Was bewegt einen Menschen, sich in eine Fantasiewelt zu begeben, in eine Welt, in der man alles ausprobieren kann, ohne die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen? Ist es der Wunsch, herauszufinden, wer man wirklich ist? Oder ist es der Wunsch, herauszufinden, wer man sein könnte? Schöpfer und Besucher von Westworld sind sich bei der Antwort auf diese Frage jedenfalls nicht einig.
„The only limit here is your imagination.“
William und sein Freund Logan steht das größte Abenteuer überhaupt bevor: Sie reisen nach Westworld. Während William sich normal verhält, seine Manieren behält und gleich zu Beginn der ersten Versuchung in Form einer schönen Androidin widersteht, versucht sein Begleiter Logan alles mitzunehmen, was geht – und verliert sich sofort: Beleidigungen, Gewalt, eine herabwertende Haltung allen Bewohnern von Westworld gegenüber. Und langsam kommt die Frage auf: Hat die Wahl des Hutes vor Eintritt in Westworld etwas mit der Persönlichkeit zu tun? Löst die Wahl des Hutes etwas aus? Zumindest wissen wir, dass die „Bösen“ bisher immer die dunkle Seite wählten. Aber auch Ford trägt Schwarz …
„This place seduces everybody eventually.“ – Logan
Unterdessen wird Dolores von Visionen und Albträumen geplagt. In einem Gespräch mit Wissenschaftler Bernard wird deutlich, dass Dolores anders ist als die anderen Androiden, nicht nur, weil sie schon am längsten von allen Teil des Parks ist. Er bewundert an ihr die Art, wie sie denkt. Aber Moment mal – denkt? Meint er programmiert ist? Was genau verschweigt er hier? Dolores jedenfalls scheint sogar Shakespeare zu kennen und stiftet mit ihrem Zitat Verwirrung bei anderen Androiden.
„These violent delights have violent ends.“ – Dolores (William Shakespeare – Romeo und Julia)
Auch weitere Androiden verhalten sich nicht ganz nach Skript und müssen aus dem Verkehr gezogen werden (hier bekommt das Wort „Recall“ gleich eine ganz andere Bedeutung). Bernard und Theresa ziehen die Option in Betracht, dass die Anomalie, die bei Dolores (ursprünglichem) „Vater“ Peter Abernathy auftrat, möglicherweise „ansteckend“ ist. Hat jemand die Programmierung der Androiden mutwillig sabotiert, damit sie nicht mehr wie Marionetten fungieren, sondern von Erinnerungen, existenziellen Ängsten und Wünschen getrieben werden?
Von einem ungewöhnlichen Wunsch lässt sich auch der „Mann in Schwarz“ treiben, der auf der dringlichen Suche nach dem Eingang zum Labyrinth ist. Der Haken daran ist allerdings, dass die Karten, die er dafür braucht, sich auf der Innenseite der Schädeldecke der Androiden befinden. Ihm bleibt somit nichts anderes übrig, als sein Messer zum Einsatz kommen zu lassen. Was das Labyrinth verbirgt, bleibt herauszufinden. Doch es muss einen großen Anreiz darstellen, denn der Mann in Schwarz scheint nicht vorzuhaben, Westworld jemals wieder zu verlassen.
Hinter der Kulissen von Westworld versucht unterdessen Lee Sizemore eine neue Storyline für den Themenpark durchzusetzen und ist dabei ziemlich größenwahnsinnig. Er will den großen Schlag landen – dabei hat Ford schon lange an etwas Neuem gearbeitet. Aber kann diese Idee in einer Welt mit programmierten Androiden funktionieren?
„They come back because of the subtleties, the details.“ – Dr. Ford
Auch die zweite Folge Westworld ist spannend inszeniert. Wir bekommen mehr Antworten zu dieser außergewöhnlichen Welt geliefert, doch noch mehr stellen sich uns neue Fragen. Zumindest verfolgen wir in dieser Episode mit, wie Besucher nach Westworld gelangen und auch, wie die Macher von Westworld in diese Welt eintreten. Wir erfahren, dass es sehr wohl wichtig ist, wer man ist und in welcher Kondition man in den Themenpark eintaucht. Eine Befragung zu Beginn soll Aufschluss darüber geben, mit welchen Ereignissen man im Park konfrontiert werden kann. Wie weit man dann letztendlich gehen will, hängt aber ganz von einem selbst ab. Doch hat man tatsächlich immer die Wahl?
„No orientation. No guidebook. Figuring out how it works is half the fun.“
In dieser Folge wird mit intensiven und langen Closeups gespielt, insbesondere von Dolores, aber auch von Maeve. Diese Closeups, die uns durch einen langsamen Zoom noch dichter an die Gesichter der Akteure bringen, lassen uns ihren Ausdruck genauestens studieren, lassen uns nach einem Hinweis suchen, der uns verrät, was in ihnen vorgeht.
Darüber hinaus gibt es in dieser Episode ein schönes Spiel mit Überbelichtung und Schatten, mit Geschehnissen im Off, die uns als Zuschauer visuell verborgen bleiben, denen wir aber akustisch und anhand der Reaktionen, die sie bei anderen auslösen, folgen können und mit Wiederholungen, die die Episoden verbinden und uns die Mechanik von Westworld näherbringen. Denn nur wenn man etwas immer und immer wieder sieht, fallen einem irgendwann auch die Abweichungen auf.
Neben ein paar schönen Bildausschnitten, die oft sehr geometrisch aufgebaut sind, hat mir die Traum- (oder Erinnerungs-?) Sequenz von Maeve und das Aufeinandertreffen von William und Dolores am besten gefallen. Vermutlich aufgrund des unterschwelligen Versprechens, dass hier noch einiges geschehen wird – und noch viel Klärungsbedarf besteht.
Die zweite Folge hält das hohe Niveau auf jeden Fall und überzeugt mit wirklich starken Bildern. Und wenn wir jetzt langsam von drei runterzählen, läuft auch schon die nächste Episode. Ich freu mich drauf.
Bilder: HBO
Ich finde, man hat in dieser Folge ganz gut erste Anzeichen von Unterhaltungsindustrie-Kritik gesehen, sehr schön. Ich bin gespannt, wie sie weiterhin den Bogen zwischen faszinierend-innovativer Technik und dem Aufzeigen des menschlichen Gottspielens und dessen Abgründe. Bisher sehr schön erzählt, schaut gut aus und ist mysteriös. Für mich ergibt sich zwar noch nicht, wie so etwas über mehrere Jahre laufen können sollte, aber als lang erzählter Film funktioniert es bestimmt prächtig.