„In China essen sie Hunde (und Katzen)“, „alle Asiaten sehen gleich aus“, „alle Asiaten können Karate“ (oder fighten wie Bruce Lee). Was war das jetzt und wer ist denn dieser Bruce Lee eigentlich nochmal? Für alle Jüngeren unter euch: Er gilt auch jetzt noch als Ikone und wird von vielen Fans weltweit als größter Kampfkünstler des 20. Jahrhunderts angesehen, obwohl er bereits sehr jung mit nur 32 Jahren verstarb. Und er war unter anderem ein Idol von Chuck Norris. Jawohl. Gott der Götter der Kampfsportszene quasi. Er wirkte in über 30 Filmen mit und hatte auch bereits 1971 die Idee zu einer filmischen Umsetzung, die die Abenteuer eines asiatischen Kampfkünstlers im Wilden Westen zeigen sollte. Daraus wurde dann irgendwann die Serie „Kung Fu“ – die hatte dann aber mit der Originalidee dann doch wieder gar nicht mehr so viel zu tun. Also hat sich Bruce Lees Tochter Shannon eben jenes Skript gepackt und zusammen mit dem Regisseur Justin Lin daraus „Warrior“ gebastelt. Jetzt dürfen wir bei Sky die Ausstrahlung dieser ersten Staffel, aufgeteilt auf zehn spannende Episoden, erleben.
Ah Sahm (Andrew Koji) heißt dieser junge, heißblütige Fighter, der das San Francisco der 1870er Jahre aufsucht, um seine verschollene Schwester zu finden. Asiaten, allen voran Chinesen, wie er waren damals „begehrte“ Billigarbeitskräfte („Kulis“), die für rund „27 Dollar im Monat“ körperlich schwere Arbeiten verrichteten, in behelfsmäßigen Barracken ihre kurzen Schlafphasen verbrachten und zumeist jung, entkräftet und zerschunden dort auch ihr Leben aushauchten, um dann in anonymen Erdlöchern verscharrt zu werden. Eine Alternative zu diesem Leben stellte für die gerissenen, findigen und skrupellosesten unter ihnen die Mitgliedschaft in einer der Straßengangs, den so genannten „Tongs“, dar. So viel zum Hintergrund. Kurz nach seiner Ankunft im Hafen von San Francisco wird Ah Sahm Zeuge, wie einer dieser Kulis auf offener Straße misshandelt und gedemütigt wird und bereitet dem gekonnt ein schnelles Ende. Durch jahrelanges Training der Kampfkunst geschult, fällt er durch sein mutiges Einschreiten positiv auf – und wird mitten hineingezogen in die Kriege rund um Drogenschmuggel, Waffenhandel und Prostitution der miteinander konkurrierenden Tongs. „Mittendrin statt nur dabei“ erhält hier eine völlig neue Bedeutung, Verwendung für einen guten Kämpfer (und Schläger) findet sich schließlich immer.
Die Gegenseite stellt die Polizei und die durch Bürgermeister Samuel Blake neu geschaffene, immens schlagstarke (aus ganzen zwei Mann bestehende!) Spezialeinheit dar, die endlich für Ruhe im gebeutelten Bezirk „Chinatown“ sorgen soll. Der Polizeichef hatte, durch politischen Druck bestimmt, aufgetragen, dass unter allen Umständen „aufzuräumen“ sei und die durch Gangs angezettelten Kriege, Gewaltakte und Drogenschmuggel schnellstmöglich eingedämmt werden müssen. Bill O’Hara (Kieran Bew) und Neuling Richard Lee (Tom Weston-Jones) bilden diese Truppe und müssen viel von- und übereinander lernen, um sich im Verlauf der Serie zu dem gut funktionierenden Buddy-Gespann zu formieren, das den Zuschauer auch mitnimmt, mitten hinein in das dunkle, dreckige San Franciso der 1870er Jahre, als die Polizei noch regelmäßig am helllichten Tag mit dem Schlagstock auf vorwiegend ausländische „Kriminelle“ einprügelte, um irgendwelche Geständnisse zu erpressen. Jener Zeit, als fast täglich Leichen (Überbleibsel der sogenannten Tong-Wars, für Geschichtsinteressierte) aufzusammeln waren, wenn die Polizisten ihre üblichen Routine-Runden drehten.
