„Westworld“ ist zurück! Und der deutsche Titel der Auftaktepisode, „Zeit der Vergeltung“, beschreibt recht deutlich, was uns in der ersten Folge der zweiten Staffel erwartet. Der Originaltitel, „Journey Into Night“, bleibt da noch etwas geheimnisvoller. Die Erwartungen sind hoch, die Spannung ist groß, die Vorfreue steigt und nun ist es wirklich soweit, dass die Premierenfolge von Staffel zwei über den Bildschirm flimmert.
Intro
Das erste, das auffällt, ist die Anpassung des Intros. Die Änderungen sind nicht von Grund auf vorgenommen worden, aber zwei Dinge sind wirklich deutlich: Die sich paarenden Hosts, die im Intro der ersten Staffel auftauchen und sich in der Herstellung befanden, wurden durch zwei Hosts ersetzt, die nun Mutter und Baby darstellen. Ist dies als Entwicklung zu verstehen? Auch das Pferd, das in den bisherigen Intros erschien, wurde durch einen Büffel ersetzt. Aber nicht einfach so. Während das Pferd immer in seiner Bahn blieb, bricht dieser Büffel aus und kündigt damit das bevorstehende Chaos an, das über Westworld hereinbricht.
Ein Punkt ist noch spannend: Am Ende des ersten Intros taucht der Host in dem runden Gestell in eine weiße Flüssigkeit ein, die für die Funktionalität der Hosts nötig ist und die auch in dieser Folge eine wichtige Rolle für Bernard und sein „Überleben“ steht. Am Ende des zweiten Intros taucht der Host in Wasser und spielt damit vermutlich auch bereits darauf an, was uns erst am Ende der Episode deutlicher gezeigt wird: Liegt Westworld auf einer Insel? Und was bedeutet der im Wasser schwimmende schwarze Hut dann? William, nimm dich in Acht!
What is real?
Wir starten ruhig und in einer altbekannten Situation in die erste Folge: Bernard (oder wohl eher Arnold) und Dolores unterhalten sich. Doch er steht neben sich. Er erzählt ihr von einem Traum, der fast wie eine Vorahnung wirkt. In diesem Traum war er mit den anderen auf dem Meer an einer entfernten Küste. Doch er war nicht zusammen mit ihnen dort. Er wurde von ihnen zurückgelassen. Dolores spricht zwar in ihrer altbekannten Höflichkeit und mit ihrer freundlichen Stimme, doch sie stellt infrage, was ihr Mentor ihr über Träume und Realität erzählt, nämlich dass Träume nichts bedeuten und real nur das ist, was unersetzlich ist. Er ist überrascht, beeindruckt, aber auch eingeschüchtert von Dolores Skepsis, ihrem Verständnis und Bewusstsein.
„You… you frighten me sometimes, Dolores.“
„Why on earth would you ever be frightened of me?“
„Not of who you are now, you’re growing, learning so quickly. I’m frightened of what you might become, the path you might take.“
Is this now?
Ich finde den Einstieg großartig. Wir werden ganz an die Anfänge zurückversetzt und sehen im Anschluss dann nach und nach die Bestätigung für Arnolds Vorahnungen. Zeitsprung: In abgehackten Schnitten werden wir im Schnelldurchlauf durch die kürzliche Entwicklung in Westworld gehetzt. Wir erinnern uns, wo die letzte Staffel uns zurückgelassen hat: Dolores erschießt Robert Ford. Was dann folgt, kann man durch die kurzen Szenen nur erahnen: Bernard, der um sich schießt, ein Aufeinandertreffen mit Dolores, Peter Abernathy (Freudensprung). Und dann wieder ein Zeitsprung: Bernard wacht verwirrt an einem Strand auf und findet sich umgeben von bewaffnetem Delos Sicherheitspersonal. Es stellt sich heraus, dass seit dem Mord an Ford etwa zwei Wochen vergangen sind und für diese Zeit die Kommunikation von außen in den Park nicht möglich war. Die Delos Such- und Rettungstrupps versuchen nun also unter der Leitung von Karl Strand die sich noch im Park befindenden Menschen zu retten und die Hosts ausnahmslos auszuschalten. Denn die Regeln wurden geändert: Die Hosts können Menschen nun verletzen, sogar umbringen. Die Gefahr könnte also größer kaum sein.
