Where to begin? „Westworld“ ist in seiner alten, leicht überfordernden Manier zurück und wir befinden uns auf dem Weg nach Glory. Und es dauert nicht mehr lange, bis Westworld in Schutt und Asche liegen wird. Denn dafür sorgen gleich zwei Lager. Doch versuchen wir das Erzählstrang-Zeiten-Chaos einmal zu ordnen und uns diesem chronologisch zu nähern.
Have you ever seen anything so full of splendor?
Wir starten ganz ungewöhnlich zunächst ohne Intro in die zweite Episode der zweiten Staffel „Westworld“. Auch wenn der erste Ton, der erklingt, uns zunächst das Intro erahnen lässt, wird schnell klar, dass wir etwas anderes zu erwarten haben, ja sogar fast eine vollkommen andere Welt.
„You’re in… you’re in our world.“
Arnold spricht mit Dolores und zeigt ihr die reale Welt, die Welt außerhalb des Parks. Sie ist fasziniert, doch gleichzeitig noch nicht auf dem Stand, der sie erfolgreich improvisieren lässt und so beschließt Arnold zum Ärger von Ford, dass Dolores noch nicht bereit ist für die geplante Demonstration. Welche das ist, erfahren wir wenig später, wenn zwei Hosts, darunter auch Angela (diejenige, die William bei seinem allerersten Besuch im Park begrüßt), versuchen, Logan Delos, den Sohn des reichen Unternehmers James Delos, eben deshalb von einem spannenden Projekt zu überzeugen, für das sein Vater der perfekte Investor wäre.
Ein Test, unter zahlreichen geladenen, absolut menschlich wirkenden Gästen, den Host auszumachen, überzeugt Logan zweifellos davon, dass dieses Projekt ein Investment wert ist. Nicht nur die Tatsache, dass Angelas Position eigentlich Dolores hätte übernehmen sollen, sondern überhaupt der Einblick in den Ursprung Westworlds ist fast schon so überwältigend, wie ein überzeugender Ben Barnes als Logan den Moment erlebt, in dem er realisiert, dass alle geladenen Gäste Hosts sind.
„Welcome to Westworld.“
Schon hier wird uns in kurzen, aber eindringlichen Detailaufnahmen von Dolores immer wieder vermittelt, dass dieser Host sich von den anderen unterscheidet. Dass eine Art Aufmerksamkeit und Reflexion existieren. Doch damit nicht genug. Einen wichtigen Teil zwischen dieser und den nächsten „historischen“ Szenen kennen wir bereits: Delos investiert, Logan und William besuchen den Park, William verliebt sich und irgendwann muss er Dolores im Park wieder zurücklassen. Doch womit man nicht unbedingt gerechnet hat: Es ist William, der James Delos davon überzeugt, dass sich mit dem Park weitaus mehr Geld verdienen lässt, als ihr Ansatz zurzeit einbringt. Er weist ihn, veranlasst durch seine eigenen Erlebnisse im Park, darauf hin, dass das eigentliche Geschäft in der Überwachung der Gäste und ihrer als geheim und vollkommen frei von Urteil und Konsequenzen geglaubten Aktivitäten liegt.
Ein weiterer Zeitsprung bringt uns nun an den Punkt, an dem James Delos sich zur Ruhe setzt und William das Ruder übernimmt. Auf einer Feier zum Ruhestand von Delos Senior ist Dolores für die musikalische Unterhaltung des Events vor Ort. William scheint nicht unberührt von ihrer Anwesenheit zu sein, doch seine Frau und seine Tochter sind da, weshalb Contenance gefragt ist. Dolores trifft später auf Logan, der sich Drogen verabreicht und ihr erzählt, dass die Welt vor die Hunde geht.
Und dann wäre da noch die intime Situation zwischen William und Dolores. Insgeheim hofft man auf eine leidenschaftliche Wiedervereinigung der beiden. Doch bereits die Tatsache, dass sie nackt vor ihm sitzt und er sie wieder „back online“ bringt, lässt ein mulmiges Gefühl aufkommen, gefolgt von einem verbitterten Monolog.
„You really are just a thing. I can’t believe I fell in love with you. You didn’t make me interested in you, you made me interested in me. Turns out, you’re not even a thing. You’re a reflection.“
Jimmi Simpson nähert sich mit der Figur, die er verkörpert, immer und immer mehr an Ed Harris Man in Black an. Was hat William dazu gebracht, so verbittert zu werden? Und was ist es, was er Dolores am Ende der Szene zeigt, was er später als seinen größten Fehler bezeichnet?