Für einen Kampfsportfan wie mich gibt es keine große Auswahl an Serien, die meinen Ansprüchen genügen. Neben „Kingdom“ rückt daher „Warrior“ in meiner eigenen Rangliste ganz weit nach oben. Die Actionszenen, die Fights also, sind wirklich gut choreographiert, wirken echt. Da gibt es keine meterhohen Sprünge, bei denen sich der Zuschauer fragt, warum sich die Kämpfer nicht längst selbst KO geschlagen haben, weil sie mit ihren Köpfen gegen die Zimmerdecke knallen müssten. „Warrior“ bleibt in dieser Hinsicht auf dem wohl bewährten Boden der Tatsachen. KO gehen dann trotzdem einige, denn echte Kämpfer teilen nicht nur aus, sie stecken auch ein und bluten! Werden sie hart getroffen, fallen sie auch wochenlang aus und müssen mühsam aufgepäppelt werden. Schon allein diese Tatsache hat mich überzeugt. Wie oft geht sonst bitte der Gegner völlig kaputt und der Gute gewinnt ohne einen Kratzer? Und wer will mir bitte erzählen, dass eine Nase nach einem gezielten Faustschlag nicht gebrochen ist oder zumindest anfängt zu bluten?
Okay, inwiefern Bruce Lees handschriftliche Notizen wirklich als Grundlage für „Warrior“ genutzt wurden, in welchem Maße also das umgesetzt wurde, was sich Bruce vor gut 50 Jahren erdacht hat, das kann ich nicht beurteilen, da ich diese Notizen nicht kenne. Für mich wird hier aber nicht nur Fokus auf harte Action ohne Hirn gelegt, sondern auch eine Storyline geboten, die den Zuschauer fesselt und ihn bei den Erlebnissen der Hauptdarsteller mitfiebern lässt. Auch starke Frauenrollen gibt es hier. Da wäre zum Beispiel die toughe Bordellbesitzerin Ah Toy, die nicht nur ihren kleinen Miet-Harem perfekt im Griff hat, sondern auch skrupellos über Leichen geht, wenn sie ihr Vermögen vermehren will oder Ah Sahms Schwester Mai Ling, die mit dem konkurrierenden Tong-Chef verheiratet und definitiv nicht mehr das unschuldige naive Mädchen aus China ist.
Das San Franciso der 1870er Jahre (meiner Meinung nach etwas zu sauber geraten) dient nur als eine Kulisse für den Rassismus dieser Zeit, in welcher ausländische Arbeiter weit unter jeglichem Mindestlohn und bei katastrophalen Bedingungen untergebracht, dafür sorgten, dass moderne Technik wie Eisenbahn oder eben San Franciscos berühmte Cable Cars erstmals installiert wurden. Nur als kleine Erinnerungsstütze: die Sklaverei wurde erst 1865, also nur wenige Jahre zuvor, abgeschafft. San Franciso, wie auch alle anderen amerikanischen Großstädte, war zweigeteilt in weiße und „minderwertige“ Bevölkerung und wenn sich einmal ein Asiate ohne Dienstboten-Uniform und allein in den „weißen“ Teil verirrt und nicht nur seinen „Herrn“ unterstützt hat, wurde dieser äußerst kritisch beäugt und gerne unter meist haltlosen Vorwänden weggesperrt – ohne Chance auf ein ordentliches Verfahren oder einen Verteidiger, der den Namen seiner Berufsbezeichnung auch nur ansatzweise verdient. Befremdlich, zumindest für mich, sich im Jahr 2020 vorzustellen, dass es vor gut 150 Jahren wirklich so rau zuging. Dem Produzententeam ist es hervorragend gelungen, die Stimmung dieser Zeit gut auf die Leinwand zu bringen, sodass man zumindest ansatzweise nachvollziehen kann, wie sich asiatische Einwanderer zu jener Zeit gefühlt haben mussten.
Ich freue mich bereits jetzt auf die für diesen Oktober angekündigte Ausstrahlung der zweiten Staffel von „Warrior“.
Bilder: SKY
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