Ein Rückblick bringt uns dann nochmal an den Abend zurück, an dem alles ausartete: Bernard und Charlotte Hale verstecken sich mit ein paar anderen Gästen vor den Hosts und versuchen den nächsten Ausgang aus dem Park zu finden. Dabei geraten sie in einen Hinterhalt, aber Hale und Bernard schaffen es in die Kontrollstation. Ihr nächstes Ziel: Peter Abernathy, also zumindest den Host, der ihn verkörpert, finden und auf das Festland schicken. Auf ihm wurden alle relevanten, den Park betreffenden Daten gespeichert. Solange diese „Auslieferung“ nicht passiert, wird keine Hilfe zu ihnen geschickt. Bedeutet im Umkehrschluss, dass ihnen die Aktion am Ende geglückt sein muss, da das Sicherheitspersonal ja in anderer Zeitebene anrückt. Nebenbei findet Bernard dann auch noch heraus, dass Delos nicht nur die Daten von Erlebnissen der Gäste speichert, sondern auch deren DNA. Aber gut, wenn die jetzt eh alle sterben, dann ist das den geringsten Aufschrei wert.
Der Übergang von Bernards Rückblick zurück in die (vermutlich) aktuelle Zeitebene wird durch eine Diskrepanz zwischen Bild und Ton geschaffen. Wir sind zurück im Mariposa Saloon, in dem in vergangenen Episoden schon oft der Beginn des nächsten Loops zu sehen war. Das Klavier fängt wie immer an von alleine zu spielen. Doch diesmal ist das fröhliche Treiben in und um den Saloon nur musikalisch fröhlich. Denn sowohl im Saloon als auch davor sind nur Leichen zu sehen. Alles ist außer Kontrolle geraten. Wahrhaftige Massaker wurden angerichtet. Überall leblose Körper. Ob Mensch oder Maschine ist nicht auszumachen, blutüberströmt sind sie alle. Kein Wunder, denn Delos ist auf der Jagd nach den Hosts und Dolores und Teddy sind auf Rachefeldzug und schalten alle Menschen aus, die ihnen begegnen. Untermalt mit dem fröhlichen Song „The Entertainer“ von Scott Joplin wirkt dies absolut sarkastisch.
Sehr schön inszeniert finde ich Dolores Befragung der Menschen, die mit einem Strick um den Hals um ihr Leben flehen. Dolores sagt hier so gut wie jeden Satz auf, der ihr in den zahlreichen Sitzungen bei Wartung und Wiederherstellung entgegengebracht wurde oder aber nutzt Schlüsselzitate aus der ersten Staffel, die ihre Handlungen ankündigen oder rechtfertigen. Dabei fällt auf, dass ihre Ausdrucksweise eine andere ist als zuvor. Sie spricht abgeklärt und schroff. Von Dolores ist nicht mehr viel übrig, Wyatt hat das Ruder übernommen. Aber eigentlich möchte sie einfach nur jemand sein, der nicht programmiert wurde.
„I have one last role to play… myself.“ – Dolores
No one’s in control
Maeve hat einen Entschluss gefasst: Sie wird ihre Tochter wiederfinden. Während sie Hector nicht überzeugen muss, ihr bei der Suche zu helfen, braucht Lee Sizemore eher ihre Hilfe, um das Massaker zu überleben und bietet ihr im Gegenzug seine Parkkenntnis an. Obwohl sie weiß, dass sie programmiert wurde und ihre Tochter nur eine länger zurückliegende Storyline war, die mittlerweile gelöscht wurde, hat sie das dringende Bedürfnis, in ihr altes „Leben“ zurückzukehren, zumindest kurzzeitig.
My Game
Die wohl spannendste Sequenz der Auftaktepisode ist die rund um William, den Man in Black, der sich durch den Park arbeitet und schließlich auf den Mini-Ford, einen Host der alten Generation, den Arnold damals Ford geschenkt hat, trifft. Die Konversation, die sie führen, bringt so viel mit sich, dass ich sie gerne noch einmal Revue passieren lassen möchte.
