvor seinen Helm abnehmen durfte, spielt nochmal eine etwas entscheidendere Rolle. Ne, mit dieser Helm-Taktik werde ich einfach nicht warm, das ist mir zu plump.
Was mich auch etwas gestört hat, ist die Eskalation der Entwicklungen. Es herrschen mal wieder große Kriegsvorbereitungen – Maggie ist mal wieder in der „Ich muss es tun!“-Haltung unterwegs und es gibt den bösen Kopf der Schlange, der entfernt gehört, um alles zu verbessern, weil sonst alle ins Verderben stürzen. Das ist alles etwas schnell hochgekocht. Klar, es gab den Zeitsprung und uns wurden exemplarische Gründe zur Anzweiflung des Konstruktes Commonwealth unterbreitet, aber ein ultimativer Kriegsausbruch wirkt mir da zu extrem in der Art, wie man es mal wieder inszeniert. Das gleicht zu sehr Schema F, das wir über all die Staffeln immer und immer wieder zu sehen bekommen haben.
Zu sehen bekommen hatten wir ja auch bereits das nächtliche Ungemach in Hilltop. Eine im Gebäude angebrachte Falle führt zur Explosion, ein bisschen Unvorsichtigkeit (auf einmal können Leute genau schießen, ähem…) zum Tod Marcos. Ja, dieser Charakter, dessen Name glücklicherweise in dem Moment nochmal gerufen wird, damit man weiß, wie er heißt, stirbt dann doch tatsächlich. Ich bin mir noch immer unsicher, ob ich die deutliche Vorhersage zu Beginn jetzt gut oder schlecht finden soll, da dort viel „ich denke, dass du denkst, dass ich denke…“ mitspielt.
Aber hey, es ist nicht alles brutales Kriegsgemach! Dass Worte Macht besitzen und man auch unblutig Dinge an- und vor allem umstoßen kann, will die Investigativ-Truppe im Commonwealth beweisen. Alex erhält auf der Arbeit die letzte Versicherung, dass ihr angedachtes Handeln notwendig ist, um kurz darauf von Sebastian belästigt zu werden. Ich weiß nicht, wie es euch in der Szene erging, aber bei mir kam so gar keine Spannung diesbezüglich auf. Aber wer weiß, vielleicht soll Sebastian in der nächsten Folge petzen, dass er Alex mit einer Mappe gesehen hat (uiuiui, das ist ihr Job…!).
„I’m doing this my way.“ – „Your way got my men killed!“ – „Collateral damage.“ (Leah & Lance)
Und dann wäre da noch das große Finale der finalen Folge des zweiten Drittels der finalen Staffel. Das andauernde und intensiver gewordene Gezirpe weicht einer Stille, die erfreulich lang ausfällt. Dieses Stilelement hat mir gefallen, zumindest in dieser Ausführung. Denn wenn es ganz still in „The Walking Dead“ wird, weiß man als erfahrende Person vor dem Bildschirm, dass gleich ein Jump-Scare folgen wird. Ganz so schlimm war es dann zum Glück nicht, dennoch war die Auflösung mit Leah dann doch eher ernüchternd, finde ich.