We shall have them
Derweil, naja, also nicht wirklich derweil, sondern eigentlich etwa 30 Jahre später, ist die Rebellion der Hosts in vollem Gange. Dolores und ihr Gefolge aus Teddy und Angela dringen hinter die Kulissen des Parks und übernehmen die Kontrolle über einen Delos-Angestellten, der ihnen fortan helfen muss, eine Armee aufzubauen. Nicht so einfach, wenn etwa 50 Hosts 800 erwarteten, bewaffneten Menschen gegenüber stehen. Doch die Aufrüstung ist in vollem Gange und so gesellt sich u.a. Jonathan Tucker (Kingdom) alias Major Craddock – unfreiwillig – zu der Truppe unter Führung von Dolores hinzu. Und während Dolores zunächst dafür sorgt, dass Teddy seine Historie einsehen und den Park verstehen kann, trifft sie später auf Maeve, die sich jedoch weigert, sich der Gruppe anzuschließen und ihrem eigenen Weg – zu ihrer Tochter – weiter folgt.
Besonders interessant sind Dolores Rückblicke und die Art und Weise, wie die Kamera ihr Gesicht und die minimalen Veränderungen ihres Ausdrucks einfängt. Und sie scheint nicht vergessen zu haben, was William ihr eins gezeigt hat und was sie nun als ultimative Waffe gegen die Menschheit verwenden möchte.
„It’s not a place, it’s a weapon. And I’m gonna use it to destroy them.“
The valley beyond
Bleibt noch der dritte und letzte Erzählstrang, die (womögliche) Gegenwart. Der Man in Black rettet Lawrence – wieder einmal – das Leben und beschreitet den Weg durch den Park gemeinsam mit ihm. Er scheint über die Zeit hinweg mehr als sein treuer Begleiter geworden zu sein, gibt ihm sicherlich ein Gefühl von Überlegenheit und wahrscheinlich gleichzeitig ein Gefühl von Sicherheit. Er vertraut ihm Geheimnisse des Parks an – und sein Ziel, diesen zu zerstören.
„If you [believed in God], you would believe everything you’ve done has been watched by an all-seeing eye — every choice, every little indiscretion — and when you die, all your sins are tallied up and judgment is rendered. That’s why your world exists. [Humanity] wanted a place hidden from God, a place they could sin in peace. But we were watching them. We were tallying up all their sins, all their choices. Of course, judgment wasn’t the point. We had something else in mind entirely.“
Und während old William auf dem Weg ist, uns zu zeigen, was er meint, gelangt er mit Lawrence durch die Luststadt Pariah, in der ein neuer El Lazo auf sie wartet. Sehr schön, dass wir Lawrences früherer Host-Rolle begegnen – und noch schöner, dass uns eben darin ein alter Bekannter begegnet: Giancarlo Esposito alias Gus Fring verkörpert den neuen El Lazo, der William in seiner altbewährten „Breaking Bad“ Boshaftigkeit ganz in Ruhe erklärt, dass Fords Spiel nur für ihn vorgesehen ist und er von ihm und seiner Gang keine Unterstützung erhalten wird. Daraufhin bringen sich alle Hosts in Pariah bis auf Lawrence um und die beiden sind wieder allein, allein.
„This game was meant for you, William, but you must play it alone.“
In der zweiten Episode der zweiten Staffel „Westworld“ tauchen wir plötzlich und irgendwie auch etwas überraschend in eine ganz andere Welt ein. Wir befinden uns außerhalb des Parks und Kontrollzentrums, in der „realen“ Welt. Die Stimmung ist eine ganz andere, die Atmosphäre irgendwie düster und bedrückend, aber da alles so aufschlussreich ist, bekommt man gleichzeitig nicht genug davon. Wir schwimmen wieder einmal durch mehrere Zeitebenen und benötigen einen konzentrationsreichen Moment oder auch zwei, um alles zeitlich einordnen zu können. „Westworld“ ist halt nichts, was man nebenbei schauen kann. Das beweist die Serie immer wieder auf’s Neue.
Filmisch stechen in dieser Folge wieder einmal die interessanten Kameraperspektiven und der spannende Bildaufbau heraus. Ob die Kamera, die ganz nah an Dolores hängen bleibt, damit uns keine Regung ihres Gesichts entgeht, oder die blendende Froschperspektive, die wir als Zuschauer einnehmen, wenn der Man in Black seine nächste Lawrence-Rettungsaktion startet: Westworld ist halt auch schön anzusehen und trägt in der filmischen Gestaltung so viel Bedeutung, die man stundenlang untersuchen könnte.
Während ich letzte Woche zufrieden mit dem Auftakt war, aber sehr auf Steigerung gehofft habe, ist diese bereits jetzt eingetreten. Man verlangt regelrecht danach, mehr zu sehen, mehr aufschlussreiche Szenen im Puzzle namens Westworld zusammensetzen zu können, herauszufinden, was denn nun dieser große Fehler Williams war, weiter auf ein versöhnliches Ende zwischen ihm und Dolores und vergleichbare überraschende Gastauftritte wie die von Esposito zu hoffen. Bis wir irgendwann im Valley beyond angekommen sind.
Bilder: HBO
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