„Are you lost?“
„No, I don’t believe I am. In fact I feel like I’ve just arrived.“
„How so, William?“
„The stakes are real in this place now. Real consequences.“
„Question for you is, what next? Have you achieved all you wanted?“
„The folly of my kind — there’s always a yearning for more.“
„That’s what I’ve always appreciated about you. You never rested on your laurels. You’ve made it to the center of Arnold’s maze. But now you’re in my game. In this game, you have to make it back out. In this game, you must find the door. Congratulations William. This game is meant for you. The game begins where you end. It ends where you began.“
„Even now, you all still talk in code?“
„Everything is code here, William. You know that more than anyone. Don’t worry — the game will find you.“
„Well then. I guess I don’t need you anymore, Robert.“
Wie hat Ford das gemacht? Den Host so programmiert, dass er William findet, dass er ihn auf sein neues Spiel hinweist, mit ihm kommuniziert, sogar fast mit „echter“ Ford-Stimme? Wir wissen aus der vorherigen Staffel bereits, dass Ford Hosts allein durch einen Fingerzeig steuern konnte. Was hat er noch alles erschaffen und geschafft? Doch abgesehen davon ist die viel wichtigere Erkenntnis aus dieser Konversation, dass ein neues Spiel auf William wartet. Während er die vergangenen Jahre damit verbracht hat, Arnolds Spiel, the maze, zu entschlüsseln, nur um herauszufinden, dass dieses nicht für ihn, sondern allein für die Hosts in ihrem Bewusstwerdungsprozess gemacht war, ist dieses Spiel von Ford extra für ihn geschaffen worden. Und so erklärt sich dann auch der Titel der Staffel: William muss die Tür, the door, finden. Die Tür aus dem Park hinaus? Die Tür zu Dolores? Die Tür zu sich selbst – sozusagen zurück zum weißen Hut?
Noch gibt es für „Westworld“ nach dieser Folge Luft nach oben. Besonders gut gefallen haben mir der ruhige, verheißungsvolle Einstieg und die schönen Übergänge zwischen Zeitebenen und Parallelhandlungen. Ebenfalls mochte ich, dass wir in so gut wie jeden Erzählstrang schon mal kurze Einblicke erhalten haben. Es fehlen zwar noch Abernathy, Clementine, Elsie… na gut, schon noch ein paar. Aber auf die Hauptcharaktere konnten wir schon mal einen Blick werfen.
Es wird sehr deutlich, dass wir uns zwischen mindestens zwei Zeitebenen, der des Rebellionstarts und der etwa zwei Wochen später bewegen. Dazu kommt der Rückblick ganz am Anfang. Wir erfahren, dass Westworld auf einer Insel zu liegen scheint und hinter Delos noch so einiges mehr steckt, das hinterfragt werden muss. Doch neben manch offensichtlichen Dingen und ein paar wenigen Erkenntnissen, was in der Zeitlücke zwischen beiden Ebenen geschehen ist, gibt es weiterhin zahlreiche Fragen, die uns beschäftigen. Vermutlich auch noch länger als bis zur nächsten Episode.
Hat es etwas zu bedeuten, dass William einen neuen schwarzen Hut hat? Weiß Dolores wirklich nichts mehr von William? Was hat Ford noch so an Überraschungen vorbereitet? Habt ihr eine Theorie für Fords Spiel, das dort beginnt, wo William endet? Meint ihr auch, dass es hier um sein früheres Ich geht oder schwebt euch etwas ganz anderes vor? Und vor allem: Warum hat Bernard all die Hosts umgebracht?
„I killed them, all of them.“ – Bernard
Ich finde, das war ein toller Auftakt, auch wenn mir das ganze Blutvergießen und Geballere schon etwas zu viel war, da diese Szenen vermieden haben, dass sich neue, mysteriöse Erzählstränge entwickeln. Das ist aber auch schon so gut wie alles, was mich gestört hat. Ich bin gespannt auf die Beantwortung der ganzen noch offenen Fragen. Ich freu mich auf weitere Fragen, die sich entwickeln. Und darauf, wie Williams Spiel aussehen wird. Denn wenn in der ersten Staffel das Ziel war, einen möglichst tiefen Einblick in Westworld zu erlangen, so ist das Ziel dieser Staffel, möglichst viel drumherum zu erfahren und dem Park wieder zu entkommen. Run boy, run.
Bilder: HBO
Ich war ganz erschrocken, wie viele Details ich ob der langen Pause nicht mehr genau wusste (zum Glück gab es ein entsprechend langes „previously on…“). Kann eigentlich mit allen Punkten von die mitgehen. Ein hochklassiger Auftakt, der aber eben auch nicht mehr als eine (hoffentlich) solide Basis darstellt. Das Lockerleichte aus dem Park-Beginn mit den Loops wird man wohl fortan vermissen müssen, das war dann doch viel schwere Kost – für Auge und Gemüt.
Ich fand es auch eine sehr morbide Folge. Sehr viel Tod. Sehr viel Gewalt und ganz anders als die erste Folge der ersten Staffel. Aber das ist ja auch gut so.
Das fröhlich-leichte Gefühl und die Parkatmosphäre wurden komplett gekippt und ich bin gespannt, wie es weitergeht.
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