Leah sagt, sie habe soo lange auf diesen Rache-Moment mit Maggie gewartet. Ne, tut mir leid, das fühlt sich für mich wie „erst neulich“ an, ist die Schießerei doch erst wenige Folgen her. In dieser Folge bekommen wir gleich mehrfach die negativen Folgen eines Zeitsprunges zu sehen. Der ist super, um frische Elemente einzubringen und langsame Prozesse sprunghaft zu kommunizieren, aber nimmt uns Zuschauenden eben auch die Basis, zeitliche Spannen auch emotional greifen zu können. Das führt dann auch dazu, dass ich Leahs Androhung irgendwie nicht wirklich fühle. Kann aber auch sein, dass ich ob der Wiederholung solcher Statements durch X Figuren im Laufe der zehn-zwei-Drittel Staffeln „The Walking Dead“ ein bisschen abgestumpft bin…
„By the time I’m done, everyone you love will be dead.“ (Leah)
Aber es gab ihn dann doch. Diesen ganz kurzen Moment der Hoffnung. Nicht etwa, dass Maggie aus dieser eigentlich hoffnungslosen Situation herauskommen würde, sondern, dass sie doch tatsächlich stirbt. Dass man es endlich mal wieder wagen würde, einen Hauptcharakter sterben zu lassen. Mit Blick auf die wenigen ausbleibenden Folgen und die zahlreichen noch immer lebenden Figuren, wäre das mehr als gut zu verkraften. Mit den Worten an Negan und der Obhut-Sicherstellung Hershels wurde sogar ein möglicher Abschied bestens vorbereitet und mit einem Fall Maggies hätte man einen noch besseren Grund, das Commonwealth in der aktuellen Form ausradieren zu wollen. Aber nein, die sonst als so tough und militärisch erfahren dargestellte Leah hat die Handfesseln nicht fest genug gebunden, uppsie…
Es folgt, was folgen wird. Ein Ausblick zum Ende des Drittels, der nochmal klar macht, in was für einer Ausgangsposition wir uns befinden. Der erste Zeitungsartikel ist raus (was erstaunlich einfach ging, immerhin hat sich die Redaktions-Chefin zuletzt ja eher Regierungs-gebunden gezeigt gehabt…), was Unruhe ins Commonwealth bringen dürfte. Und damit auch die allerletzten Zuschauer:innen wissen, wer die Bösen sind, haben die ihren Helm zur De-Personalisierung stets aufhabenden Stormtrooper jetzt auch noch stilechte Nazi-Gedächtnis-Flaggen bekommen, um ihr wachsendes Reich nach Außen hin wahrnehmbar zu machen.
Schade, das war leider nicht der große Wurf, den ich mir erhofft hatte. Aber wie beim Review zur letzten Folge bereits geschrieben, hatte ich da so ein Gefühl, dass es nicht dazu kommen würde. Neben der Tatsache, dass mir vor allem viele Entwicklungen dessen, was Lance anstellt, nicht stringent und ersichtlich genug erzählt werden, fehlte mir hier einfach etwas. Vielleicht lag das auch am großen Aufbauschen dieser Heuschrecken, die letztlich gar keinen wirklich direkten Zweck verfolgt haben, sondern nur indirekt Atmosphäre erzeugen sollten. Das ist an sich auch gelungen und war mal eine gewisse Abwechslung. Die visuelle Aufmachung war erneut insgesamt ziemlich stark, auch wenn man mal wieder die Nacht herbeigerufen hat, um Atmosphäre zu schaffen und gewisse Aspekte einfacher im Verborgenen bleiben lassen zu können. Zudem gab es einige an die Comics erinnernde Shots zu sehen, vor allem mit Lance.
Aber es fehlte für mich persönlich der „Act of God“. Herrje, im Titel wird sogar von mehreren gesprochen! Aber wirkliche „Acts of Gods“ gab es nicht. Es durfte mal wieder ein Red Shirt sterben, das man zumindest ein paar Male zuvor gesehen hat. Dieser einzig wirklich nennenswerte Verlust wurde aber direkt mal vorhergesagt. Den Mut, wirklich wen Wichtiges sterben zu lassen, hat man erneut nicht gehabt. Eine Sache, die „The Walking Dead“ zu Beginn von Comic- wie TV-Serie so stark gemacht hatte.
Letztlich bleibt zu hoffen, dass das alles ein intensiver Aufbau für das abschließende Staffeldrittel der Serie war. Wir wissen jetzt alle, was passieren wird: Unsere Leute gegen das Commonwealth. Alle kommen nochmal zusammen, um sowohl von innen als auch von außen gegen die neue Weltordnung vorzugehen. Und Mercer als neuen Anführer einer gerechteren Organisation zu sehen. Mal schauen, wie viele und welche unserer Hauptfiguren das dann miterleben dürfen.
Bilder: AMC
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