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Thailändisches Möchtegern-„Black Mirror“

Review: Tomorrow and I S01E01 – „Schwarzes Schaf“

5. Dezember 2024, 09:53 Uhr
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Gestern ist mit „Tomorrow and I“ (stilisierter Titel: „Tomorrow + I“, Originaltitel: „Anakhot“) eine interessante neue Science-Fiction-Serie bei Netflix gestartet. Das thailändische Original erinnert von der grundlegenden Rezeptur und seinem Anthologie-Gewandt schon sehr an „Black Mirror“, wie dieser Pressetext aufzeigt:

„Was passiert, wenn Zukunftstechnologie auf thailändische Kultur und Tradition trifft? Die bahnbrechende Dramaserie ‚Tomorrow and I‘ besteht aus vier fesselnden Folgen. Jede der eigenständigen Folgen hat eine ganz eigene Note, übersteigt die Grenzen der Vorstellungskraft und taucht in zum Nachdenken anregende Szenarien ein, in denen thailändischer Glaube und thailändische Moral angesichts fortschrittlicher Technologie in Frage gestellt werden. In vier packenden Folgen – ‚Buddha-Daten‘, ‚Schwarzes Schaf‘, ‚Paradistopia‘ und ‚Tintenfisch-Mädchen’– gibt es ein Thailand der Zukunft zu entdecken, das Ihren Blick auf Technologie für immer verändern wird.“

Ursprünglich wollte ich ein Staffelreview zu den lediglich vier Episoden schreiben. Da diese jedoch allesamt über eine Stunde lang sind und ich nach Anblick der ersten nicht weiß, ob und wann ich überhaupt weiterschauen möchte, bringe ich erst einmal dieses (mit wenigen Spoilern behaftete) Einzelfolgenreview. Ganz so schlimm wie zwischendrin gedacht ist diese dann letztlich doch nicht geworden und wenn man den Episoden-Bewertungen auf IMDb Glauben schenken darf, sollten die anderen Folgen allesamt spürbar besser werden. Vielleicht reiche ich dann doch noch ein Spoiler-armes Staffelreview nach.

Blick in die nahe Zukunft

Wie man es von „Black Mirror“ kennt, wird sich auch in der Folge „Schwarzes Schaf“ von „Tomorrow and I“ der Taktik bedient, fiktive technische Errungenschaften zu demonstrieren, die auf uns bekannten Technologien fußen und somit realistisch genug anmuten, als dass man sich in einem Blick auf die nahe Zukunft wähnt. In dieser Folge geht es um das künstliche Erbauen von Organen auf Basis menschlicher Zellen sowie das Klonen, um geliebte Tiere oder Menschen zurück zu holen.

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Grundsätzlich empfinde ich die vielen kleinen und großen Sci-Fi-Umsetzungen auch als recht nett, auch wenn die visuellen Effekte im Allgemeinen eher mittelmäßig ausfallen. Hinzu kommt eine mitunter nervige Wackelkamera, die nicht zu der ansonsten sogar in Momenten hoch angepeilten Qualität der Cinematography passt. Ich fürchte, das hat auch einfach mit der für uns Europäer:innen eher ungewohnten thailändischen Filmkultur zu tun. Vor allem die erste Hälfte der Folge (was immerhin knapp 40 Minuten ausmacht…) fühlt sich unnormal langatmig an. Der Schnitt ist lethargisch, einige Szenen hätte man komplett rausnehmen können. Das Tempo passt einfach nicht. Wenn man dann noch sieht, wie eine Gruppe Leute im Schneckentempo aus einem Krankenhaus „flüchtet“, wird bereits in Gedanken der große Verriss im Blog geplant.

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Vermutlich fühlt sich die Folge auch derart flach an, weil ich sie mit englischer Synchronisation schaue (eine deutsche Tonspur gibt es leider nicht, aber Untertitel). Natürlich wird so der Originalton über Bord geworfen, der gegebenenfalls mehr Leben und Atmosphäre liefert. Aber dann hat das Synchronisations-Studio eben auch keinen guten Job gemacht, was den Soundmix anbelangt. Den Schauspielenden kann man da nicht mal viel vorwerfen. Sowohl im englischen Audio als auch im Visuellen sind durchaus Emotionen zu spüren. Vor allem die zwei männlichen Hauptfiguren offenbaren ein erstaunlich feines Mimikspiel, das sich selbst über die etwas starre Synchro transferiert.

Auch inhaltlich wird es emotional sowie vor allem zum Nachdenken anregend, was Moral und Ethik anbelangt. Sollte man Menschen ohne deren vorheriges Einverständnis Klonen und aus dem Reich der Toten zurückholen? Sollte man in den Erinnerungen von Verstorbenen herumwühlen? Vor allem aber bringt ein wahrlich überraschender Wendepunkt nicht nur Fragen auf, sondern weiß auch die Qualität der Folge schlagartig zu erhöhen. Eine Geschlechtsumwandlung zeigt, dass „Tomorrow and I“ abseits der technischen auch gesellschaftliche Entwicklungen behandelt. Ein starker Move, den ich so nicht habe kommen sehen.

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Wie dann damit umgegangen wird, ist dagegen wieder eher unausgereift. Bei der ach so wichtigen Erinnerungs-Evaluation soll der Ehemann gehen, statt mit seiner Nähe zur Verstorbenen zu helfen. Die Wissenschaftlerin gibt an, dass solche Entscheidungen beim Klonen von Tieren noch nie aufkamen, behandelt das Prozedere jedoch, als würde sie das täglich in der Form machen. Später wird zwischen Organaufbau aus Zellen und dem Klonen ganzer Menschen auf komplett willkürliche Art und Weise unterschieden. Und habt ihr auch dieses starke Schluck-Schluchzen gen Ende vernommen? Das wirkte schon sehr trashy.

Aber immerhin: Mit dem Genderwechsel hat die Folge an Relevanz gewonnen. Und vor allem an Moral. Man weiß halt nie, was in anderen Menschen vorgeht und welche Kämpfe sie kämpfen. Man weiß nie, welchen Einfluss das Umfeld auf Menschen hat, um sie sie selbst sein zu lassen oder ungewollt zu verformen. Und das ist dann letztlich auch die zeitlose Message dieser Folge, die gar kein Sci-Fi-Schnick-Schnack benötigt.

Die erste Hälfte der Folge fand ich erschreckend schwach. Durch den Twist hat die Folge an Substanz gewonnen, auch wenn die Umsetzung noch immer zu langatmig und teilweise qualitativ minderwertig geraten ist. Doch statt eines totalen Verrisses bin ich dann doch immerhin bei einer Mittelmaß-Bewertung gelandet. So wurde dann aber immerhin meine Neugierde nicht gänzlich erstickt, was die anderen Folgen wohl bereithalten. Das muss allerdings schon spürbar stringenter in der Umsetzung werden, wenn ich noch über drei Stunden dieser Art schauen soll. Das Perfide: Mit der gleichen Story hätte ein „Black Mirror“ vermutlich in 60 % der Spieldauer bei höherer visueller wie akustischer Qualität hier dreieinhalb bis vier Kronen abgesahnt. Da sieht man mal, welche Rolle kulturelle Nähe und Gewohnheit auch in der Einschätzung von Serien einnehmen kann.

Bilder: Netflix

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Donnerstag, 5. Dezember 2024, 09:53 Uhr
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