Schweiß, der zu Boden tropft. Blaue Flecken und Narben an Armen und Beinen. Ausgeschlagene Zähne. Eisbäder. Nein – in der Highshool-Mystery-Serie „Wage es nicht“ geht es nicht um Kampfsport oder Football, sondern um Cheerleading. Der insbesondere bei amerikanischen Mädchen beliebte Schulsport ist mehr als nur schmückendes Beiwerk zum Männersport, sondern ein knallharter Wettkampf, der den Teenagern alles abverlangt. Die im Original unter dem Titel „Dare Me“ laufende Serie schildert das harte Training einer Schulmannschaft auf dem Weg zu den regionalen Meisterschaften. Im Fokus stehen die beiden Freundinnen Beth und Addy, deren Freundschaft auf die Probe gestellt wird, als die neue Trainerin Colette aufschlägt, um mit eiserner Disziplin das Team zu fördern. Gerade für Addy ist Colette eine große Inspiration, die allerdings ein dunkles Geheimnis zu haben scheint.
Die auf dem gleichnamigen Roman von Megan Abbott basierende Serie zeichnet ein dunkles Bild der sonst idyllischen amerikanischen Vorstadt und zieht zur Veranschaulichung der bröckelnden Fassade die glitzernde Welt des Cheerleadings dafür heran. Schnell wird klar, dass sich hinter den perfekt choreografierten Tanzstücken, bittere Rivalitäten, Intrigen und allerlei Geheimnisse verbergen. Die Romanautorin Abbott schloss sich mit Gina Fattore zusammen, um ihren feministischen Krimi fürs TV zu adaptieren. Wie in der Vorlage wird das Leben zweier Freundinnen und ihrer Trainerin in den Mittelpunkt gerückt. Da ist zunächst einmal die von der jungen Marlo Kelly gespielte Rebellin Beth. Sie gibt nach außen hin die selbstbewusste und coole Anführerin des Cheerleading-Sqauds, die sich von ihren Mitschülerinnen für ihre herausragenden, sportlichen Leistungen bewundern lässt und exzessive Partys mit jeder Menge Alkohol feiert. Ein Blick auf ihr Privatleben zeigt aber, dass der Schrei nach Anerkennung vom zerrütten Elternhaus herrührt. Ihr Vater hat ihre Mutter und sie früh für eine andere Frau verlassen und eine neue Familie gegründet, aus der auch eine Tochter hervorging, die nun ebenfalls im Squad mittrainiert und Opfer zahlreicher Anfeindung von Beth wird. Gerade die Art und Weise, wie sie mit ihren Team-Kameradinnen umgeht, macht Beth zu einer unausstehlichen Person, die einem bei genauerer Betrachtung aber auch Leid tut.
Selbst ihre durchaus sympathischere Freundin Addy vermag es nicht sie zu erden. Addy (gespielt von Herizen F. Guardiola) steht in Beth‘ Schatten und versucht erst noch ihren Platz in der Welt zu finden. Da kommt es gelegen, dass mit Colette eine neue Frau das Training übernimmt, die ihr auch außerhalb des Sports Orientierung bietet. Als Beth und Addy eines Nachts die Trainerin mit einem fremden Mann im Auto verkehren sehen, tritt dies eine Lawine an Misstrauen unter den Freundinnen los. Während Beth die Tatsache am liebsten publik machen würde, steht Addy zu Colette, die sie insgeheim bewundert und für die sie auch Gefühle hegt. Als sie auch noch Colettes kleine Tochter nach der Schule babysitten darf, intensiviert sich das Verhältnis zwischen den beiden. Die Beziehung zwischen Addy und ihrem Coach zählt ohnehin zum Stärksten, das die Serie zu bieten hat. Zu sehen wie Addy anfängt sich in Colette zu verknallen und ihre Freude im Gesicht zu sehen, wann immer sie mit Colette Zeit verbringt, ist sehr rührend.
Auch der Zuschauer, verfällt dem Charme der coolen Colette, die zauberhaft von Willa Fitzgerald porträtiert wird, nur um dann festzustellen, dass auch sie nicht makellos ist. Als sich im Ort ein Gewaltverbrechen ereignet, vermutet man auch als Zuschauer das Schlimmste – Colette ist nicht diejenige, die sie vorgibt zu sein. Was ein wenig befremdlich wirkt, ist die Tatsache, dass die 29-jährige Schauspielerin selbst noch sehr jung aussieht und genauso gut selbst noch als Highschool-Schülerin durchgehen würde. Wer aber darüber hinwegsehen kann, bekommt eine spannende Geschichte mit starken weiblichen Figuren geboten.
„There’s something dangerous about the boredom of teenage girls“
Die Serie erzählt nicht nur eine düstere Krimigeschichte und zeigt dysfunktionale Beziehungen, sondern schlägt auch am Puls der Zeit. Jede Folge wartet mit einer stylischen Tanzeinlage in slow-mo und einer gehörigen Portion Hip Hop-Musik auf. Neben den optischen und akustischen Spielereien, bietet sie aber vor allem ein ungeschminktes Bild der Probleme und Sorgen junger Teenagerinnen. Da gehören Gespräche über die Menstruation genauso dazu, wie das Erbrechen nach dem Mittagessen, um die Figur zu halten. Männer hingegen spielen nur eine zweitrangige Rolle, was einerseits mutig und andererseits auch richtig ist. Die zehnteilige erste Staffel von „Wage es nicht“ lässt sich Zeit für die Charaktere und Situationen. So ist es nicht verwunderlich, dass zum Ende hin, lediglich die erste Hälfte der Buchvorlage abgehandelt ist. Das lässt einen auf eine zweite Staffel hoffen.
Fazit
Düsterer Highschool-Thriller für „Riverdale“ und „Élite“-Fans, der anhand eines Chearleading-Teams einen Blick in die Abgründe amerikanischer Vorstädte wirft. Der Mystery-Plot ist nur wenig originell, dafür überzeugen die jungen Schauspielerinnen.
„Wage es nicht“ ist auf Netflix verfügbar.
Bilder: USA Network
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